26.07.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Frankfurt a.M.
08.12.2022
20 W 301/18
NJW-Spezial 2023, 168
Wirksamkeit der Erbeinsetzung eines Wohlfahrtsverbands [ PDF ]
Die Erblasserin war verwitwet und hatte einen Sohn. Testamentarisch hatte sie verfügt, dass ein als eingetragener Verein verfasster Bezirkswohlfahrtsverband allein erben sollte. Auflage war die Errichtung einer unselbständigen Stiftung unter dem Dach des Wohlfahrtsverbandes. Die Mittel der Stiftung sollten katholischen Alten- und Pflegeeinrichtungen zugutekommen. Ihr Sohn erhielt ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils. Zuletzt hatte sie in einer katholischen Altenpflegeeinrichtung gelebt, deren Betreiberin korporatives Mitglied des als Erben eingesetzten Vereines ist. Sowohl die Betreiberin als auch der eingesetzte Verein unterstehen der Aufsicht desselben Bischoffs.
Der Sohn beantragte im Erbscheinsverfahren die Ausstellung des Erbscheins auf sich als alleinigen Erbe. Die Einsetzung des katholischen Wohlfahrtsverbandes sei wegen eines Verstoßes gegen das HGBP unwirksam, da sowohl das Pflegeheim als auch der Wohlfahrtsverband katholische Rechtsträger und „Mitglieder“ der katholischen Kirche und in vielfältiger Weise verbunden seien. Des Weiteren sei eine Annahme des Erbes durch den Verband ohne die Zustimmung des zuständigen Ordinarius fragwürdig. Auch ficht er das Testament aus verschiedenen Gründen an. Das Nachlassgericht beabsichtigt, dem Verein einen Erbschein zu erteilen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Sohnes.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das OLG Frankfurt bestätigt die Auffassung des Nachlassgerichtes, der Verein sei wirksam zum Alleinerben eingesetzt worden. Zunächst ist das Testament nicht gem. § 134 BGB nichtig aufgrund eines Verstoßes gegen die Verbotsnorm § 6 HGBP. § 6 HGBP untersagt es den Betreibern von Pflegeeinrichtungen u. a., sich für die Zurverfügungstellung eines Platzes oder die Erbringung von Pflegeleistungen zusätzliche Zahlungen versprechen zu lassen. Unter das Versprechen gehört auch die Einsetzung in einem Testament, sofern dies dem Begünstigten bekannt gegeben wurde und das Verbot umfasst auch eine Begünstigung des Trägers oder Betreibers eines Heims. Dadurch soll garantiert werden, dass keine unterschiedliche Behandlung der Bewohner als Folge finanzieller Zusatzleistungen oder -versprechen zustande kommt. Außerdem soll dadurch die Testierfreiheit geschützt und das Ausnutzen der Hilf- oder Arglosigkeit verhindert werden.
Die Erbeinsetzung berührt vorliegend diese Zwecke aber nicht. Die Erblasserin hat mit dem Verein eine von der Betreiberin der Altenpflegeeinrichtung verschiedene juristische Person als Erbe eingesetzt. Soweit die Erblasserin den Wunsch geäußert haben soll, in einer katholischen Einrichtung betreut zu werden, die möglicherweise in der Trägerschaft des begünstigten Vereins stünde, erfüllt dies nicht die Verbotsnorm. Ein nicht näher konkretisierter Wunsch ist nicht geeignet, Druck auf den Betreiber einer Einrichtung auszuüben.
Die Erbeinsetzung stellt auch keine unzulässige Umgehung der Verbotsnorm durch mittelbare Zuwendungen dar. Der Eingriff in die Testierfreiheit kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn nach den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen eine Verbindung des Verbotsadressaten und Zuwendungsempfänger vorliegt und eine wirtschaftliche Begünstigung des Verbotsadressaten oder eine rechtliche und tatsächliche Einflussnahme des Zuwendungsempfängers auf den Verbotsadressaten erfolgen kann. Allerdings stellt sich die Erbeinsetzung weder indirekt noch mittelbar als Zuwendung an die Betreiberin der Altenpflegeeinrichtung dar, in welcher die Erblasserin zuletzt gelebt hatte. Auch wenn die Betreiberin der Einrichtung kooperatives Mitglied des Begünstigten war, konnte sie weder an dem zugewendeten Vermögen partizipieren noch Einfluss auf die Pflege oder Betreuung der Bewohner nehmen. Durch die Auflage zur Verwendung ihres Vermögens in einer Treuhandstiftung hat die Erblasserin eine Bestimmung getroffen, die gerade keine Zuwendung an die Betreiberin der Pflegeeinrichtung bewirkt. Auch besteht kein tatsächlicher oder rechtlicher Einfluss des Vereins auf diese Einrichtung. Die gewählte testamentarische Gestaltung diente zwar offensichtlich dazu, einen Verstoß gegen die Vorschriften des HSBP zu vermeiden. Die Gestaltung berührt aber nicht die Schutzzwecke des HSBP und ist damit von der Testierfreiheit gedeckt.
Da das kanonische Recht nicht auf privatrechtlich verfasste Einrichtungen der Kirche anwendbar ist, ist es hier nicht einschlägig. Folglich bedurfte die Annahme der Erbschaft durch den Verein auch nicht der Genehmigung durch den Bischof nach dem Kirchenvermögensverwaltungsgesetz. Schließlich bestehen bezüglich einer Anfechtung des Testaments zum einen Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Anfechtungsfrist, zum anderen kann ein Anfechtungsgrund nicht festgestellt werden.
Da alle Bundesländer von ihrer konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht haben, ist das Heimgesetz nicht mehr anwendbar. Die Rechtsprechungsgrundsätze dazu sind jedoch meist auch auf die entsprechenden Landesgesetze anwendbar. Zu beachten ist, dass die Gesetze nicht in jedem Fall eine Einschränkung der Testierfreiheit rechtfertigen. Auch eine bewusste Gestaltung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Heimgesetz muss nicht dessen Schutzzwecke berühren und kann daher wirksam sein. Da eine Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob sich noch etwas anderes ergeben wird. Von Bedeutung ist zum einen die Frage, ob die Heim- und Pflegegesetze entsprechend anwendbar sind, wenn eine juristischen Person als Erbe eingesetzt ist, die zusammen mit dem Verbotsadressaten in eine hierarchische Organisationsstruktur eingebunden ist aber ohne Über- und Unterordnungsverhältnis. Zum anderen ist von Bedeutung, ob die kirchenrechtlichen Genehmigungsvorschriften auf privatrechtlich verfasste kirchliche Vereine anwendbar sind.