Die Europäische Aktiengesellschaft - Societas Europaea (SE)

Neben die klassischen Kapitalgesellschaftsformen GmbH, UG, AG und der Sonderform der KGaA ist seit dem 8. Oktober 2004 die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea - kurz „SE“) getreten. Die Gesellschaft kann in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegründet werden.

Das Grundgerüst zum Beispiel einer in Frankreich gegründeten SE und einer in Deutschland gegründeten SE ist daher gleich. Dennoch bleiben Unterschiede bestehen, denn neben den europaweit einheitlichen Regelungen zur SE in der SE-VO (Verordnung (EG) Nr. 2157/2001) finden auch nationale Vorschriften auf die Verfassung der SE Anwendung.

Das sind neben der SE-VO in Deutschland:

  • SEAG (SE-Ausführungsgesetz)
  • AktG
  • SEBG (SE-Beteiligungsgesetz)

Die SE hat ein Grundkapital von mindestens 120.000,00 € (Art. 4 II SE-VO). Es ist damit mehr als doppelt so hoch wie das Grundkapital einer deutschen AG (50.000,00 €). Für SEs, die in sensiblen Feldern tätig sind, können die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 4 III SE-VO auch eine abweichende Mindesthöhe des Grundkapitals festlegen. 

In Deutschland sind das insbesondere:

  • § 25 I Nr. 1 KAGB (für Kapitalverwaltungsgesellschaften mindestens 125.000,00 € bzw. 300.000,00 €)
  • § 2 IV 1 UBGG (für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften mindestens 1.000.000,00 €)
  • § 4 REITG (für Immobilien-Aktiengesellschaften mindestens 15.000.000,00 €)

Wie bei der nationalen AG ist die Haftung der Aktionäre auf die Höhe ihrer Einlage begrenzt.

 


Die SE kann auf verschiedenen Wegen gegründet werden:

  • durch Gründung einer Holding-SE
  • durch Gründung einer Tochter-SE
  • durch Verschmelzung
  • durch Umwandlung

Gründer einer SE können nur juristische Personen sein. Insbesondere also nicht Personengesellschaften wie die KG oder die OHG. Der Kreis der möglichen Gründer variiert dabei je nach Gründungsform. Die entsprechende Regelung findet sich in Art. 2 SE-VO. Während die Gründung einer Tochter-SE auch GmbHs und juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts offensteht, können an einer Gründung durch Verschmelzung nur AGs beteiligt sein.

Zur Gründung einer SE ist neben der Aufbringung des Grundkapitals ein europäischer Bezug notwendig. Das bedeutet, die an der Gründung beteiligten Rechtsträger bedürfen eines Bezuges zu mindestens einem weiteren Mitgliedsstaat der Europäischen Union. So ist eine Verschmelzung zu einer SE nur möglich, wenn von den beteiligten AGs mindestens zwei dem Recht unterschiedlicher Mitgliedsstaaten unterliegen (Art. 2 I SE-VO). Bei den anderen Gründungsvarianten ist zur Herstellung des europäischen Bezuges teilweise eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung ausreichend.

Die Führung einer SE obliegt ihrem Leitungsorgan. Nach den europäischen Regelungen ist es möglich, zwischen dem monistischen Leitungssystem (Art. 43 ff. SE-VO, §§ 20 ff. SEAG) und dem dualistischen Leitungssystem (Art. 39 ff. SE-VO, §§ 14 ff. SEAG) zu wählen. Die Hauptversammlung ist bei beiden Leitungsvarianten das Grundorgan der Gesellschaft.

Das dualistische System entspricht der kontinentaleuropäischen Tradition. Die Leitung der Gesellschaft obliegt dabei dem Vorstand, während dem Aufsichtsrat die Überwachung des Vorstandes obliegt.

Das monistische System ist anglo-amerikanischen Ursprungs und geht von einer kollegial geprägten Leitung aus. Es gibt nur ein Leitungsorgan, das „board (of directors)“, nach deutschem Terminus: Verwaltungsrat. Kontrolle und Leitung sind dabei in einem Organ vereinigt. In § 40 I 1 SEAG sieht der deutsche Gesetzgeber vor, dass mindestens ein geschäftsführender Direktor bestimmt wird, der die Geschäfte der Gesellschaft führt und diese nach außen vertritt. Der geschäftsführende Direktor kann ein Mitglied des Verwaltungsrats oder aber ein Dritter sein.
 

Ein weiteres Merkmal der SE ist die Möglichkeit, ihren Verwaltungssitz ohne Auflösung bzw. Neugründung in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen (Art. 8 I 2 SE-VO). Dieses Alleinstellungsmerkmal der SE im europäischen Gesellschaftsrecht ist jedoch weitgehend verlorengegangen mit der Ermöglichung grenzüberschreitender formwechselnder Umwandlungen innerhalb der EU durch Art. 86a ff. GesR-RL (EU 2019/2121) – in Deutschland durch das UmRUG in §§ 333 ff. UmwG umgesetzt.

Zu beachten ist bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedsstaat, dass die Verlegung die Anwendung des nationalen Rechts in diesem Mitgliedsstaat nach sich zieht (vgl. Art. 9 I c) SE-VO). Wie oben dargelegt, finden auf die SE schließlich neben der SE-VO vor allem nationale Gesetze Anwendung, die sich von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat unterscheiden. Hinsichtlich des Rechtsträgers besteht damit zwar Kontinuität, das auf ihn anwendbare Recht und damit gegebenenfalls auch seine Verfassung verändern sich aber gegebenenfalls.

Eine einheitliche europäische Besteuerung geht mit der SE nicht einher. Zwischen den Mitgliedstaaten bleibt in Bezug auf die SE der Wettbewerb der Steuersysteme erhalten.

Die Mitbestimmung in einer SE soll nach dem Grundgedanken der europäischen Gesetzgebung ausgehandelt werden (§§ 11 ff. SEBG). Können sich die Parteien nicht einigen, greift eine Auffangregelung (§ 22 I Nr. 2 SEBG).

In Betracht kommt die Gründung einer SE für europaweit agierende Konzerne, die derzeit gesellschaftsrechtlich noch nicht integriert sind. Für Aktiengesellschaften aus neuen Mitgliedstaaten der europäischen Union kann die Rechtsform der SE wegen ihres Seriositätsvorsprungs vor den nationalen Rechtsformen der neuen Mitgliedsstaaten eine Option darstellen. Die Regelungen zur Mitbestimmung in der SE können für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich von DrittelbG (mehr als 500 Mitarbeiter) oder MitbestG (mehr als 2000 Mitarbeiter) fallen, eine Umwandlung in eine SE interessant machen.

Für Beratung auf dem Gebiet der SE und insbesondere auch auf dem Gebiet des Umwandlungsrechts steht das Notariat mit kompetentem Rechtsrat zur Seite. Notar Prof. Dr. Heribert Heckschen hat die Entwicklung auf dem Gebiet der SE seit In-Kraft-Treten der SE-VO wissenschaftlich begleitet: vgl. Heckschen, DNotZ 2003, 251; Heckschen, in: Festschrift für HP Westermann, Die SE als Option für den Mittelstand, 2008, S. 999; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Anhang 14: Europäische Gesellschaft (SE) usw.


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