08.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
21.03.2024
I ZR 185/22
NZM 2024, 427
Die Klägerin erhielt als Maklerunternehmen im Juli 2020 vom Verkäufer einen Verkaufsauftrag für eine Doppelhaushälfte. Am 10.02.2021 schlossen der Beklagte und die Klägerin einen Kaufinteressent-/Maklervertrag ab, der in seinen AGB den Hinweis auf die Zulässigkeit einer Doppelmaklertätigkeit enthielt. Am 12.03.2021 erwarb der Beklagte die Immobilie. Die Klägerin stellte dem Beklagten am 19.04.2021 die Rechnung für ihre Vermittlungstätigkeit, deren Begleichung der Beklagte verweigerte. Er forderte die Klägerin auf, ihm nachzuweisen, dass alle die Klägerin betreffenden Vorschriften nach §§ 656a ff. BGB erfüllt seien und forderte die Offenlegung des Maklervertrags mit der Käuferseite an.
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt dazu, dass die Klage auf Zahlung der Maklerprovision als derzeit unbegründet anzusehen ist.
Die Klägerin konnte sich zulässigerweise zunächst eine Provision vom Verkäufer in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision versprechen lassen und sodann mit dem Beklagten eine Provision in Höhe der restlichen Hälfte vereinbaren. § 656c II BGB iVm § 656c I 1, 2 BGB hindert eine solche sukzessive Doppelbeauftragung nicht. Die Vorschrift ist auch zeitlich anwendbar, obwohl einer der Maklerverträge vor dem Stichtag des 31.12.2020 abgeschlossen worden ist. Für die Anwendung der neuen Regelung auf diesen Fall spricht maßgeblich die damit verbundene effektive Durchsetzung des mit der Neuregelung beabsichtigen Verbraucherschutzes. Es ergeben sich auch keine Probleme im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder Art. 12 I GG, da die Regelung dadurch gerechtfertigt wird, natürliche Personen beim Kauf von Wohnungen oder Einfamilienhäusern vor einer unangemessenen Überbürdung fremder Kosten und der Ausnutzung faktischer Zwangslagen zu schützen. Es wird kein schutzwürdiges Vertrauen der Makler enttäuscht, da das Gesetz einen sechsmonatigen Aufschub des Inkrafttretens der Regelung vorgesehen hatte und dem Makler daher hinreichend Zeit eingeräumt hatte, seine vertragliche Regelungen anzupassen.
§ 656c I 1 BGB erlaubt auch die sukzessive Doppelbeauftragung des Maklers, da sich aus dem Wortlaut keine Beschränkungen diesbezüglich entnehmen lassen. Zwar kann dies zu unangemessenen Überhöhungen der Provisionssätze führen, da diese der Vertragsfreiheit der Beteiligten überlassen ist. Dem kann jedoch dadurch entgegengewirkt werden, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit nach § 655 BGB oder der Sittenwidrigkeit nach § 138 II BGB die Gesamtprovision in den Blick genommen wird.
Dem Beklagten steht gegen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Maklerlohn ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 I BGB zu. Zwar ist der nach § 242 BGB zustehende Auskunftsanspruch durch Erfüllung untergegangen, jedoch hat die Beklagte darüber hinaus nach § 810 BGB einen Anspruch auf Vorlage des vom Kläger mit dem Verkäufer abgeschlossenen Maklervertrags.
Zwar ist im Gegensatz zu § 656d I 2 BGB, welcher die Fälligkeit der Maklerkosten erst mit Nachweis der Zahlung des Provisionsanteils zum Gegenstand hat, ein Auskunftsanspruch des Kunden gegen den Makler in § 656c BGB nicht ausdrücklich vorgesehen. Eine analoge Anwendung der Norm kommt nicht in Betracht, da der Gesetzgeber bewusst beide Fallgestaltungen differenziert hat und somit keine planwidrige Regelungslücke besteht.
Ein Auskunftsanspruch ergibt sich aber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB, da es sich hier um einen Fall handelt, in welchem das Auskunftsrecht die Rechtsverfolgung in hohem Maß erleichtert oder oft überhaupt erst möglich macht. Der Berechtigte ist in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, ohne dadurch unbillig belastet zu sein. Um der gesetzgeberischen Intention, den Verbraucher vor einer vollständigen Abwälzung der Maklerkosten auf ihn zu schützen, praktische Wirkung zu verleihen, ist der Käufer darauf angewiesen zu erfahren, ob der Verkäufer tatsächlich seinerseits zur Zahlung von 50% des Maklerlohns verpflichtet ist und in welcher Höhe er provisionspflichtig ist. Ohne einen Auskunftsanspruch drohe der verbraucherschützende Normzweck leerzulaufen. Dem Beklagten steht daher ein Auskunftsanspruch für alle Umstände zu, die für die Entstehung und das Fortbestehen des Provisionsanspruchs von Bedeutung sind.
Weiterhin ergibt sich ein Anspruch auf Vorlage des zwischen der Klägerin und der Verkäuferseite geschlossenen Maklervertrages aus § 810 Fall 2 BGB. Der Beklagte hat ein rechtliches Interesse an der Einsichtsgewährung, da der Bestand und die Höhe der eigenen Provisionsverpflichtung erst aus der vom Makler mit dem Verkäufer errichteten Vertragsunterlagen ersichtlich sind. Die Geltendmachung dieses Anspruchs begründet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, dessen Geltendmachung im vorliegenden Fall ausnahmsweise zur Abweisung der Klage als derzeit unbegründet führt. Zwar ist nach § 274 I BGB bei einem Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich zur Leistung gegen Empfang der gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen. Ist jedoch eine gleichzeitige Ausführung beider Leistungen nicht möglich, weil zwischen den Ansprüchen ein Abhängigkeitsverhältnis dergestalt besteht, dass der einredeweise geltend gemachte Gegenanspruch der Überprüfung des mit der Klage verfolgten Anspruchs dient, so führt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ausnahmsweise zur Klageabweisung.
Das Grundsatzurteil des BGH ist zu begrüßen, da eine Auskunfts- und Vorlagepflicht gegenüber dem Makler im Hinblick auf den Provisionsanspruch bestätigt und damit dem Verbraucherschutz Vorrang eingeräumt wird. Dies ist notwendig, da die bloße Maklerauskunft, dass „alles schon seine Richtigkeit habe“ für den Erwerber nicht geeignet ist, um den Provisionsanspruch eingehender zu prüfen (NJW-Spezial 2024, 386). Weiterhin sorgt das Urteil für mehr Rechtssicherheit, indem die gegenteiligen Instanzentscheidungen, welche eine Vorlagepflicht abgelehnt haben, hinfällig werden (IMR 2024, 258 mit Verweis auf LG Münster, NZM 2023, 471 und OLG Hamm, GE 2023, 493). Zu Risiken bei Doppeltätigkeit für den Makler nach dem Halbteilungsgrundsatz siehe J. Schmidt NZM 2021, 289 (293 f.).