OLG Jena 3 W 296/21
Zur Wirksamkeit einer Angestelltenvollmacht bei nicht namentlicher Nennung

31.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Jena
09.09.2021
3 W 296/21
NotBZ 2021, 429

Leitsatz | OLG Jena 3 W 296/21

Die Erteilung einer sog. Angestelltenvollmacht beruht regelmäßig nicht auf einem persönlichen Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und -nehmer. Auch im Fall der namentlichen Auflistung einiger oder sämtlicher beim beurkundenden Notar beschäftigten Notariatsangestellten sind diese den Vollmachtgebern in der Regel nicht bekannt. Für die Auswahl der zu bevollmächtigenden Personen ist bei der sog. Angestelltenvollmacht vielmehr deren berufliche Stellung als Notariatsangestellte und das sich hieraus ergebende Näheverhältnis zu dem mit der Vertragsabwicklung und -durchführung betrauten Urkundsnotar ausschlaggebend. Es ist daher – anders als im Regelfall einer rechtsgeschäftlichen Vertretung – zur hinreichend deutlichen Bezeichnung der in Betracht kommenden Vertreter deren namentliche Nennung nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist eine Vollmacht regelmäßig dahin auszulegen, dass sie sich auf sämtliche Angestellten des Notars zum Zeitpunkt der Vornahme des Vertretergeschäfts bezieht.

Sachverhalt | OLG Jena 3 W 296/21

Die Beteiligte zu 3 veräußerte mit Urkunde vom 27.05.2021 des verfahrensbevollmächtigten Notars ein Grundstück an die Beteiligten zu 1 und 2. Dabei sollten die Beteiligten zu 1 und 2 auch zur Belastung des Grundstücks mit Grundpfandrechten in beliebiger Höhe nebst Zinsen und Nebenleistungen zur Finanzierung des Kaufpreises und geplanter Investitionsmaßnahmen bereits vor der Grundstücksübertragung bevollmächtigt sein. Hierfür erteilten die Beteiligten 1 bis 3 den „jeweiligen Angestellten des Notars“ eine entsprechende Belastungsvollmacht.

Frau F, die dienstansässig bei dem Notar ist, bewilligte am 04.06.2021 eine Grundschuld in Höhe von 265.000 Euro nebst 12 % Zinsen jährlich zugunsten der Beteiligten zu 4 und dessen Eintragung in das Grundbuch. Dabei nahm sie ausdrücklich auf die Vollmacht vom 27.05.2021 Bezug. Mit Schriftsatz vom 15.07.2021 beantragte der Urkundsnotar die Eintragung der Grundschuld im Grundbuch ausdrücklich auch im Namen der Beteiligten zu 4. Mit Zwischenverfügung vom 23.07.2021 beanstandete das Grundbuchamt den fehlenden Nachweis der Vollmacht für Frau F in der Form des § 29 GBO.

Der Notar legt Beschwerde ein. Nach seiner Ansicht sei die namentliche Nennung der bevollmächtigten Angestellten nicht erforderlich. Es sei ausreichend, dass er Frau F bei der Protokollierung der Grundschuldbestellung als seine Angestellte identifiziert habe. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab und legt die Sache dem OLG zur Klärung vor.

Entscheidung | OLG Jena 3 W 296/21

Bei der Beschwerde handele es sich um eine unbefristete Beschwerde, welche nach §§ 71 ff. GBO sowohl statthaft als auch zulässig ist. Die Berechtigung des Notars für die Beteiligten Beschwerde einzulegen ergebe sich aus § 15 Abs. 2 GBO. Es ist davon auszugehen, dass er Beschwerde im Namen aller Beteiligten einlegt. Die Beschwerde ist begründet.

Das Gericht vertritt, wie einige andere Gerichte, die Auffassung eine Bevollmächtigung ohne namentliche Bezeichnung sei zulässig (Anders das OLG Frankfurt). Das Grundbuchamt habe richtigerweise gemäß § 19 GBO vor der Eintragung der Grundschuld zu prüfen, ob die Eintragungsbewilligung wirksam erklärt worden ist. Da die Erklärung von Frau F als Vertreterin der Beteiligten 1 bis 3 abgegeben wurde, habe das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Vollmacht gemäß § 29 GBO zu prüfen. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes vertritt das Gericht die Ansicht, es wurde eine wirksame Bevollmächtigung von Frau F nachgewiesen. Eine sogenannte Angestelltenvollmacht beruhe regelmäßig auf einer Bevollmächtigung durch Kundgabe gemäß § 171 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Die notarielle Niederschrift der Bevollmächtigung stelle dabei die besondere Mitteilung an einen Dritten (hier: das Grundbuchamt) dar. Im vorliegenden Fall könnten mangels namentlicher Nennung der Angestellten Zweifel bezüglich des Inhalts der Vollmacht bestehen. Demnach sei die Vollmacht nach den Grundsätzen für die Auslegung von Grundbucherklärungen auszulegen. Zu beachten sei dabei, dass die Auslegung aus Sicht eines unbefangenen Betrachters und unter Berücksichtigung des das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes zu erfolgen hat. Folglich sei der Vollmacht mit der notwendigen Bestimmtheit zu entnehmen, dass die Notariatsangestellten von der Vollmacht umfasst werden sollen, die bei dem die Grundschuldbestellung beurkundenden Notar zu diesem Zeitpunkt beschäftigt sind. Zwar setze § 171 BGB eine Bezeichnung der Person des Bevollmächtigten voraus. Eine namentliche Benennung setze die Vorschrift aber nicht ausnahmslos und zwingend voraus. Im Falle einer Angestelltenvollmacht sei vielmehr auf die berufliche Stellung als Notariatsangestellte abzustellen und das sich hieraus ergebende Näheverhältnis mit dem Urkundsnotar. Nach Auslegung der am 27.05.2021 erteilten Vollmacht sei die Bevollmächtigung der Notariatsangestellten ohne namentliche Nennung ausreichend.

Der Urkundsnotar sei seinerseits von den Beteiligten umfassend bevollmächtigt, weshalb ihm die Auswahl des Notariatsangestellten unter mehreren in Betracht kommenden obliege. Das Grundbuchamt habe im vorliegenden Fall aus der Mitteilung i.S.d. § 171 Abs. 1 BGB zweifelsfrei sowie auf die Bevollmächtigung als auch auf die Person des Vertreters schließen können. Das gelte ungeachtet der Tatsache, dass der Notar die Frau F nicht ausdrücklich als Notarangestellte des Urkundsnotars bezeichnete. Denn der Notar nahm konkret auf die Belastungsvollmacht vom 27.05.2021 Bezug, was dem Grundbuchamt, nach einer Gesamtschau der Erklärungen, eine zweifelsfreie Identifizierung von Frau F als Angestellte des Notars ermögliche. Sie war somit wirksam bevollmächtigt die Grundschuld zu bewilligen.

Praxishinweis | OLG Jena 3 W 296/21

Das OLG Jena schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der Ansicht mehrerer Gerichte und der Literatur an. Es stellt fest, dass nach § 171 BGB zwar eine Bezeichnung der Person des Bevollmächtigten erforderlich ist. Konkret im Falle einer Angestelltenvollmacht soll jedoch eine Bezeichnung der konkreten beruflichen Stellung ausreichend sein. Auch, wenn das OLG Jena im vorliegenden Fall sogar entscheidet, dass es bei mangelnder Berufsbezeichnung auf eine Gesamtschau der Erklärungen und Umstände ankommt, sollte grundsätzlich zumindest die berufliche Stellung genannt werden. Falls möglich ist zu empfehlen die bevollmächtigte Person sogar namentlich zu benennen.