OLG München 34 Wx 253/21
Zur Vertretung von Minderjährigen durch die Eltern bei der Grundstücksüberlassung

07.02.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
28.09.2021
34 Wx 253/21
RNotZ 2021, 587

Leitsatz | OLG München 34 Wx 253/21

  1. Die Erklärung des Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest neutral.
  2. Wird in einem Grundstücksüberlassungsvertrag die Eintragung eines solchen Ausschlusses für einen geschäftsunfähigen Minderjährigen durch einen sorgeberechtigten Elternteil bewilligt, der wie der Minderjährige einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück erhält, ist die Bewilligung wegen des Vorliegens eines unerlaubten Insichgeschäfts unwirksam.
  3. Dies hindert, wenn ein innerer Zusammenhang mit der Grundstücksüberlassung besteht, auch die Eintragung der Auflassung.

 

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 253/21

Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der Beteiligten zu 2 und die allein sorgeberechtigte Mutter der ein Jahr alten Beteiligten zu 4. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind zu je 1/2 als Miteigentümerinnen von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Die Beteiligte zu 2 überließ mit notarieller Urkunde vom 20.10.2020 Miteigentumsanteile von 3/16, 2/16, 2/16 und 1/16 an die Beteiligten zu 3, 1, 5 bzw. 4 (vertreten durch die Beteiligte zu 1). In der Urkunde wird u.a. auch festgehalten, dass die Verlangung der Aufhebung der Gemeinschaft für immer ausgeschlossen sein soll (§ 1010 BGB) und beantragen dessen Eintragung in das Grundbuch am 29.10.2020. Mit Zwischenverfügung vom 13.04.2021 beanstandet das Grundbuchamt, dass für die Beteiligte zu 4 ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei, da die Mutter gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossen sei. Die Mutter könne nicht selbst einen Miteigentumsanteil erhalten und gleichzeitig ihre Tochter vertreten, wenn im Vertrag ein Ausschluss der Auseinandersetzung vereinbart ist. Hiergegen hat der Urkundsnotar im Namen der Beteiligten zu 1 am 30.04.2021 Beschwerde eingelegt. Dieser half das Grundbuchamt mit Beschluss vom 15.06.2021 nicht ab.

Entscheidung | OLG München 34 Wx 253/21

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Insbesondere sei sie gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft, da Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO auch Entscheidungen des Grundbuchamtes im Sinne dieser Bestimmung sind.

Die Auflassung sowie weitere Rechte und Belastungen können nicht eingetragen werden, da derzeit seitens der Beteiligten zu 4 keine wirksame Bewilligung der Eintragung des Ausschlusses der Aufhebung der Gemeinschaft nach § 19 GBO vorliege. Dieser Mangel könne allerdings durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB behoben werden. Ein geschäftsunfähiger Minderjähriger, wie die Beteiligte zu 4, werde grundsätzlich nach §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 1 BGB durch seine Eltern vertreten, was gemäß § 9 Abs. 2 FamFG auch für die Vornahme von Verfahrenshandlungen wie die Bewilligung nach § 19 GBO gilt. Etwas anderes gelte, wenn die Vertretung gemäß § 181 BGB ausgeschlossen ist, was nach § 177 BGB analog die schwebende Unwirksamkeit des Geschäfts zur Folge hat. § 181 BGB gilt dann nicht, wenn die Willenserklärung für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest neutral ist, was sich nach den rechtlichen Folgen des Geschäfts bestimme.

Ein Geschäft sei rechtlich nachteilig, wenn einem Vorteil die Aufgabe eines Rechts gegenübersteht. Anders liegt die Beurteilung, wenn eine belastete Sache übereignet wird. Sofern der Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 749 Abs. 2 BGB mit der Auflassung erklärt wird, sei das Grundstück bei der Übereignung noch nicht mit dem Recht belastet. Es handele sich um ein Grundstück, dessen Belastung der Erwerber selbst bewilligen muss. Da der Erklärende mit dem Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft einem Dritten ein Recht an seinem Eigentum einräumt, handele es sich bei der Erklärung um eine rechtlich nachteilige Willenserklärung. Die Bewilligung durch die Beteiligte zu 1 für die Beteiligte zu 4 sei damit unwirksam. Dadurch scheide derzeit die Eintragung der Auflassung insgesamt aus, unabhängig davon, ob die Eintragungsanträge als einheitlich oder formal selbstständig anzusehen sind.

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 253/21

Um ein Insichgeschäft nach § 181 BGB zu vermeiden, ist die Belastung des Grundstücks vor der Übereignung der sicherste Weg. Denn sofern die Belastung dem Grundstück schon vor der Übereignung anhaftet, stellt sie für den Minderjährigen keinen rechtlichen Nachteil dar. Falls eine solche vorherige Belastung des Grundstücks nicht möglich ist und nicht mit Sicherheit von einem rechtlich vorteilhaften Geschäft für den erwerbenden Minderjährigen ausgegangen werden kann, sollte vorsichtshalber ein Ergänzungspfleger hinzugezogen werden, um eine schwebende Unwirksamkeit der Willenserklärung und damit Rechtsunsicherheit zu vermeiden.