BGH XII ZB 48/23
Vaterschaftsanerkennung nach Tod der Kindesmutter

18.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
30.08.2023
XII ZB 48/23
DNotZ 2024, 122

Leitsatz | BGH XII ZB 48/23

Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Sachverhalt | BGH XII ZB 48/23

Die Antragstellerin begehrt die Beurkundung einer Vaterschaftsanerkennung im Geburtenregister. Für die volljährige Antragstellerin ist im Geburtenregister kein Vater eingetragen. Die Mutter der Antragstellerin verstarb bereits im Jahr 2004. Mit notarieller Urkunde erkannte Dr. A die Vaterschaft an, die Antragstellerin erklärte daraufhin ihre Einwilligung in die Anerkennung. Dr. A verstarb 2022.

Das Standesamt hatte jedoch im Hinblick auf § 1595 Abs. 1 BGB Zweifel an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und legte die Sache dem Amtsgericht vor.

Das Amtsgericht ordnete daraufhin an, die begehrte Eintragung im Geburtenregister nicht vorzunehmen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

 

Entscheidung | BGH XII ZB 48/23

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet. Die Anerkennung der Vaterschaft ist wirksam.

Gem. § 1595 Abs. 1 BGB bedarf die Anerkennung der Vaterschaft der Zustimmung der Mutter. Umstritten ist, wie sich der Tod der Mutter auf dieses Zustimmungserfordernis auswirkt.

Teilweise wird vertreten, das Zustimmungserfordernis gelte auch über den Tod der Mutter hinaus. Die Regelung ziele maßgeblich auf die Gewährleistung der Statuswahrheit. Die alleinige Zustimmung des Kindes biete danach keine hinreichende Garantie für die biologische Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses. Auch enthalte das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte, wonach das Zustimmungserfordernis eingeschränkt sei.

Nach anderer Ansicht entfällt das Zustimmungserfordernis mit dem Tod der Kindesmutter. Dieses höchstpersönliche Beteiligungsrecht setze voraus, dass die Erklärungsbefugte (Mutter) am Leben sei. Nach dem Tod der Mutter solle diese höchstpersönliche Erklärung auch nicht ersetzt werden, sie ist schlicht entbehrlich geworden. Deshalb treffe das Gesetz hierzu auch keine Regelung. Das Interesse des Kindes an einer effizienten und zeitnahen Vaterschaftsanerkennung insbesondere nach dem Tod der Mutter spricht zudem deutlich für diese Auffassung.

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Das Zustimmungserfordernis der Mutter gem. § 1595 Abs. 1 BGB entfällt mit ihrem Tod. Es genügt daher gem. § 1595 Abs. 2 BGB die Zustimmung des Kindes. § 1595 BGB dient dabei - anders als vom Beschwerdegericht vertreten - nicht vorrangig der Abstammungswahrheit. § 1595 Abs. 1 BGB wurde vielmehr eingeführt, um die Rechtsstellung der Mutter bei der Anerkennung der Vaterschaft zu stärken. Nach dem Tod der Mutter kann diese die ihr zustehenden Rechte aber nicht mehr ausüben, sodass der Zweck des Zustimmungserfordernisses entfällt.

Die vom Beschwerdegericht ins Feld geführte Gesetzesbegründung vermag diese Auffassung nicht zu ändern. Ausdrücklich befasst sich die Gesetzesbegründung nur mit der (gerichtlichen) Ersetzung der Zustimmung der Mutter, die ausdrücklich nicht möglich sein soll. Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Dass eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter nicht mehr möglich sein soll ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht und ist außerdem mit Blick auf Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zumindest fraglich.

Auch im Hinblick auf die Abstammungswahrheit ergeben sich keine Probleme. Bei der Vaterschaftsanerkennung wird diesbezüglich nur sichergestellt, dass Mutter und Kind sich keinen Vater aufdrängen lassen müssen, wenn das Kind nicht von ihm abstammt. Dieses Recht wird nicht dadurch eingeschränkt, dass nach dem Tod der Mutter die Zustimmung des Kindes (bzw. des gesetzlichen Vertreters) ausreichend ist. Stimmt das Kind (oder der gesetzliche Vertreter) nicht zu, ist der Anerkennende (wie auch im Falle der fehlenden Zustimmung der lebenden Mutter) auf das Vaterschaftsfeststellungsverfahren verwiesen.

Letztlich spricht auch das Interesse des Kindes für die Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter. Wäre dem Kind diese Möglichkeit verschlossen, so bestünde keine Aussicht auf zügige Herstellung einer rechtlichen Vater-Kind-Beziehung. Gerade nach dem Ableben der Mutter ist dies jedoch im Sinne des Kindes zu ermöglichen. Dass sich daraus mitunter Vater-Kind-Beziehungen ergeben, die nicht dem biologischen Abstammungsverhältnis entsprechen, fällt nicht entscheidend ins Gewicht.

Die angegriffene Entscheidung wird daher aufgehoben. Die Vaterschaft wurde wirksam anerkannt. Das Standesamt wird angewiesen, die beantragte Eintragung und Folgebeurkundung im Geburtenregister vorzunehmen.

Praxishinweis | BGH XII ZB 48/23

Der BGH klärt mit dieser Entscheidung die Frage, ob eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter noch möglich ist. Damit ergibt sich insbesondere für die Standesämter eine gesicherte Rechtslage. Dass ggf. Vater-Kind-Zuordnungen entstehen, die nicht der biologischen Abstammung entsprechen, ist hinzunehmen.