20.12.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Frankfurt a. M.
19.09.2023
21 W 63/23
NotBZ 2024, 183
Keine Rückgabe eines vorher aufgehobenen kombinierten Ehe- und Erbvertrages [ PDF ]
Die Eheleute, die Beteiligten zu 1) und 2), begehren die Rückgabe zweier in amtliche Verwahrung gegebene Urkunden, die letztwillige Verfügungen enthalten. Die notariellen Urkunde 1 vom 22.06.2011 enthält unter Ziffer I eine Änderung eines Ehevertrags aus 1988 abgeändert. Ziffer II einen Erbvertrag. Die notarielle Urkunde wurde in amtliche Verwahrung gegeben.
Mit notarieller Urkunde 2 vom 04.06.2018 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament und erklärten u. a. den Widerruf von Ziffer II (Erbvertrag) der Urkunde 1. Die Änderung des Ehevertrages gem. Ziffer I der Urkunde 1 blieb bestehen. Auch diese Urkunde wurde in amtliche Verwahrung gegeben.
Seit Juli 2018 forderten die Eheleute erfolglos die Rückgabe der beiden notariellen Urkunden aus der amtlichen Verwahrung, worauf sie mit notarieller Urkunde vom 20.12.2022 die notariellen Urkunden 1 und 2 rückwirkend ab Vertragsschluss aufhoben. In der Folge beantragten sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigen erneut die Rückgabe der notariellen Urkunden 1 und 2. Ihrer Ansicht nach stehe die Regelung des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB der Rückgabe nicht entgegen, da die Verträge rückwirkend ab Vertragsschluss aufgehoben worden seien.
Das Nachlassgericht wies die Anträge auf Rückgabe zurück.
Das OLG Frankfurt a.M. gab der Beschwerde teilweise statt. Betreffend die Herausgabe der notariellen Urkunde 2 hatte das Rechtsmittel Erfolg. Es handele sich um ein gemeinschaftliches (Widerrufs-)Testament der Eheleute und nicht um einen kombinierten Erb- und Ehevertrag. Es sei kein Ehevertrag geschlossen, sondern lediglich informatorisch klargestellt worden, dass mit dem Widerruf keine Änderung des Ehevertrages gem. Ziffer I verbunden sein sollte.
Die Verfahrensbevollmächtigte habe die Rückgabe auch wirksam beantragen können. Zwar sei nach h.M. die Rückgabe an einen Vertretungsbevollmächtigten ausgeschlossen, hieraus lasse sich jedoch nicht rückschließen, dass bereits das Rückgabeverlangen ein höchstpersönliches Recht darstelle. Das Herausgabeverlangen könne daher auch durch einen Bevollmächtigten gestellt werden.
Die Herausgabe der Urkunde 1 lehnte das OLG Frankfurt jedoch ab. Hierbei handele es sich um einen kombinierten Ehe- und Erbvertrag, der nicht nur Verfügungen von Todes wegen enthalte, sodass die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung nach der gesetzlichen Regelung des § 2300 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei. Auf die Wirksamkeit des in amtliche Verwahrung gegebenen Erbvertrages komme es dabei nicht an. Die Rückgabe sei ein formelles Verfahren, in dem die Wirksamkeit nicht zu prüfen sei. Das OLG Frankfurt a. M. lehnt eine Analogie zu § 2256 BGB oder eine den Anwendungsbereich erweiternde teleologische Auslegung des § 2300 Abs. 2 BGB mangels Regelungslücke ab.
Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 2300 Abs. 2 BGB komme auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung in Frage. Zwar liege im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrechtseingriff vor. Die Testierenden haben nämlich nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrages zu verhindern und müssen damit die Bekanntgabe auch eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen. Dies diene dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Original-Urkunde vor Verlust und damit der Rechtssicherheit weswegen der Eingriff unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt sei.
Das OLG Frankfurt a. M. führt hier die Freiwilligkeit der Wahl des Gestaltungsmittels an und die daraus folgende durch die Eheleute hinzunehmende Ungleichbehandlung von kombinierten Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten.
Zuletzt verweist das OLG Frankfurt darauf, dass solche Fallkonstellationen in der Zukunft nur noch selten auftreten würden, da seit Inkrafttreten des GNotKG das Kostenprivileg der einheitlichen Beurkundung einer letztwilligen Verfügung mit einem Ehevertrag weggefallen sei und aus notarieller Sicht kein Grund für eine zusammenfassende Beurkundung mehr bestünde.
Möchten Erblasser ihr Testierverhalten wegen des Familienfriedens nicht öffentlich werden lassen, so sollte ggf. bei Wahlmöglichkeit von einer Inverwahrunggabe abgesehen werden, da nach Errichtung eines Ehe- und Erbvertrags eine Rückgabe aus der Verwahrung nicht (mehr) möglich ist.
Widerrufene letztwillige Verfügungen sollten in jedem Fall durch Rückgabeverlangen nach § 2256 BGB aus dem Verkehr gezogen, privatschriftliche Testamente vernichtet werden.
Das OLG Frankfurt a.M. gibt schon selbst eine Empfehlung für die notarielle Praxis: Kombinations-erbverträge wenn möglich zu vermeiden, insbesondere nach Wegfall des Kostenprivilegs.