19.06.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
03.03.2022
IX ZR 78/20
GmbHR 2022, 575
Vorsatzanfechtung von Beraterhonoraren für Sanierungskonzepte [ PDF ]
Die Schuldnerin war die Holding eines Photovoltaikkonzerns. Die 100 % Tochtergesellschaft B.V. mit Sitz in den Niederlanden und die Schuldnerin gaben drei Wandelschuldverschreibungen aus, die zwischen 2012 und 2015 fällig wurden. Die Schuldnerin übernahm für diese Wandelschuldverschreibungen gegenüber den Anleihegläubigern die unmittelbare, unbedingte und unwiderrufliche Garantie für den Rückzahlungsanspruch.
Am 31.08.2011 erteilte die Schuldnerin der Beklagten ein Mandat zur wirtschaftsrechtlichen Beratung, vor allem hinsichtlich eines Sanierungs- und Restrukturierungskonzept zur Vermeidung einer Insolvenz. Im September 2011 zeichnete sich ab, dass die Schuldnerin die Verbindlichkeiten aus der ersten Schuldverschreibung nicht bezahlen können würde. Mit Unterstützung der Beklagten wurde versucht, die Anleihen durch Mehrheitsbeschluss dem Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 2009 zu unterwerfen, um dann durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger eine Stundung der Forderungen mit anschließender Umwandlung in Eigenkapital zu erreichen. Die Sanierung scheiterte letztendlich an der entgegenstehenden Rechtsprechung des zuständigen OLG Frankfurt, das am 27.03.2012 in einem Parallelsachverhalt Einstimmigkeit verlangte. Dies war nicht erreichbar.
Am 03.04.2012 stellte die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht eröffnete am 01.07.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger verlangt nun Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Honorare ab dem 15.11.2011 i.H.v. 4.530.807 € nebst Zinsen sowie Auskunft über die mit den Rechnungen abgerechneten Leistungen.
Das LG Frankfurt hat die Beklagte zur Rückzahlung von 4.530.807 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das OLG Frankfurt hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten hin die Rückzahlung auf 536.204 € herabgesetzt. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte haben Revision eingelegt.
Beide Revisionen sind begründet. Das Urteil des OLG wird aufgehoben und zurückverwiesen, da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist.
Hinsichtlich der Revision der Beklagten ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Anfechtung der ab dem 27.03.2012 erfolgten Zahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO bejaht, rechtsfehlerhaft.
Grundsätzlich kann eine Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO angefochten werden, wenn sie der Schuldner mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz kannte. Hierfür reicht ein bedingter Benachteiligungsvorsatz. Ein solcher kann jedoch nicht allein damit begründet werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkannter maßen zahlungsunfähig war und dadurch in dem Moment nicht alle Gläubiger befriedigen konnte. Entscheidend ist vielmehr, dass er wusste oder zumindest billigend in Kauf nahm, seine Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Ein solcher Benachteiligungsvorsatz ist z.B. anzunehmen, wenn die konkrete Deckungslücke zum Zeitpunkt der Rechtshandlung ein solches Maß erreicht hat, dass selbst bei optimistischer Einschätzung keine Befriedigung in absehbarer Zeit möglich scheint. Besteht hingegen berechtigte Hoffnung auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, ist in der Regel nicht von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszugehen.
Hinsichtlich des für den Benachteiligungsvorsatz zu beachtenden Zeitraumes ergibt sich aus der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO oder dem Zahlungsverbot nach § 15b InsO keine Begrenzung. § 15a InsO und § 15b InsO regeln – im Gegensatz zu § 133 InsO – nicht den Interessenkonflikt zwischen dem Empfänger einer Leistung und der Gläubigergemeinschaft. Außerdem wird sowohl für die Haftung aus § 823 II BGB i.V.m. § 15a I InsO als auch aus § 15b I, IV InsO Fahrlässigkeit als ausreichend erachtet, der Benachteiligungsvorsatz i.S.d. § 133 InsO verlangt hingegen bedingten Vorsatz.
Grundsätzlich zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass ab dem 27.03.2012 kein erfolgversprechender Sanierungsversuch mehr vorlag. Ein Sanierungsversuch ist gescheitert, wenn seine weitere Fortsetzung aus einer ex ante Perspektive innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit keinen Erfolg mehr verspricht. Da vorliegend der Sanierungsversuch von einer Rechtsfrage abhängt, ist er mit der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 27.03.2012 rechtsfehlerfrei als gescheitert angesehen. Denn er beruhte darauf, dass eine Umwandlung der Ansprüche in Eigenkapital gelingen würde. Indem das OLG Frankfurt in den vergleichbaren Fällen der P -AG entschied, dass das Schuldverschreibungsgesetz 2009 auf Schuldverschreibungen nach Art der WSV 2012 und WSV 2014 unanwendbar sei, kann dieses Ziel nicht mehr erreicht werden.
Mit Recht hält das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten für unbeachtlich, es liege eine bargeschäftliche Leistung vor. Denn die Bezahlung von Leistungen eines Sanierungsberaters erfüllen nicht die Voraussetzungen der bargeschäftsähnlichen Lage, da die Sanierungsberatung nicht notwendig für die Unternehmensfortführung ist.
Es ist allerdings fehlerhaft, allein aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu schließen. Denn auch hier müssen zusätzliche Umstände hinzutreten. Dies wäre der Fall, wenn der Schuldner darauf verzichten würde, den von ihm als unvermeidlich erkannten Insolvenzantrag zu stellen, um die Verzögerung zu nutzen, bestimmte Gläubiger zu bevorzugen. Solche zusätzlichen Umstände wurden jedoch vom Berufungsgericht nicht festgestellt.
Auch die Revision des Klägers ist begründet. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Anfechtbarkeit der bis zum 27.03.2012 erfolgten Zahlungen verneint, hält in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Es wurde rechtsfehlerfrei festgestellt, dass keine Anfechtung nach §131 und 134 InsO vorlag. Allerdings wurde eine Anfechtung nach §133 InsO abgelehnt, weil die Beklagte keine nahestehende Person iSd § 138 II Nr. 2 InsO sei. Jedoch kann das Mandat eines Sanierungsberaters dann die Stellung einer nahestehenden Person i.S.d. § 138 II Nr. 2 InsO begründen, wenn es nach seiner rechtlichen und tatsächlichen Prägung dem Sanierungsberater den typischen Wissensvorsprung über die wirtschaftliche Lage des Mandanten vermittelt, den sonst leitende Angestellte des Unternehmens haben. Ob ein solches Näheverhältnis vorlag, wurde nicht hinreichend geprüft. Unschädlich ist hingegen, dass die gestellten Rechnungen nicht ausführlich Auskunft über die erbrachten Tätigkeiten gaben, denn die Bestimmung über den Inhalt der Rechnungen, § 10 II RVG, ist dispositiv.
Bisher galt, dass die Kenntnis über drohende Zahlungsunfähigkeit kein Indiz für einen Benachteiligungsvorsatz darstellte, wenn die Leistung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber gescheiterten Sanierungsversuchs darstellte. Allerdings obliegt es nun dem Insolvenzverwalter darzulegen, dass der Sanierungsversuch untauglich war und der Schuldner dies erkannt oder billigend in Kauf genommen hat. Bezüglich eines tauglichen Sanierungskonzepts ist festzustellen, dass dieses nicht risikolos sein muss. Es ist ausreichend, dass der bestrittene Weg vertretbar ist und genügend Zeit für eine höchstrichterliche Klärung der Frage besteht. Entscheidend ist immer die ex-ante Sicht und eine ständige Überprüfung der rechtlichen Lage. Weiterhin stellt der BGH fest, dass das Sanierungskonzept nicht in den Anfängen umgesetzt sein muss und damit auch die Beauftragung und Bezahlung notwendiger Vorbereitungsschritte einer Sanierung, z.B. die Ausarbeitung des Sanierungskonzepts, Bestandteil eines vorsatzausschließenden Sanierungsversuchs sein können.
Selbst wenn das Sanierungskonzept nach diesen Maßstäben gescheitert ist, muss der Schuldner dies auch erkennen oder zumindest billigend in Kauf nehmen. Lässt er sich professionell beraten, darf er grundsätzlich auf die Einschätzung seiner Berater vertrauen und dieser folgen, selbst wenn sich hinterher herausstellen sollte, dass diese falsch war.
Die zur Aussicht des Sanierungsversuchs getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind unzureichend. Insbesondere hätte festgestellt werden müssen, ob das Sanierungskonzept Maßnahmen über eine Schuldenreduzierung vorsah, die die Ursachen der Krise beseitigen und der Schuldnerin zukünftig einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen könnten.
Der BGH legt in seiner Entscheidung fest, dass auch ein Berater eine nahestehende Person sein kann, wenn er Zugang zu erheblichen Daten über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens hat, wie ein leitender Angestellter. Ist dies nicht gewollt, sollte eine solche Position im Beratervertrag vermieden werden, z.B. indem der Berater nicht automatisch Information erhält, sondern diese anfordern muss.
Weiterhin ist zu beachten, dass der BGH i.R.v. Bargeschäften eine Sanierungsberatung nicht als für die Unternehmensfortführung notwendig erachtet. Besonders kritisch sind Zahlungen in der Zeit zwischen dem Scheitern einer Sanierung und dem Insolvenzantrag. Das erhöht den Druck, auf Basis von Vorschüssen tätig zu werden.
Außerdem wird deutlich, dass der BGH Sanierungskonzepte sehr kritisch prüft. So muss das Konzept transparent sein und deutlich machen, was die Krisenursachen sind und was hiergegen unternommen wird. Daher ist es wichtig, dass Sanierungsberater die Entwicklung des Konzepts genau beobachten und dieses eventuell anpassen.