OLG Koblenz 16 U 886/23
Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO von Tilgungs- und Zinszahlungen eines alleinverdienenden Ehepartners auf den gemeinsamen Darlehensvertrag eines Ehepaars

04.12.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Koblenz
12.07.2024
16 U 886/23
NZI 2024, 934

Leitsatz | OLG Koblenz 16 U 886/23

  1. Im Drei-Personen-Verhältnis, in dem der Insolvenzschuldner unmittelbar an die finanzierende Bank leistete und durch diese Zahlungen zugleich auch die Schuld der Ehepartnerin gegenüber der Bank getilgt wurde, ist für die Unentgeltlichkeit einer Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO allein entscheidend, ob die Ehepartnerin für die (Mit-)Tilgung ihrer Darlehensverbindlichkeit eine Gegenleistung zu erbringen hatte.
  2. Eine Entgeltlichkeit wäre zu bejahen, wenn die Ehepartnerin einen Anspruch auf die Leistungen hatte. Die Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen ist stets als entgeltlich anzusehen. Eine unterhaltsrechtlich geschuldete Leistung kann daher nicht als unentgeltlich iSv § 134 InsO qualifiziert werden.
  3. Zinszahlungen eines Ehegatten auf ein zur Finanzierung eines Eigenheims von beiden Ehegatten aufgenommenes Darlehen sind unterhaltsrechtlich geschuldet; Tilgungszahlungen dagegen nicht.
     

Sachverhalt | OLG Koblenz 16 U 886/23

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner führte während der bis heute intakten Ehe eine selbstständige Tätigkeit aus und war Alleinverdiener für die finanzielle Versorgung der Familie. Die Beklagte, die Ehefrau des Schuldners, hatte kein eigenes Einkommen und kümmerte sich um die Führung des Haushalts und die Erziehung der gemeinsamen Kinder.

Zur Finanzierung ihres hälftigen Miteigentums an einem Familienheim schlossen die Eheleute einen Darlehensvertrag, gesichert durch eine Grundschuld. Zwischen Mai 2016 und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (August 2020) erbrachte der Schuldner aufgrund interner Absprache der Eheleute allein die Zins- und Tilgungszahlungen. Die Beklagte beteiligte sich vereinbarungsgemäß nicht an den Zahlungen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Hälfte des im o.g. Zeitraum gezahlten Betrags zurück. Nach seiner Ansicht unterfielen die hälftigen Darlehenszahlungen als unentgeltliche Leistung an die Beklagte der Insolvenzanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO. Durch die Zahlungen habe der Schuldner auch die Beklagte von einer Schuld befreit, sodass diese hierdurch einen Vermögensvorteil erlangt habe. Die Zahlungen hätten zudem die Insolvenzmasse geschmälert und seien unentgeltlich erfolgt, da der Schuldner weder eine Gegenleistung noch Regressansprüche erhalten habe.

Die Beklagte wendet ein, der Schuldner habe nur auf seine eigene Schuld leisten wollen, ohne ihr Vermögen zu verschaffen, sodass keine Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO vorliege. Zudem seien die Zahlungen unterhaltsrechtlich geschuldet und daher nicht unentgeltlich. Das Landgericht wies die Klage ab, da jedenfalls die subjektiven Vereinbarungen in einer Alleinverdienerehe als Entgeltvereinbarungen einzuordnen seien und die Unentgeltlichkeit ausschließen würden. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Entscheidung | OLG Koblenz 16 U 886/23

Die Berufung ist teilweise begründet. Nach Auffassung des OLG Koblenz habe der Kläger einen Rückzahlungsanspruch aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO, § 129 Abs. 1 InsO, § 134 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Tilgungsleistungen, jedoch nicht hinsichtlich der Zinszahlungen, die der Schuldner gegenüber der Darlehensgeberin auf das Darlehen erbracht hat.

Die Tilgungs- und Zinszahlungen seien als Leistungen mit Doppelwirkung zu qualifizieren, da sie der Tilgung der Forderungen der finanzierenden Bank gegenüber beiden Ehegatten dienen und damit zugleich der Beklagten zugutekommen würden. Die Zahlungen hätten zwar zu einer Verringerung der Grundschuldbelastung in entsprechender Höhe geführt, was die Masse gemehrt hätte. Diese Verringerung sei jedoch nicht nur dem Miteigentumsanteil des Schuldners, sondern ebenso dem Miteigentumsanteil der Beklagten zugutegekommen, sodass die Insolvenzmasse nicht in gleichem Umfang angestiegen sei. Die hierdurch insoweit eingetretene Gläubigerbenachteiligung werde auch nicht durch einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB ausgeglichen, da dem Schuldner aufgrund der internen Absprache kein solcher Anspruch gegen die Beklagte zustehen sollte.

Hinsichtlich der Beurteilung der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 InsO differenziert das Gericht zwischen den Tilgungs- und Zinszahlungen. Eine Unentgeltlichkeit wäre grundsätzlich zu verneinen, wenn der Leistung des Schuldners eine Gegenleistung der Beklagten von gleichwertigem Vermögenswert gegenüberstünde. Ein möglicher Anspruch des Schuldners gegen die Beklagte gemäß § 426 Abs. 1 BGB komme jedoch aufgrund der internen Vereinbarung als Gegenleistung nicht in Betracht. Eine Entgeltlichkeit könne daher nur angenommen werden, wenn der Schuldner mit den Zahlungen auf das Darlehen gegenüber der Beklagten unterhaltsrechtliche Verpflichtungen erfüllt hätte, da die Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen stets als entgeltlich anzusehen sei.

Im Umfang des Zinsanteils würden die Zuwendungen des Schuldners an die Beklagte keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO darstellen, da es sich um solch unterhaltsrechtlich geschuldete Leistungen handle. Der Unterhaltsanspruch nach §§ 1360, 1360a BGB umfasse die zur Deckung des angemessenen Wohnbedarfs erforderlichen Kosten, wozu auch laufende Aufwendungen für den Wohnbedarf gehören. Diesen Zweck würden auch die Zinszahlungen verfolgen. Zwar mache der Kläger die fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners geltend, was den Ausschluss der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung zur Folge hätte. Allerdings habe der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast hierfür nicht genügt.

Hinsichtlich des Tilgungsanteils seien die Zahlungen hingegen mangels unterhaltsrechtlichen Anspruchs als unentgeltlich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO einzuordnen. Die Tilgung auf das Darlehen zur Finanzierung von Wohneigentum diene nicht der Deckung der – unterhaltsrechtlich stets geschuldeten – laufenden Bedürfnisse, sondern der Vermögensbildung für die Zukunft. Eine Befriedigung des Wohnbedarfs gerade in Form der Finanzierung eines Eigenheims sei unterhaltsrechtlich nicht erforderlich. Aus dem unterhaltsrechtlichen Anspruch auf Deckung des Wohnbedarfs folge in der Regel kein Anspruch auf Verschaffung von Wohneigentum.

Ob im Rahmen der nach § 1360, 1360a BGB grundsätzlich unterhaltsrechtlich geschuldeten Altersversorgung auch Aufwendungen zur Vermögensbildung geschuldet sind, ließ das OLG Koblenz offen. Denn Vermögensbildung zum Zwecke der Altersvorsorge könne jedenfalls nur dann unterhaltsrechtlich geschuldet sein, wenn dies auch tatsächlich den ehelichen Lebensverhältnissen entsprach, was vorliegend jedoch nicht der Fall war.

Praxishinweis | OLG Koblenz 16 U 886/23

Die Entscheidung des OLG Koblenz, Zinszahlungen als unterhaltsrechtlich geschuldete Leistungen einzuordnen und Tilgungsleistungen davon auszunehmen, kann durchaus kritisch hinterfragt werden.

Einerseits führt dieses Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung von Familien, die zur Miete wohnen, und solchen, die in einem finanzierten Eigenheim leben. Denn Mietkosten, die im Rahmen des § 1360, § 1360a BGB als angemessen gelten, sind grundsätzlich unterhaltsrechtlich geschuldet und können folglich nicht gemäß § 134 Abs. 1 InsO angefochten oder zurückgefordert werden. Nach Auffassung des OLG Koblenz würde der im Eigenheim lebende, nicht erwerbstätige Ehepartner jedoch einem Anfechtungsanspruch ausgesetzt, den er in einer Mietverhältnis-Situation in der Regel nicht zu befürchten hätte.

Andererseits lässt das OLG bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO völlig außer Acht, dass Ehepaare, die sich auf die Arbeitsteilung in einer Alleinverdienerehe verständigt haben, ihre jeweiligen Beiträge zum Familienleben – Erwerbstätigkeit auf der einen Seite und Haushaltsführung sowie Kinderbetreuung auf der anderen – im Rahmen eines wechselseitigen Austauschverhältnisses erbringen. Vor dem Hintergrund eines modernen, gleichberechtigten Familienverständnisses erscheint eine Berücksichtigung dieser Beiträge der Ehegatten als „objektiv gleichwertige Gegenleistung“. Das Rollenverständnis, das der Entscheidung des OLG Koblenz zugrunde liegt und nach dem der erwerbstätige Ehepartner dem anderen faktisch alles „schenkt“, widerspricht jedoch dem zeitgemäßen Familienbild. So hat auch die Vorinstanz vertreten, dass eine Entgeltlichkeit – ungeachtet der unterhaltsrechtlichen Pflichten – aufgrund der in einer „Alleinverdienerehe“ (konkludent) getroffenen Entgeltabrede anzunehmen sei.

Da das OLG die Revision zugelassen hat, bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der BGH zu dieser Thematik entscheiden wird.