31.07.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamburg
20.12.2021
13 W 162/21
ErbR 2023, 55
(Leitsatz 1 amtlich, weitere von RiBGH a.D. Roland Wendt, Karlsruhe)
Ein Grundstückseigentümer ist verstorben, aber noch im Grundbuch eingetragen. Der Erblasser hatte vor seinem Tod einem seiner mehreren Erben (Ehefrau) mit notarieller Urkunde eine transmortale Generalvollmacht erteilt. Diese Generalbevollmächtigte, handelnd im Namen des Erblassers und dessen Erben, bevollmächtigte nun im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags einen Dritten, das Grundstück mit einem Grundpfandrecht zu belasten und die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nach § 800 ZPO zu erklären.
Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung und verlangte eine Voreintragung der Betroffenen gem. § 39 Abs. 1 GBO. Eine Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO komme nicht in Betracht.
Das OLG Hamburg gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass in analoger Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO vorliegend auf die noch nicht erfolgte Voreintragung der Berechtigten gem. § 39 Abs. 1 GBO verzichtet werden könne. Eine direkte Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO sei zweifelsfrei nach seinem Wortlaut ausgeschlossen. Eine analoge Anwendung der Norm auf den vorliegenden Sachverhalt sei aber trotz der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung gerechtfertigt.
Das OLG Hamburg lehnt die Auffassung z.B. des OLG Oldenburg Beschl. v. 23.03.2021 –12 W 38/21 ab, dass § 40 Abs. 1 GBO als Ausnahme vom Grundsatz des § 39 Abs. 1 GBO von vornherein eng auszulegen sei und eine analoge Anwendung nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden könne, dass ein Beharren auf der Voreintragung sich als bloße Förmelei darstelle. Das OLG Oldenburg argumentierte, dass, anders als bei Sachverhalten, in denen der Voreinzutragende seine Rechtsposition (sicher) sofort wieder verliere und für den Rechtsverkehr damit kein Interesse an der Nachvollziehbarkeit seines Zwischenerwerbs bestehe, bei der Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld keineswegs gesichert sei, dass es tatsächlich zu diesem Rechtsverlust komme. Der Erwerbsvorgang könne scheitern, mit der Folge, dass dauerhaft ein Grundpfandrecht im Grundbuch verbleibe, ohne dass nachvollzogen werden könne, auf wen diese Belastung des Grundstücks zurückzuführen sei. Das OLG Oldenburg geht demnach davon aus, dass nicht damit argumentiert werden könne, dass allgemein die Sicherung einer Übertragung durch Eintragung einer Vormerkung der Übertragung selbst gleichgestellt und in diesem Falle eine Voreintragung als verzichtbar angesehen werde, da anders als die Eintragung der Finanzierungsgrundschuld die Eintragung der Auflassungsvormerkung nach Scheitern des Erwerbsvorganges der Grundbuchberichtigung unterliege.
Das OLG Hamburg betrachtet die Differenzierung zwischen Eintragung einer Vormerkung und einer Finanzierungsgrundschuld kritisch. Auch bei einer nicht mehr benötigten Finanzierungsgrundschuld gebe es regelmäßig Ansprüche auf Löschung - aus der Sicherheitenzweckabrede oder auch aus § 812 BGB, die wie der Grundbuchberichtigungsanspruch geeignet seien, das Grundbuch zu berichtigen. Dies lasse eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1, 1. Alt GBO naheliegen.
Das OLG Hamburg schließt sich insoweit OLG Stuttgart Beschl. v. 17.10.2018 – 8 W 311/18 an, wonach die vorliegende Situation der Bewilligung einer Finanzierungsgrundschuld durch eine vom Erblasser postmortal bevollmächtigte Person wertungsmäßig der Verfügung durch einen Nachlasspfleger im Sinne des § 40 Abs. 1, 2. Alt. GBO vergleichbar sei. Gerade durch die Erteilung einer transmortal wirkenden Generalvollmacht bringe der Vollmachtgeber sehr deutlich zum Ausdruck, dass diese Vertrauensperson auch über seinen Tod hinaus umfassend für ihn soll handeln können. Zu Recht habe das OLG Stuttgart betont, dass die Rechtsmacht des transmortal Bevollmächtigten - wie die des Nachlasspflegers - sogar deutlich weiter reiche, als die Befugnisse der Erben aufgrund ihrer Erbenstellung.
Diese Entscheidung reiht sich ein in die 2021 erlassenen Beschlüsse der OLGs Bremen und Karlsruhe. Dennoch bleibt die Frage der Eintragung auf Grundlage einer transmortalen Vorsorgevollmacht weiter umstritten. Es mehren sich aber die Stimmen, die im Ergebnis pro Verzicht auf die Voreintragung der Erben sind (so bspw. grds. OLG Frankfurt ZEV 2017, 719; OLG Köln FGPrax 2018, 106; OLG Stuttgart ZErb 2018, 337; OLG Celle RNotZ 2019, 633; KG Mitt- BayNot 2021, 245; OLG Karlsruhe FGPrax 2022, 5; dagegen aber bspw. OLG Bremen NotBZ 2022, 392; OLG Oldenburg FGPrax 2021, 153). Für die Praxis bleibt die Frage bis zu einer höchstrichterlichen Klärung aber virulent. Im Zweifel – und je nach OLG-Bezirk – ist aber zu einer Voreintragung zu raten.
S. hierzu ausführlich Wendt, ErbR 2023, 18.