OLG München 34 Wx 311/23e
Überlassung eines bebauten Grundstücks zu Miteigentum an Minderjährigen

28.08.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
18.12.2023
34 Wx 311/23e
RNotZ 2024, 157

Leitsatz | OLG München 34 Wx 311/23e

Die Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum ist grundsätzlich als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB anzusehen.

Sachverhalt | OLG München 34 Wx 311/23e

Der als Eigentümer eingetragene Beteiligte zu 1) überlässt seinen Enkelinnen, den Beteiligten zu 2) bis 4), mit notariellem Vertrag unentgeltlich das verfahrensgegenständliche Grundstück zu Miteigentum. Die Erwerberinnen beantragen in derselben Urkunde ihre Eintragung im Grundbuch. Die minderjährigen Beteiligten zu 3) und 4) werden von ihrer Mutter, der Tochter des Beteiligten zu 1) vertreten.

Mit Zwischenverfügung erklärte das Grundbuchamt, hinsichtlich der Eigentumsübertragung an die minderjährigen Beteiligten zu 3) und 4) seien deren Eltern von der Vertretung ausgeschlossen. Die Ausnahme der Erfüllung einer Verbindlichkeit scheide aus. Das Rechtsgeschäft sei auch nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da die minderjährigen Erwerberinnen in die Bruchteilsgemeinschaft einträten und wegen der privatrechtlichen Verantwortlichkeit von Miteigentümern aus Gefährdungstatbeständen und Verkehrssicherungspflichten insoweit als Gesamtschuldner haften würden.

Gegen die Zwischenverfügung wird Beschwerde vom Urkundsnotar eingelegt. Der Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Es wird weitere Beschwerde eingelegt.

Entscheidung | OLG München 34 Wx 311/23e

Die zulässige und statthafte Beschwerde ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.

Das Grundbuchamt verlangt zurecht die Vorlage der Genehmigung eines Ergänzungspflegers. Vorher darf die Eintragung nicht erfolgen, § 20 GBO.

Ein Minderjähriger bedarf gem. § 107 BGB der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters zu einer Willenserklärung, die für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies ist für das auf den Erwerb einer Sache gerichtete Rechtsgeschäft der Fall, wenn den Minderjährigen durch den Erwerb der Sache Verpflichtungen treffen, für die er nicht nur mit der erworbenen Sache, sondern darüber hinaus mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Diese Beurteilung erfolgt lediglich aufgrund isolierter Betrachtung des dinglichen Geschäftes.

Gerade bei dem Erwerb von Grundstückseigentum ist dabei eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen. So ist der Erwerb von Sondereigentum an einer Wohnung nie lediglich rechtlich vorteilhaft. Als notwendiges Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Wohnungseigentümer zur umfassenden Tragung von Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, Verwaltung und des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums verpflichtet.

Bei dem Erwerb von Alleineigentum am gesamten Grundstück ist hingegen im Regelfall von einem rechtlichen Vorteil auszugehen. Die damit einhergehenden Verpflichtungen fallen wirtschaftlich nicht ins Gewicht und sind daher mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 107 BGB zu vernachlässigen.

Die Beurteilung von Miteigentum an Grundstücken ist hingegen umstritten. Eine Ansicht (so BayObLG und h. Lit.) beurteilt dies nicht anders als den Erwerb des gesamten Grundstücks und erkennt keine rechtlichen Nachteile. Das KG hingegen hat den Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit dem Erwerb von Wohnungseigentum gleichgesetzt; es werde auch beim Erwerb von Miteigentum eine Sonderverbindung in Form der Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff., §§ 1008 ff. BGB begründet, aus der sich Pflichten und Haftungsfolgen ergäben.

Jedenfalls für den Fall des Erwerbs von Miteigentum an bebauten Grundstücken hat sich das OLG München der Ansicht des KG angeschlossen. Ähnlich wie bei Wohnungseigentum gem. § 16 Abs. 2 WEG hätte auch der Bruchteilseigentümer gem. § 748 BGB die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes, sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und der gemeinsamen Nutzung anteilig zu tragen. Eine wertmäßige Beschränkung besteht nicht. Gerade wenn das Grundstück bebaut ist, sind die Kosten für Erhaltung, Verwaltung und gemeinsame Benutzung nicht bloß theoretischer Natur, sodass Vergleichbarkeit mit dem Erwerb von Wohnungseigentum besteht.

Dass sich ein rechtlicher Nachteil - so wie vom Grundbuchamt vorgetragen - zudem aus den mit dem Erwerb des Miteigentums einhergehenden Verkehrssicherungspflichten und Gefährdungstatbeständen ergeben soll, vermag der Senat nicht festzustellen. Insofern besteht kein Anhaltspunkt, diese anders als beim Erwerb des Grundstücks zu Alleineigentum zu bewerten. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen.

Aufgrund des rechtlichen Nachteils des Erwerbs des Miteigentumsanteils der Beteiligten zu 3) und 4) bedurfte es in ihren Fällen der Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger, § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB. Der gesetzliche Vertreter - hier die Mutter der Beteiligten zu 3) und 4) - war von der Vertretung ausgeschlossen, da es sich bei dem Beteiligten zu 1) um ihren Vater handelte, § 1629 Abs. 2 i.V.m. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Praxishinweis | OLG München 34 Wx 311/23e

Die Frage, ob der Erwerb von Miteigentum an unbebauten Grundstücken lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB ist, ist weiterhin nicht geklärt. Jedenfalls für bebaute Grundstücke hat das OLG München diesen mit dem Erwerb von Wohnungseigentum gleichgestellt. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Rechtsmittel wurde eingelegt (BGH - V ZB 1/24).