19.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Saarbrücken
17.01.2023
5 W 98/22
MittBayNot 2024, 352
Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Grundbuchverfahren [ PDF ]
(amtliche Leitsätze)
Die Erblasserin hinterließ zwei Kinder, die gemäß ihrem privatschriftlichen Testament als hälftige Miterben eingesetzt wurden. Der Sohn (Beteiligter zu 2) wurde zudem zum alleinigen Testamentsvollstrecker bestimmt, ohne dass das Testament eine ausdrückliche Anordnungen zu etwaigen Beschränkungen nach § 181 BGB traf.
In seiner Funktion als Testamentsvollstrecker veräußerte er zu einem Kaufpreis von 360.000 EUR ein zum Nachlass gehörendes Grundstück an sich selbst sowie an eine ihm nahestehende Person (Beteiligter zu 3) zu je hälftigen Miteigentum. Der Kaufpreis sollte primär zur Ablösung mehrerer bestehender Grundschulden dienen, der Restbetrag der Erbengemeinschaft zufließen. Es wurde eine Finanzierungsgrundschuld an dem Grundstück bestellt und deren Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Außerdem wurde zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung die Eintragung einer Vormerkung für die Erbwerber bewilligt und beantragt. Das Grundbuch äußerte – im Hinblick auf die Vorschrift des § 181 BGB – Bedenken hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Beteiligten zu 2 und forderte zum Nachweis, dass „der Verkauf“ ordnungsgemäßer Verwaltung unterliege, den Nachweis der vollumfänglichen Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts, woraufhin der Beteiligte zu 2 zwei Wertgutachten einreichte. Daraufhin nahm das Grundbuchamt die beantragten Eintragungen von Vormerkung und Grundschuld vor.
Die andere Miterbin (Beteiligte zu 1) widersprach den Eintragungen und erhob Beschwerde. Ihrer Ansicht nach sei die Veräußerung des Grundstücks gemäß § 181 BGB sowie wegen grober Verstöße gegen Mitteilungs- und Anhörungspflichten gegenüber den Miterben nichtig. Zudem sei das Grundstück stark unter dem eigentlichen Wert veräußert worden. Das Grundbuchamt wertete die Beschwerde als Anregung zur Eintragung eines Amtswiderspruchs und legte die Sache dem OLG vor.
Die zulässige Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruches (§ 71 Abs. 2 S. 2 GBO i.V.m. § 53 Abs. 1 GBO) hat Erfolg. Denn nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat das Grundbuchamt die beiden Eintragungen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften – ohne ausreichenden Nachweis der Verfügungsbefugnis des die Eintragungen bewilligenden Testamentsvollstreckers (§ 2205 S. 2 und 3 BGB, auch i.V.m. 181 BGB) – vorgenommen, wodurch das Grundbuch unrichtig geworden ist.
Zunächst stellt das OLG fest, dass der Testamentsvollstrecker bei Verfügungen über Grundstücksrechte seine Verfügungsbefugnis nachweisen müsse, wozu grundsätzlich auch die Entgeltlichkeit der Verfügung gehöre (§ 2205 S. 3 BGB). In Fällen des sog. Insichgeschäfts sei zudem die Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB bzw. die Erfüllung einer Verbindlichkeit gem. § 181 Hs. 2 BGB nachzuweisen. Da es sich bei der Bewilligung einer grundbuchrechtlichen Eintragung gem. § 19 GBO um eine amtsempfangsbedürftige (also verfahrensrechtliche) Willenserklärung handle, gelte die Vorschrift des § 181 BGB aufgrund der materiellrechtlichen Wirkungen der Vormerkungsbewilligung entsprechend. Das Grundbuchamt müsse also stets sorgfältig prüfen, ob sich der Testamentsvollstrecker in den Grenzen seiner Verfügungsbefugnis gehalten hat. Hierbei habe es – neben dem Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses – auch die aus dem Gesetz ersichtlichen Verfügungsbeschränkungen zu beachten.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe das Grundbuchamt die beantragte Auflassungsvormerkung nicht eintragen dürfen, da die Bewilligung der Vormerkung durch den Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstrecker gegenüber seiner eigenen Person ein grundsätzlich verbotenes Insichgeschäft gem. § 181 BGB (Verbot des Selbstkontrahierens) darstelle, dessen Berechtigung nicht nachgewiesen worden sei. Eine Ausnahme vom Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 Hs. 2 BGB aufgrund der Erfüllung einer Verbindlichkeit liege ebenso wenig vor wie die ausdrückliche, testamentarische Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB durch die Erblasserin. Auch eine stillschweigende Ermächtigung des Testamentsvollstreckers zur Vornahme des Rechtsgeschäfts sei abzulehnen, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Bewilligung der Auflassungsvormerkung dem Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) entspreche. Denn der Beteiligte zu 1 sei nur dazu berufen gewesen, die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin auszuführen und den Nachlass auseinanderzusetzen. Bei der Nachlassauseinandersetzung dürfe der Testamentsvollstrecker mangels abweichender Anordnung des Erblassers – wie vorliegend – die Auseinandersetzung nicht nach Gutdünken oder billigem Ermessen vornehmen, auch nicht unteilbare Gegenstände einzelnen Miterben auf ihre Erbteile zuweisen. Vielmehr sei er verpflichtet, solche in Natur nicht teilbaren Nachlassgegenstände zu veräußern und den Erlös zur Teilung zu bringen sowie die anderen Miterben an den Entscheidungsfindungen angemessen zu beteiligen. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB führe der fehlende Nachweis der Ermächtigung zur Vornahme des Insichgeschäfts zur Unwirksamkeit der Bewilligung der Auflassungsvormerkung insgesamt – also auch hinsichtlich des Beteiligten zu 3.
Weiter führt der Senat aus, dass die vom Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstrecker bewilligte Grundschuld ebenfalls unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften eingetragen worden sei, da nicht erwiesen sei, dass eine entgeltliche Verfügung gem. § 2205 S. 3 BGB vorliegt.
Erfolgt die Belastung des Grundstücks – wie hier – vor Eigentumsumschreibung mit Grundschulden oder Hypotheken, die dem Käufer die Finanzierung des Kaufpreises durch Kredite ermöglichen soll, liege eine entgeltliche Verfügung nur vor, wenn in der Grundschuldbestellung die Zweckbestimmung derart eingeschränkt ist, dass der Verkäufer – also hier der Nachlass – gegen anderweitige Verwendungen des Grundpfandrechts geschützt wird. Es müsse also sichergestellt sein, dass die mit der Grundschuld besicherte Darlehensforderung in voller Höhe dem Nachlass zugeführt wird. Eine Grundschuldbestellung sei unwirksam, wenn die Darlehensvaluta dem Testamentsvollstrecker oder einem Dritten zufließen oder ein Kredit Dritter besichert werden soll. Im vorliegenden Fall sei nicht ausreichend sichergestellt gewesen, dass die im Gegenzug geschuldete Darlehensvaluta ungeschmälert in den Nachlass gelange. So enthalte der notarielle Kaufvertrag keine Regelung, die eine vollständige Zahlung des Kaufpreises an den Nachlass sicherstelle.
Abschließend macht der Senat vorsorglich darauf aufmerksam, dass im Rahmen einer etwaigen Eigentumsumschreibung ebenfalls die Voraussetzungen sowohl der Befreiung des Beteiligten zu 2 vom Verbot des Insichgeschäfts als auch die Vollentgeltlichkeit der Grundstücksveräußerung nachgewiesen werden müsse. Dieser Nachweis sei – trotz Einreichung zweier Wertgutachten durch den Beteiligten zu 2 – bislang nicht geführt worden.
Der BGH geht nach ständiger Rechtsprechung im Wege der Auslegung privatschriftlicher (§ 133 BGB) regelmäßig von einer stillschweigenden Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts aus, wenn der Testamentsvollstrecker einerseits zum Erben berufen ist und andererseits das Geschäft den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) entspricht. Nach Ansicht des BGH ist ein solches Insichgeschäfts „ordnungsgemäß“, sofern es vollentgeltlich ist und die „verfahrensmäßigen Rechte der Erben“ gewahrt werden, was wiederum der Fall, wenn z.B. den (anderen) Miterben rechtzeitig Gelegenheit gegeben wird, zu dem geplanten Insichgeschäft Stellung zu nehmen.
Eine ausdrückliche testamentarische Gestattung des Testamentsvollstreckers, ein Nachlassgrundstück – auch ohne Anhörung der Miterben – unter dem Wert („Familienpreis“) zu erwerben, ist nicht möglich. Denn vom Verbot (teil-) unentgeltlicher Geschäfte kann der Testamentsvollstrecker wegen § 2207 S. 2 BGB nicht befreit werden. Stattdessen bietet sich beispielsweise die Anordnung eines Vorausvermächtnisses zugunsten des Testamentsvollstreckers an, sodass dieser das Vermächtnis gem. § 181 BGB unproblematisch „in Erfüllung einer Verbindlichkeit“ an sich selbst erfüllen kann. Soll der Testamentsvollstrecker frei entscheiden können, ob und zu welchem Zeitpunkt er ein Grundstück – ggf. unter dem Wert – aus dem Nachlass erwerben möchte, bietet sich die Ausgestaltung des Vorausvermächtnisses als Ankaufsvermächtnis an, welches nach dem Erbfall mit einer Vormerkung abgesichert werden kann.
„Unentgeltliche Verfügungen“ im Sinne des § 2205 S. 3 BGB sind nach der herrschenden Meinung auch teilentgeltliche Geschäfte wie Unterwertverkäufe oder die „gemischte Schenkung“. Subjektiv fordert der BGH zusätzlich die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Testamentsvollstreckers von der fehlenden Vollentgeltlichkeit.