22.11.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
14.02.2024
4 U 186/22
ZIP 2024, 1002
Der Kläger wurde vom einzigen Mitgesellschafter mittels Einziehungsbeschluss aus der beklagten GmbH ausgeschlossen. Eine entsprechende Gesellschafterliste wurde vom Registergericht aufgenommen. Beide Gesellschafter waren zu je 12.500 € an der Gesellschaft beteiligt. Der Kläger erhob Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklagen. In der Zwischenzeit erhöhte der Mitgesellschafter seinen einzigen Geschäftsanteil i.H.v. 12.500 € auf 25.000 € und veräußerte diesen sodann an einen Dritten. Auf der anschließenden Gesellschafterversammlung, an der der Mitgesellschafter und der Dritte teilnahmen, wurde die Entlastung des Mitgesellschafters, die Bestellung des Dritten zum Geschäftsführer, sowie der Verkauf eines GmbH-Grundstücks zu einem Kaufpreis von ca. 2 Mio. € beschlossen.
Daraufhin wurde eine den Dritten als Alleingesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht. Diese hat das Registergericht jedoch nicht übernommen - der Kläger hat die Verfahren bzgl. der Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklagen gegen seinen Einziehungsbeschluss inzwischen rechtskräftig gewonnen. Des Weiteren wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.
Vor dem LG begehrte der Kläger die Anfechtung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des Aufstockungsbeschlusses, sowie der Beschlüsse von der Gesellschafterversammlung, an der der Mitgesellschafter und der Dritte teilgenommen haben. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Die zulässige Berufung ist in der Sache - soweit sie zur Entscheidung anfällt - erfolgreich.
In Bezug auf das Grundstücksgeschäft hielt das OLG das Verfahren entgegen der Auffassung des LG für unterbrochen. Der Rechtsstreit wird gem. § 240 S. 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahren unterbrochen, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Dabei ist lediglich ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse erforderlich. Ein Beschlussmängelverfahren wird daher nicht unterbrochen, wenn die Klage unabhängig von ihrem Erfolg keine (schmälernden) Änderungen an der Insolvenzmasse bewirken würde. Der Beschluss über den Grundstücksverkauf betrifft die Masse jedoch, sodass Unterbrechung gem. § 240 ZPO eingetreten sei. Denn ist der Beschluss tatsächlich nichtig, so erwachsen bei Durchführung des Geschäftes die Masse schmälernde Schadensersatzanspruche wegen Treuepflichtverletzungen.
Die weiteren Anträge (bzgl. der Aufstockung, der Entlastung des Mitgesellschafters und der Bestellung des Dritten zum Geschäftsführer) sind masseneutral, das Verfahren ist daher nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen.
Hierbei ist der Kläger auch anfechtungsbefugt. Zwar steht die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 HGB der Anfechtungsmöglichkeit durch einen nicht mehr eingetragenen Gesellschafter grundsätzlich entgegen, jedoch ist diese mit Blick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Hinblick auf den bei Entzug der Mitgliedschaft gegebenen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG ausnahmsweise trotz der Wirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 HGB zuzugestehen. Der durch (unwirksamen) Einziehungsbeschluss ausgeschlossene und nicht mehr eingetragene Gesellschafter muss eine über die Anfechtung des Einziehungsbeschlusses hinausgehende Möglichkeit der Aufhebung eines Aufstockungsbeschlusses haben, da er sonst - wie hier - unter Verlust von Stimmkraft zum Minderheitsgesellschafter gemacht werden könnte.
Im Hinblick auf die Beschlüsse zur Entlastung des Mitgesellschafters, sowie der Bestellung des Dritten zum Geschäftsführer ist Art. 14 Abs. 1 GG hingegen nicht betroffen.
Jedoch ist die beklagte GmbH hinsichtlich dieser Anträge nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 HGB zu berufen. Denn der Kläger wurde nicht wirksam aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Dies wurde vor den verfahrensgegenständlichen Beschlussfassungen rechtskräftig festgestellt. Die GmbH bzw. der Mitgesellschafter als seinerzeit Geschäftsführer der Beklagten hätte daher auf eine korrigierte Gesellschafterliste hinwirken müssen - dies ist jedoch bis dato (mehr als 2 Jahre nach der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses) nicht passiert.
Im Ergebnis sind daher alle auf der Gesellschafterversammlung, die ohne den Kläger stattgefunden hat, gefassten Beschlüsse nichtig. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der GmbH, wurde aber nicht geladen. Es liegt ein zur Nichtigkeit der Beschlüsse führender Einberufungsmangel analog § 241 Nr. 1 AktG i.V.m. § 51 GmbHG vor.
Der Aufstockungsbeschluss ist außerdem auch deshalb schon nichtig, weil der Geschäftsanteil des Klägers nicht vernichtet war und deshalb kein Raum für eine Aufstockung bestand.
Der Beschluss über die Entlastung des Mitgesellschafters ist im Übrigen bereits deswegen nichtig, da die Stimmen des Mitgesellschafters zu seiner eigenen Entlastung nicht hätten mitgezählt werden dürfen, dieser unterlag dem Stimmverbot gem. § 47 Abs. 4 S. 1 GmbHG. Der Dritte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Gesellschafter eingetragen und daher nicht stimmberechtigt.
Die Unterbrechung eines Verfahrens nach § 240 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Insolvenzmasse durch den Rechtsstreit in negativer Weise betroffen ist. Eine mittelbare Massebetroffenheit ist ausreichend. Ist der Beschluss masseneutral oder hat die Beschlussanfechtung ggf. positive (= erhöhende) Auswirkungen auf die Masse, so besteht keine Notwendigkeit für eine Unterbrechung.
Das OLG stellt zudem klar, dass es mit Blick auf Art. 14 GG jedenfalls für den unwirksam ausgeschlossenen und nicht mehr in der Gesellschafterliste geführten Gesellschafter die Möglichkeit geben muss, Beschlüsse der Gesellschaft, die sein noch bestehendes Mitgliedschaftsrecht beeinträchtigen, trotz negativer Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 HGB anzugreifen bzw. deren Nichtigkeit feststellen zu lassen. Überdies kann der Gesellschaft eine Berufung auf § 16 Abs. 1 S. 1 HGB wegen Treu und Glauben verwehrt sein. Dies stellt sich insbesondere dann dar, wenn die Gesellschaft (über ihre Organe) Kenntnis von der Nichtigkeit des Ausschlusses des Gesellschafters hat.