BGH V ZR 176/22
Fortbestand der Sicherungswirkung einer Vormerkung bei Verlängerung der Annahmefrist

24.03.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
08.03.2024
V ZR 176/22
RNotZ 2024, 456

Leitsatz | BGH V ZR 176/22

1. Eine Vormerkung, die einen sich aus einem befristeten Vertragsangebot ergebenden künftigen Anspruch sichert, entfaltet bei rechtzeitiger Verlängerung der ursprünglichen Annahmefrist Sicherungswirkung bis zum Ablauf der verlängerten Annahmefrist.

2. Materiell-rechtliche Vorfragen einer gesetzlichen Prozessstandschaft sind in Fällen mit Auslandsberührung nach dem Sachrecht (lex causae) zu beurteilen, das nach dem deutschen Internationalen Privatrecht anzuwenden ist.

Sachverhalt | BGH V ZR 176/22

Die Klägerin, eine philippinische Staatsbürgerin, heiratete 2006 in Südafrika einen deutschen Staatsangehörigen, der zu diesem Zeitpunkt Eigentümer einer Wohnung in München war. Da die Ehe ohne Rechtswahl hinsichtlich des auf ihren Güterstand anzuwendenden Rechts geschlossen wurde, unterlagen die Eheleute dem südafrikanischen Güterstand des Gesamthandseigentums. Im Jahr 2013 übertrug der Ehemann der Klägerin ohne ihre Zustimmung die Wohnung auf seinen Sohn aus einer früheren Ehe, der als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Nach dem hier maßgeblichen südafrikanischen Ehegüterrecht ist anzunehmen, dass der Ehemann aufgrund der ehelichen Güterregelung nicht berechtigt war, ohne Mitwirkung oder Zustimmung seiner Ehefrau über die Wohnung zu verfügen, sodass im Weiteren davon auszugehen ist, dass der Sohn kein Eigentum an der Wohnung erworben hat.

Im Juni 2014 bot der Sohn seiner Ehefrau, der Beklagten, unwiderruflich die unentgeltliche Übertragung des Eigentums an der Wohnung an – mit Annahmefrist bis zum 31.12.2016. Zur Sicherung des künftigen Anspruchs auf Übereignung wurde eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Am 7. Oktober 2016 wurde ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Ehemannes der Beklagten in das Grundbuch eingetragen. Wenige Tage später verlängerte der Ehemann der Beklagten die Frist zur Annahme seines Angebots bis zum 31. Dezember 2026.

Die Klägerin fordert die Zustimmung der Beklagten zur Löschung der Vormerkung im Grundbuch. Das Landgericht wies die Klage ab, ebenso das Oberlandesgericht, da die Beklagte die Vormerkung gutgläubig erworben habe. Die Klägerin verfolgt ihren Klageantrag nun im Rahmen der Revision weiter.

Entscheidung | BGH V ZR 176/22

Die zulässige Revision ist begründet.

Zunächst stellt der BGH fest, dass sich Verfahrensfragen – wie die Frage nach der von Amts wegen zu prüfenden Prozessführungsbefugnis der Klägerin – grundsätzlich nach dem jeweiligen Prozessrecht des angerufenen Gerichts (lex fori) bestimmen würden. Die hierfür zu beantwortende, materiell-rechtliche Vorfrage der Verfügungsbefugnis sei in Fällen mit Auslandsberührung nach dem Sachrecht (lex causae) zu beantworten, das nach dem deutschen Internationalen Privatrecht anwendbar ist – hier also nach südafrikanischen Ehegüterrecht, das seinerseits (mangels Vorliegen eines Ehevertrages) nicht auf das deutsche Recht zurück- bzw. weiterverweist. Nach den nicht überprüfbaren Feststellungen des Berufungsgerichts berechtige das südafrikanische Güterrecht die Klägerin, im Hinblick auf die Rechte aus dem behaupteten Gesamthandseigentum auch ohne Zustimmung ihres Ehemannes gegen Dritte zu klagen.
 
Nach Auffassung des BGH bestehe der Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB nicht, da das Grundbuch in Ansehung der für die Beklagte eingetragenen Vormerkung nicht unrichtig sei. Die Vormerkung sei entstanden und bestehe weiterhin. Die Beklagte habe die Vormerkung im Jahr 2014 aufgrund einer Bewilligung nach § 885 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB entsprechend § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB gutgläubig erworben. Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs im maßgeblichen Zeitpunkt sei nicht nachgewiesen und der den guten Glauben zerstörende Widerspruch (§ 899 BGB) erst später eingetragen worden. Schließlich scheitere ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung auch nicht an einem Fehlen eines Verkehrsgeschäfts, da nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden konnte, dass die Bewilligung der Vormerkung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge erfolgte.
Auch sei die Vormerkung nicht mit dem Ablauf der ursprünglichen Annahmefrist am 31.12.2016 erloschen. Vielmehr bestehe der künftige Anspruch aufgrund der vor Fristablauf erfolgten Verlängerung der Annahmefrist bis zum 31.12.2026 und werde weiterhin durch die Vormerkung gesichert. Dass im Zeitpunkt der Verlängerung der Annahmefrist ein Widerspruch gegen das Eigentum des Ehemannes der Beklagten eingetragen war, hat auf den Bestand der Vormerkung keinen Einfluss, da ein Neuerwerb der Vormerkung zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden habe.

Welche Auswirkungen eine rechtzeitige Verlängerung der Angebotsfrist auf die Sicherungswirkung einer Vormerkung hat, die einen sich aus einem befristeten Angebot ergebenden künftigen Anspruch sichert, ist umstritten. Nach Ansicht des BGH entfaltet eine Vormerkung, die einen sich aus einem befristeten Vertragsangebot ergebenden künftigen Anspruch sichert, bei rechtzeitiger Verlängerung der ursprünglichen Annahmefrist Sicherungswirkung bis zum Ablauf der verlängerten Annahmefrist. Einerseits bleibe der durch die Vormerkung gesicherte künftige Anspruch inhaltlich durch die Verlängerung der Annahmefrist unverändert, sodass es keiner Eintragung der Fristverlängerung im Grundbuch bedarf. Andererseits erstrecke sich die Publizitätsfunktion des Grundbuchs und der Schutz des öffentlichen Glaubens nicht auf den Bestand und den Inhalt der durch die Vormerkung gesicherten Forderung. Der Erwerber sei durch die Eintragung der Vormerkung bereits hinreichend dahingehend gewarnt, dass ein Auflassungsanspruch noch entstehen oder bereits entstanden sein kann – auch wenn die Angebotsfrist (außerhalb des Grundbuchs) verlängert wird. Schließlich würde die Verkehrsfähigkeit der Vormerkung als Sicherungsmittel entwertet werden, wenn der Ablauf der Annahmefrist trotz rechtzeitiger Verlängerung das Erlöschen der Vormerkung nach sich zöge.

Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht die Anspruchsgrundlage aus § 816 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB nicht geprüft habe, aus welchem sich ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung in Gestalt einer grundbuchrechtlichen Bewilligung gemäß § 19 GBO ergebe. Hat der Anspruchsgegner durch gutgläubigen, unentgeltlichen Erwerb ein dingliches Recht erlangt, könne der Gläubiger – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nach § 816 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB die Aufhebung dieses Rechts verlangen.

Praxishinweis | BGH V ZR 176/22

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des BGH war ein umfangreicher und lehrreicher Fall zum Sachen- und Bereicherungsrecht sowie zur ZPO einschließlich einem IPR-Aspekt. Ein Blick auf einige interessante Ausführungen des BGH zur Vormerkung gem. § 883 ff. BGB sowie deren gutgläubigen Erwerb gem. § 892 BGB scheint lohnenswert.

So führt der BGH aus, dass künftige Ansprüche den Vormerkungsschutz gem. § 883 Abs. 1 S. 2 1. Alt. BGB genießen, wenn der Rechtsboden für ihre Entstehung durch ein rechtsverbindliches Angebot so weit vorbereitet ist, dass die Entstehung des Anspruchs nur noch vom Willen des künftigen Berechtigten abhängt. Dies war vorliegend der Fall, da das Übereignungsangebot des Ehemanns der Beklagten unwiderruflich war. Sichert die Vormerkung einen künftigen Anspruch, ist für die Frage der Gutgläubigkeit des Erwerbers entsprechend § 892 Abs. 2 1. Alt. BGB auf den Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags abzustellen. Zudem führt die Kenntnis von einem etwaigen Rechtsmangel des Verpflichtungsgeschäfts (§ 819 Abs. 1 BGB) nicht ohne Weiteres dazu, dass auch die Kenntnis von einer Unwirksamkeit des der Grundbucheintragung zugrundeliegenden Verfügungsgeschäfts gegeben ist.