KG 1 W 27/24
Erbschein bei Einsetzung der Kinder trotz notariellen Testaments?

19.11.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
24.07.2024
1 W 27/24
ErbR 2024, 812

Leitsatz | KG 1 W 27/24

Werden in einer notariellen Verfügung von Todes wegen namentlich nicht bezeichnete Kinder als Erben bestimmt, kann das Grundbuchamt gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO die Vorlage eines Erbscheins (oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses) verlangen. Geburtsurkunden iVm einer Versicherung an Eides statt, es seien keine weiteren Kinder geboren worden, genügen für den Nachweis der Erbfolge nicht. 

Sachverhalt | KG 1 W 27/24

Der Großvater, Eigentümer mehrere Grundstücke, setzte seine Enkel nach seinen Kindern zu gleichen Teilen zu Ersatz- und Nacherben für den Erbteil ein, den die Kinder jeweils erben sollten. Anders als seine Kinder bezeichnete er seine Enkel im notariellen Testament nicht namentlich. Nach dem Tod der Kinder und Erbanfall eines Grundstücks wollten die Enkel das Grundbuch auf sich umschreiben lassen und legten hierzu das notarielle Testament samt Eröffnungsprotokoll vor. Das Grundbuchamt verlangte jedoch einen Erbschein, der die Kinder als Nacherben des Großvaters und Alleinerben der Kinder ausweist. Die Enkel meinten, das notarielle Testament des Großvaters in Verbindung mit ihren Geburtsurkunden genüge für den Nachweis der Erbfolge, jedenfalls aber beglaubigte Kopien der Geburtsurkunden in Verbindung mit einer Versicherung an Eides statt, dass die Enkeln die einzigen Nacherben des Großvaters seien. 

Daraufhin wandten sich die Enkel gegen die Forderung des Grundbuchamtes, den Erbschein vorzulegen. 
 

Entscheidung | KG 1 W 27/24

Die Beschwerde ist unbegründet. 

Das Grundbuchamt könne gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Hs. 2 GBO für den Nachweis der geltend gemachten Erbfolge einen Erbschein (oder alternativ ein Europäisches Nachlasszeugnis) verlangen. Das Kammergericht entschied, dass die Erbfolge der Enkel durch das notarielle Testament des Großvaters nicht hinreichend nachgewiesen sei, da man ihm nicht entnehmen könne, wer genau die Nacherben seien. Mit den Geburtsurkunden der Enkel sei nur zu beweisen, dass diese von den Kindern abstammten (§ 54 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 2, § 59 PStG), nicht aber, dass keine weiteren Kinder vorhanden (gewesen) seien.

Eine eidesstattliche Versicherung der Enkel genüge zum Beweis dieser negativen Tatsache im Grundbuchverfahren nicht, denn das Grundbuchamt sei im vorliegenden Fall nicht befugt gewesen, eine eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Die eidesstattliche Versicherung biete nur dann eine höhere Richtigkeitsgewähr, wenn sie gemäß §§ 156, 161 StGB strafbar ist. Das sei aber für eine nur richterechtlich zugelassene eidesstattliche Versicherung im Grundbuchverfahren nicht der Fall (Art. 103 Abs. 2 GG). 

Da für den Nachweis der Erbfolge die Vorlage der in § 35 Abs. 1 S. 1 GBO genannten Urkunden die Regel und § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO die Ausnahme sei, sei der Nachweis, dass keine weiteren Enkel vorhanden seien, nur dann nicht zu erbringen, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Gegenteil bestünden. Da dem Gericht aber viele öffentliche Verfügungen von Todes wegen bekannt seien, in denen die erbberechtigten Abkömmlinge namentlich bezeichnet seien, bestehe im vorliegenden Fall keine Beweisnot und die Ausnahme sei nicht zu erweitern. 

Praxishinweis | KG 1 W 27/24

Die Entscheidung verdeutlicht den besonderen Schutz der Richtigkeit des Grundbuchs. 

Das Grundbuchamt soll nur dann Eintragungen vornehmen, wenn die zugrunde liegenden Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen ist. Grundsätzlich erfolgt der Nachweis der Erbfolge durch einen Erbschein (oder Europäisches Nachlasszeugnis) gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Nur wenn die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, entfällt dieses Erfordernis (§ 35 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GBO). Erachtet das Grundbuchamt dann ausnahmsweise die Erbfolge dieser Urkunden als nicht nachgewiesen, kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen (§ 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO). 

Wenn die Abkömmlinge der beerbten Eltern aber im Zeitpunkt der Testamentserstellung noch gar nicht geboren sind, ist es schwierig, die Enkel-Erben namentlich zu benennen. In der Praxis kommen solche Testamente aber häufig vor, sodass derartige Erbfälle dann meistens nur kosten- und zeitintensiv abgewickelt werden können, weil der Nachweis der Erbenstellung der Enkel noch erbracht werden muss. 

In einem ähnlichen Fall (OLG Frankfurt v. 26.09.1985 – 20 W 442/8) reichte dem Gericht bereits die notarielle eidesstattliche Versicherung des Nacherben, zum Beweis der Tatsache, dass er der einzige Enkel des Erblassers war. 

Das KG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.