20.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
LG Dortmund
21.06.2023
8 O 5/22 (Kart)
ZIP 2023, 2200
Haftung des Geschäftsführers für Kartellgeldbußen gegen ihr Unternehmen [ PDF ]
Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2022 eine Geldbuße gegen die Klägerin (eine GmbH & Co. KG) verhängt, da sie zwischen 2011 und 2012 mit einem Wettbewerber kartellrechtswidrige Absprachen in Bezug auf acht von einem bestimmten Auftraggeber ausgeschriebene Projekte getroffen hat. Die dadurch erworbenen Aufträge führten zu erheblichen finanziellen Verlusten für die Klägerin. Diese verklagt nun den damaligen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der an den fraglichen Absprachen beteiligt war, auf Ersatz der Geldbuße sowie der Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Verfahren. Das Gericht hat den Parteien vorläufig mitgeteilt, dass es die Klage für begründet hält, und sie zur Stellungnahme aufgefordert.
Die zuständige Kammer am LG Dortmund stellt im vorliegenden Hinweisbeschluss fest, dass nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung der ehemalige Geschäftsführer der Komplementärin gegenüber der Klägerin dem Grunde nach für die entstandenen Schäden haftet.
Ein Regressanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen, die ihr dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellrechtsverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt sowie mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wurde, sei zwingend zu bejahen. Der Anspruch ergebe sich aus § 43 Abs. 2 GmbHG, da es sich bei der Beteiligung an einem nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB verbotenen Kartell um einen zur Haftung des Geschäftsführers führenden Verstoß gegen die Legalitätspflicht des Geschäftsführers handle. Als Organ der Gesellschaft hätte dieser sich an einem solchen Verstoß nicht beteiligen dürfen, sondern ihn vielmehr hätte verhindern müssen. Denn der Geschäftsführer einer GmbH sei zur Unterlassung bzw. Verhinderung von Rechtsverstößen verpflichtet.
Die Anerkennung eines solchen Regressanspruchs der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer stelle nach Auffassung des LG Dortmund auch kein Unterlaufen der ordnungsrechtlichen Sanktionen dar. Zunächst sei zu berücksichtigen, dass Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht eingeständig nebeneinanderstehen, ohne dass letzteres das erstere beschränken könne. Zudem werde hierdurch weder die primäre Zahlungspflicht in Frage gestellt noch werde es regelmäßig zu einer vollständigen Entlastung des Unternehmens durch vollumfängliche Rückzahlung des Geschäftsführers kommen, da Deckungssummen von D&O-Versicherungen – sofern diese überhaupt eingreifen – regelmäßig überschritten sein dürften und die Gesellschaft das Insolvenzrisiko seines Organs zu tragen habe. Auch den Ansehensverlust, den das Unternehmen durch die Bußgeldverhängung erleide, gelte es in diesem Zusammenhang zu beachten. Andererseits würde der Verzicht auf den Regress der Risikobereitschaft auf Seiten der Geschäftsführung, durch Kartellrechtsverletzungen Vorteile unmittelbar für das Unternehmen, aber mittelbar auch für sich selber zu generieren, Vorschub leisten.
Eine Haftungsbegrenzung komme zwar insbesondere aufgrund des Grundsatz der Vorteilsausgleichung in Betracht. Dieser Aspekt greife vorliegend jedoch nicht zugunsten des Beklagten ein, da dem Unternehmen aus den konkret in Rede stehenden kartellierten Geschäften keine Vorteile, sondern im Gegenteil – und völlig unabhängig von den Geldbußen – herbe Verluste entstanden seien.
Das LG Dortmund hat im Hinweisbeschluss ausdrücklich die Frage offengelassen, ob ein Ausschluss des Regresses aufgrund des Abschöpfungscharakters des Bußgeldes in Betracht kommt, da eine Abschöpfung im vorliegenden Falle erkennbar nicht stattgefunden habe. Es ist also möglichweise bei der Anerkennung (bzw. der Höhe) eines Regressanspruchs der Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schäden, die durch die Mitwirkung des Geschäftsführers an Kartellverstößen entstanden sind, danach zu differenzieren, ob das Kartellbußgeld im konkreten Einzelfall (auch) der Abschöpfung der erlangten Vermögensorteile dient.
Auch wenn durch die Annahme eines Regressanspruchs der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer, der Sanktionszweck der Kartellgeldbuße gegenüber dem Unternehmen bei wertender Betrachtung abnehmen mag, so ist die diesbezügliche dogmatische Herleitung des LG Dortmund – Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG aufgrund eines Verstoßes gegen die Legalitätspflicht des Geschäftsführers – nachvollziehbar und zutreffend.
In einem weiteren Hinweisbeschluss des LG Dortmund (v. 14.08.2023 – 8 O 5/22 (Kart), ZIP 2023, 2201) befasst sich dieselbe Kammer mit der vom OLG Düsseldorf vertretenen Gegenauffassung (Urteil v. 27.07.2023 − VI-6 U 1/22 (Kart), NZKart 2023, 489) und hält an ihrer im Ausgangsbeschluss vertretenen Ansicht weiter fest. Hinzuweisen sei darauf, dass das OLG Düsseldorf das für das LG Dortmund in Kartellsachen zuständige Berufungsgericht ist.