24.04.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
FG München
09.10.2024
4 K 902/23
DStR 2025, 642
Notarkosten keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Vorkaufsfällen [ PDF ]
(nicht amtliche Leitsätze)
Im Streitfall ging es um die Frage der Einbeziehung von Notarkosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach Ausübung eines Vorkaufsrechts. Letzteres machte die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2021 geltend, nachdem das betreffende Grundstück bereits mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Februar 2021 an die Erstkäuferin veräußert worden war. Die Kosten für die notarielle Beurkundung dieses Kaufvertrages betrugen 39.006,64 EUR. Der Vertrag enthielt zudem in Nr. 8.1, drittletzter Absatz, für die Ausübung des Vorkaufsrechts folgende Bestimmung zur Kostenregelung:
„Sämtliche Kosten, die der Vorkaufsberechtigte nicht zu tragen hat und die durch die Rückabwicklung anfallenden Kosten und Steuern trägt der Verkäufer und sind gegebenenfalls dem Käufer zu erstatten. […] Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, sobald der Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht ausübt und der Kaufvertrag mit dem Vorkaufsberechtigten vollzogen wurde (Zahlung des Kaufpreises), dem (heutigen) Käufer (nicht jedoch dem Vorkaufsberechtigten) 150.000 EUR pauschal für die vergeblich aufgewandten Vertragskosten (Architekt, sonstige Berater, interne Kosten) auf Rechnungsstellung zu zahlen. […]“
Infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts wurde der Kaufvertrag vom 19. Februar 2021 durch Erklärung des in der Urkunde enthaltenen Rücktrittsrechts für diesen Fall (mit Ausnahme der Kostenregelung in Nr. 8.1 drittletzter Absatz) rückabgewickelt. Die notarielle Urkunde „Abwicklung eines von aufgrund einer Vorkaufsrechtsausübung zustande gekommenen Kaufvertrags“ zwischen der Verkäuferin und der Klägerin vom 04. Mai 2021 enthält in Nr. 4 die Bestimmung, dass der Kaufpreis unverändert 7.650.000 EUR betrage und bereits bezahlt sei und in Nr. 6 die Regelung, dass die im Zusammenhang mit der Beurkundung der Vorurkunde angefallenen Notarkosten in Höhe von 39.006,64 EUR der Einfachheit halber direkt von der Klägerin an den Notar für Rechnung der Erstkäuferin überwiesen wurden.
In die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbssteuer bezog das Finanzamt in der Folge neben dem Kaufpreis auch die zuzüglich übernommenen Notarkosten von 39.006 EUR ein. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, es handele sich bei den streitgegenständlichen Notarkosten nicht um eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die als Bemessungsgrundlage zur Grunderwerbsteuer anzusetzen seien und beantragte die Abänderung des Grunderwerbssteuerbescheids. Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Klage.
Das Finanzgericht München gab der Klage statt. Das Finanzamt habe zu Unrecht die von der Klägerin auf Rechnung des Erstkäufers unmittelbar an den Notar erstatteten Beurkundungsgebühren in Höhe von 39.006,64 Euro in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen, da hierin keine „sonstige“ von der Klägerin als Käuferin übernommene „Leistung“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks zu sehen sei. Unter einer „sonstigen Leistung“ verstehe man alle Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, aber gleichwohl (vertraglich geschuldetes) Entgelt für den Erwerb des Grundstücks seien. Die Übernahme der Verpflichtung setze aber voraus, dass es sich um eine Verpflichtung des Verkäufers handele und sich der Käufer verpflichte, diese zu tragen, auch wenn diese nicht dem Veräußerer selbst zufließe.
Vor Ausübung des Vorkaufrechts habe zwar grundsätzlich zunächst der Erstkäufer die Kosten für den Abschluss und die Durchführung des Erstvertrags gemäß § 448 Abs. 2 BGB zu tragen, wozu auch die Notargebühren für den Vertragsschluss zählten. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts komme der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem -verpflichteten aber nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart habe. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts seien nach h.M. auch Abschluss- und etwaige Durchführungskosten durch den Vorkaufsberechtigten zu tragen. Dies gelte insbesondere auch soweit die Kosten durch den Erstkäufer bereits an den Notar gezahlt wurden, da in diesem Fall ein Anspruch des Erstkäufers gegen den Vorkaufsberechtigten aus Rückgriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bestehe. Als Begründung führte es aus, der Vorkaufsberechtigte habe sich mit Ausübung des Vorkaufsrechts den schon beurkundeten Kaufvertrag zunutze gemacht hat und so die Bereicherung durch eine eigene Handlung herbeigeführt. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts falle der Kaufvertrag auch nicht nachträglich oder rückwirkend weg, sondern bleibe vielmehr weiterhin bestehen, so dass auch der rechtliche Grund für die Zahlung nicht weggefallen sei. Die Klägerin habe mit der Übernahme der Notargebühren damit keine Verpflichtung der Verkäuferin übernommen, sondern einen Anspruch der Erstkäuferin gegen sich selbst erfüllt. Es handele sich um eine Leistung an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung des Anspruchs der Erstkäuferin gegen die Klägerin mit schuldbefreiender Wirkung nach § 362 Abs. 2 BGB.
Nichts anderes ergebe sich aus der notariellen Urkunde vom 04. Mai 2021, da die Bestimmung in Nr. 6 lediglich deklaratorischer Natur sei, ohne dass damit eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Verkäuferin begründet werden sollte. Etwas anderes könne sich auch nicht durch die im Erstkaufvertrag vom 19. Februar 2021 vorgesehene Bestimmung zur Kostentragung im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts gelten, da nach dem Wortlaut des Vertrags nur diejenigen Kosten durch die Verkäuferin zu tragen seien, die nicht durch die Vorkaufsberechtigte zu tragen und zu erstatten sind. Es entspreche damit nicht der Interessenlage der Parteien, dass die Verkäuferin gleichrangig neben der Vorkaufsberechtigten für die Notarkosten haften sollte.
Bei den Notarkosten handele es sich auch um keine Leistung, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
Die Entscheidung des Finanzgerichts München ist für die Praxis von großer Bedeutung. Sie zeigt deutlich, dass vertragliche Vereinbarungen zur Kostentragung auch steuerlich sorgfältig durchdacht sein müssen. Hätte der Erstkaufvertrag hier eine Regelung enthalten, wonach der Veräußerer als Vorkaufsverpflichteter die Notarkosten trägt, hätte der Vorkaufsberechtigte durch deren Zahlung eine Verbindlichkeit des Veräußerers getilgt, womit eine „sonstige (grunderwerbssteuerliche) Leistung“ i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorgelegen hätte. Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit für Fälle der Vorkaufsrechtsausübung im grunderwerbsteuerlichen Kontext, macht aber zugleich deutlich, wie essenziell eine präzise und in steuerlicher Hinsicht durchdachte Vertragsgestaltung ist. Offen bleibt, ob und in welchem Umfang der BFH im laufenden Revisionsverfahren (II R 28/24) die getroffenen Abgrenzungen bestätigen, weiterentwickeln oder neue Maßstäbe für die Praxis setzen wird.