05.07.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
06.12.2022
II ZR 187/21
DStR 2023, 465
Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses schließt ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegenstehen.
Die Beklagte hielt an der F GmbH treuhänderisch für die T GmbH eine Beteiligung von 80 %. 2009 wurde ein Vertrag geschlossen, wonach die Treugeberstellung von der T GmbH auf die Klägerin übergehen sollte. Für den Fall der Kündigung des Vertrages wurde die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 mit einem Wert von 20.000 € an die Klägerin vereinbart. Geschäftsanteil Nr. 2 im Wert von 5.000 € hielt die Beklagte. 2011 wurde der Treuhandvertrag gekündigt, woraufhin die Klägerin als Inhaberin von Geschäftsanteil Nr. 1 und die Beklagte von Nr. 2 in die Gesellschafterliste eingetragen wurden. Die Beklagte focht den Treuhandvertrag wegen arglistiger Täuschung an, woraufhin sie als Inhaberin beider Geschäftsanteile eingetragen wurde. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Ende 2011 fand eine Gesellschafterversammlung, ohne Unterrichtung oder Beteiligung der Klägerin statt. In dieser beschloss die Beklagte die Satzung dahingehen zu ändern, dass die Beschlussfähigkeit von 75 % auf 85 % angehoben wurde und Gesellschafterbeschlüsse mit 85 % Mehrheit zu fassen wären. Dieser Beschluss wurde in das Handelsregister eingetragen. Nachdem 2012 das LG Frankfurt entschieden hatte, dass die Klägerin Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 sei, wurde sie als solche in die Gesellschafterliste eingetragen. Nun verlangt die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Rückänderung der Satzung. In der Berufung wurde die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zustimmung zu der verlangten Satzungsänderung.
Durch die Satzungsänderung hat die Beklagte der Klägerin zunächst einen Schaden i.S.d. § 826 BGB zugefügt. Im Rahmen des § 826 BGB ist ein Schaden jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses. Nach der Änderung hat die Stimme der Klägerin weniger Gewicht und somit weniger Herrschaftsmacht. Dies stellt einen solchen Schaden dar. Das LG Frankfurt hat entschieden, dass eine Anfechtung vorliegend nicht gerechtfertigt war, somit hat die Klägerin den Geschäftsanteil nicht erst durch die Anfechtung erlangt. Hieran ist der BGH gebunden. Aus dem Inhalt der Satzungsänderung kann ein Schädigungsvorsatz hergeleitet werden, die Änderung war auch sittenwidrig. Zwar muss dem Verhalten für eine Sittenwidrigkeit eine bestimmte Verwerflichkeit innewohnen, welche sich z.B. aus einer bewussten Täuschung ergeben kann. Dies war jedoch vorliegend der Fall, da die Beklagte eine formale Rechtsposition ausnutzte, die nicht der materiellen Rechtslage entsprach, um eine Satzungsänderung ohne Ladung der Klägerin zu bewirken. Da die Klägerin jedoch in diesem Zeitpunkt bereits einen Widerspruch gegen die Gesellschafterliste erwirkt hatte, konnte sie davon ausgehen, dass sich die Beklagte bis zur endgültigen Klärung nicht als Alleingesellschafterin darstellen würde. Hierfür sprach auch, dass sich die Parteien in Vergleichsverhandlungen befanden, in deren Rahmen die Beklagte erklärte, sie würde den Geschäftsanteil 1 nicht abtreten oder belasten.
Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin erfolglos gegen die Satzungsänderung geklagt hat. Diesbezüglich hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Beschluss analog § 242 Abs. 2 S. 1 AktG geheilt sei, weil er bei Klageerhebung 2017 mehr als drei Jahre im Handelsregister eingetragen war. Zwar ist diese Norm entsprechend auf die GmbH anwendbar und bezieht auch satzungsändernde Beschlüsse mit ein. Allerdings sind sittenwidrige Beschlüsse nur dann analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. Vorliegend lag die Sittenwidrigkeit aber in dem Machtmissbrauch, die Voraussetzungen lagen daher nicht vor. Somit war der Beschluss nur anfechtbar, die Anfechtung aber bereits verfristet.
Jedoch schließt die Unanfechtbarkeit ein Schadensersatzverlangen des Geschädigten nicht grundsätzlich aus. Durch Versäumnis der Anfechtungsfrist ist der Beschluss zwar wirksam, trotzdem ist die sittenwidrige Ausnutzung einer Rechtsposition auch im GmbH Recht nicht zulässig. Daher kann der geschädigte Gesellschafter Schadensersatz durch Geld oder Naturalrestitution verlangen, da hierdurch auch die grundsätzliche Wirksamkeit der Satzungsänderung nicht beeinträchtigt wird. Hier stehen auch keine schutzwürdigen Interessen dem Anspruch entgegen. Schließlich kann nicht eingewendet werden, dass die Klägerin bei der Satzungsänderung nicht mehr in der Gesellschafterliste stand. Denn diese entfaltet nur formelle Wirkung, die materiellrechtliche Gesellschafterstellung bleibt davon unberührt.
Schließlich stehen der Beklagten keine Einwendungen oder Einreden zu. Zunächst hat das Berufungsgericht kein Mitverschulden der Klägerin festgestellt, weil diese sich nicht im Wege des Eilrechtsschutzes gewehrt hat. Auch hat das Berufungsgericht die Verwirkungseinrede nicht durchgreifen lassen, da die Beklagte zum einen keine Aufwendungen im Vertrauen auf die Satzungsänderung getätigt hat, zum anderen ihr Vertrauen ohnehin nicht schutzwürdig wäre, weil sie selbst sittenwidrig gehandelt hat. Diese Feststellungen sind durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden. Ob der Anspruch aus § 826 BGB vorliegend verjährt war, konnte das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Die Beklagte müsste der Satzungsänderung in jedem Fall auch nach § 852 BGB zustimmen.
Der BGH befasst sich in seinem Urteil mit der Reichweite der Bestandskraft von Gesellschafterbeschlüssen. Zwar können fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse angefochten werden, gem. § 246 Abs. 1 AktG analog aber nur innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung. Nach Ablauf dieser Zeit wird der Gesellschafterbeschluss bestandskräftig. Fraglich war vorliegend, ob sich diese Sperrwirkung des Beschlussmängelrechts auf einen Schadensersatzanspruch auswirkt. Gegenüber stehen sich in einem solchen Fall die materielle Gerechtigkeit und die Rechtssicherheit. In der vorliegenden Entscheidung hat der BGH jedoch zumindest für Restitutionsansprüche aus § 826 BGB eine Sperrwirkung abgelehnt, wenn dem keine schutzwürdige Interessen von Dritten entgegenstehen. Dies scheint überzeugend, da es nicht billig wäre, einem sittenwidrig handelnden Gesellschafter die erzielten Vorteile allein wegen der Unanfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses zu belassen.