08.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
18.03.2024
18 U 80/23
BeckRS 2024, 8017
Die Klägerin macht als gewerbliche Maklerin einen Provisionsanspruch aus einem mit den Beklagten geschlossenen Maklervertrag geltend. Die dem Vertrag zugrunde liegende Immobilie bestand aus zwei Wohnungseigentumseinheiten mit separaten Eingängen, Kellerräumen im Gemeinschaftseigentum, einer Verbindungstür und jeweils 95 m2 und 145 m2 Wohnungsgröße. Die Versorgung mit Gas und Wasser erfolgte über einen einzigen Zähler. In dem Exposé wurde die Immobilie als Zwei- bzw. Mehrfamilienhaus bezeichnet. Die Beklagten erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 31.05.2021 das Objekt, woraufhin die Klägerin ihnen am 11.06.2021 die Maklerprovision in Rechnung stellte. Die Parteien streiten darüber, ob die §§ 656a ff. BGB auf den geschlossenen Maklervertrag Anwendung finden. Die Beklagten vertreten die Ansicht, dass sie aufgrund von umfangreichen Umbaumaßnahmen nach dem Kauf nicht zur Zahlung von Maklerlohn verpflichtet seien.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Maklerprovision nach § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Der sachliche Anwendungsbereich des § 656c BGB ist nicht eröffnet, da die Maklertätigkeit der Klägerin nicht den Kauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses nach §§ 656a ff. BGB betraf, sodass der Maklervertrag nicht nach § 656a BGB der Textform bedurfte. Die Begriffe „Wohnung“ und „Einfamilienhaus“ in § 656a BGB und § 656c BGB haben hierbei die gleiche Bedeutung.
Da der Gesetzestext von „einer“ Wohnung spricht, scheidet die Anwendung der Vorschrift auf die hier fragliche Immobilie mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff „Wohnung“ aus. Anderenfalls würde auch die Beschränkung der §§ 656a ff. BGB auf Einfamilienhäuser in Abgrenzung zu Mehrfamilienhäusern ihre Bedeutung verlieren.
Ein Einfamilienhaus im Sinne der Vorschriften ist ein Gebäude, welches in erster Linie den Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnes Haushaltes dient. Das Vorhandensein einer weiteren Wohnung von untergeordneter Bedeutung ist dabei unschädlich. Das von den Beklagten erworbene Objekt ist nicht als Einfamilienhaus zu qualifizieren, da es aus zwei grundsätzlich getrennten Wohneinheiten besteht, die jeweils für die Nutzung durch einen eigenständigen Haushalt ausgelegt sind, was sich insbesondere durch den gesonderten Eingang sowie jeweils eine eigene Küche und Badezimmer ergab. Die im Erdgeschoss vorhandene Verbindungstür steht dem nicht entgegen, da sie die beiden Wohneinheiten nicht notwendig zu einem einzigen Haushalt verbindet und die Verbindung außerdem ohne Weiteres durch ein Abschließen oder Zumauern der Tür aufgehoben werden kann. Auch aus der gemeinschaftlichen Nutzung des Kellers ergibt sich nichts anderes, da Gemeinschaftsräume im Keller eines Mehrfamilienhauses nicht ungewöhnlich sind. Auch das Vorhandensein einer gemeinsamen Gas- und Wasserversorgung ohne getrennte Zähler führt nicht zu einer anderen Qualifikation, da die Notwendigkeit zur Nachrüstung zur Erfassung des anteiligen Verbrauchs in der Gesamtbetrachtung nicht derart schwer wiegt und insoweit nicht prägend ist.
Welche Bedeutung der Bezeichnung des Objekts als Zwei- bzw. Mehrfamilienhaus zukommt, kann dahinstehen, da sich daraus jedenfalls keine von den tatsächlichen Begebenheiten abweichende Qualifikation des Objekts nach §§ 656a ff. BGB ergibt.
Auch der Aspekt der untergeordneten Bedeutung der einen oder anderen Wohneinheit führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da nach der Gesamtbetrachtung der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung sowohl die absolute Größe der kleineren Wohnung von 95 m2 als auch ihr relativer Anteil an der Gesamtfläche von knapp 40% gegen eine solche untergeordnete Bedeutung sprechen.
Durch die zwischenzeitlich erfolgten Umbaumaßnahmen, durch welche das Wohnzimmer durch eine Wand geteilt und der größeren Wohnung 15 m2 der kleineren Wohnung zur Nutzung als Büro zugeteilt wurde, liegt ebenfalls kein Einfamilienhaus vor, denn das Gesamtobjekt ist auch im neuen Zustand objektiv auf die Nutzung durch zwei Haushalte angelegt. Die Verwandtschaftsbeziehung der Bewohner eines Objektes hat dabei keinen Einfluss auf die Qualifikation als Einfamilienhaus, daher ist auch die Nutzung als „Mehrgenerationenhaus“ ohne wesentliche Bedeutung.
Nach der Ansicht des Senats kommt es grundsätzlich allein auf den objektiven Zustand des Objekts bei Abschluss des Makler- bzw. Kaufvertrags an, sodass Nutzungsabsichten des Erwerbers für die Anwendbarkeit der §§ 656a ff. BGB keine Rolle spielen. Das Abstellen auf den „Erwerbszweck“ ist abzulehnen, da eine Berücksichtigung subjektiver Nutzungspläne weder eine Stütze im Gesetzeswortlaut findet, noch in der Gesetzesbegründung die abweichenden Nutzungsabsichten des Erwerbers behandelt wurden. Außerdem würde die Berücksichtigung zu praktischen Problemen und Unsicherheiten führen, da der Makler im Zeitpunkt der Beauftragung nicht sicher beurteilen könne, ob die §§ 656a ff. BGB zur Anwendung gelangen. Die Vereinbarung von bedingten Provisionen würde die Vertragsgestaltung nicht nur verkomplizieren, sondern auch mit Weisungen des Verkäufers einhergehen, das Objekt nach Möglichkeit nur an Erwerber zu vermitteln, welche eine Nutzung als Zwei- oder Mehrfamilienhaus beabsichtigen. Außerdem würden Streitigkeiten über das tatsächliche Vorliegen von einer Nutzungsabsicht drohen und in rechtliche Hinsicht weiter Unklarheiten bestehen, innerhalb welchen Zeitraums eine solche Umsetzung der Nutzungsabsicht erforderlich wäre.
Das OLG Hamm hat sich in seiner Entscheidung der in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung angeschlossen, dass die Nutzungsabsichten des Erwerbers auf die sachliche Anwendbarkeit der §§ 656a ff. BGB keinen Einfluss haben (vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 15.08.2023 – 4 O 376/22; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.03.2023 – 2-15 O 26/22; Wistokat NZM 2021, 905, 907; Meier, ZfIR 2020, 765, 768; Wartenburger in Spiegelberger u.a., Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 4. Aufl., Rn. 2.299).
Nach der Gegenansicht ist auf die vom Erwerber beabsichtige Gestaltung und Nutzung des Objekts abzustellen (Fischer, NJW 2020, 3553 Rn. 6; ders., ZAP 2023, 69, 70 f.; ders. in Erman, BGB, 17. Aufl., vor § 656a Rn. 8; Kneller in BeckOK BGB, 68. Ed., § 656a Rn. 3). Als Grund hierfür wird angegeben, dass eine rein objektive Betrachtung normzweckwidrig die kinderreiche Familie benachteilige, die ein bislang als Zwei- oder Mehrfamilienhaus dienendes Gebäude erwerben, um es künftig als Einfamilienhaus zu nutzen (Fischer in Erman, BGB, 17. Aufl., vor § 656a Rn. 8). Eine vermittelnde Ansicht lässt die Absichten des Erwerbers lediglich dann berücksichtigungsfähig sein, wenn der vom Ist-Zustand abweichende Nutzungswunsch für den Makler erkennbar hervorgetreten ist (Althammer in MüKoBGB, 9. Aufl., § 656a Rn. 8; wohl auch Arnold in Staudinger, BGB, 2021 § 656a Rn. 4 f.).
Die sich aus einer stringenten und ausführlichen Subsumtion der Normen ergebende Rechtsauffassung des OLG Hamm ist jedoch vorzugswürdig und zu begrüßen.