OLG Schleswig 2 W 241/08
Uebertragung von Rechten an Grundstücken im Wege der Spaltung; Vereinbarkeit einer sog. „All-Klausel“ mit § 126 Abs. 2 Satz 1 UmwG, § 28 GBO

19.02.2010

Leitsatz | OLG Schleswig 2 W 241/08

1. Die Übertragung von Rechten an Grundstücken im Wege der Spaltung erfordert gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwG, dass die zu übertragenden Rechte gemäß § 28 GBO in dem Spaltungsvertrag bezeichnet sind (Anschluss an BGHZ 175, 123)

2. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn die zu übertragenden Rechte in dem Spaltungsvertrag – auch ohne Bezeichnung gemäß § 28 GBO – für jedermann klar und eindeutig bestimmt sind. Das ist der Fall, wenn mit einer sog. „All-Klausel“ alle Grundstücke und grundstücksbezogenen Rechte erfasst werden und eine Auslegung weder veranlasst noch geboten ist.

Sachverhalt | OLG Schleswig 2 W 241/08

1. Ausgangslage
Eine A-AG verfügt über Grundstücksvermögen und grundstücksbezogene Rechte, die im Grundbuch eingetragen sind. Im Wege einer Aufspaltung durch Aufnahme wird ein Teil des Vermögens der A-AG in seiner Gesamtheit auf die Y-AG übertragen. Der notariell beurkundete Spaltungsvertrag sieht u. a. folgende Regelung vor:

„Die A-AG überträgt auf die Y-AG als Bestandteil des Unternehmens insbesondere alle Grundstücke, alle Rechte an Grundstücken, alle grundstücksbezogenen Rechte sowie alle Rechte an Grundstücksrechten. Der übertragene Grundbesitz ist in Anlage 3 zu diesem Vertrag aufgeführt.“

In Anlage 3 sind verschiedene Grundstücke und Erbbaurechte aufgeführt. Die im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Grundstücksrechte sind jedoch weder Anlage 3 noch an anderer Stelle des Vertrages aufgeführt oder bezeichnet.

2. Grundbuchverfahren
Den Antrag auf Löschung der nicht in Anlage 3 aufgeführten Grundstücksrechte hat das Grundbuchamt trotz Vorliegens aller anderen Löschungsvoraussetzungen zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, die zu löschenden Rechte seien im Spaltungsvertrag nicht den Anforderungen des § 28 GBO entsprechend bezeichnet. Der Übergang der zu löschenden Rechte auf die Y-AG sei daher nicht nachgewiesen.

Diese Entscheidung hat das OLG Schleswig auf weitere Beschwerde aufgehoben.

Entscheidung | OLG Schleswig 2 W 241/08

Gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG sind sämtliche Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die im Wege der Spaltung übergehen, genau zu bezeichnen. § 126 Abs. 2 Satz 2 UmwG erklärt § 28 GBO für anwendbar, dem zufolge die Eintragsbewilligung bzw. der Eintragungsantrag das Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch bzw. durch Hinweis auf das Grundbuchblatt zu bezeichnen sei. Der Spaltungsvertrag muss daher sämtliche zu übertragenden Grundstücke und Grundstücksrechte aufführen.


Hintergrund des Anwendungsbefehls für § 28 GBO ist, dass der Rechtsübergang an Grundstücken und Grundstücksrechte außerhalb des Grundbuchs vollzogen wird und das Grundbuch damit durch die Spaltung unrichtig wird. Im Übrigen gilt der Rechtsübergang ab Eintragung der Umwandlung gemäß §§ 19 Abs. II, 125 UmwG i. V. m. § 15 Abs. 3 HGB gegenüber jedermann unabhängig von tatsächlicher Kenntnis. Deshalb werden Bestimmtheitserfordernisse des grundbuchrechtlichen Vollzugs auf den Spaltungsvorgang vorverlagert. Nach Auffassung des OLG Schleswig ist in Anschluss an BGHZ 175, 123 (Urteil v. 25.1.2008, V ZK 79/07) die Anordnung des § 28 GBO materiellrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung. Ein Verstoß gegen § 28 GBO im Spaltungsvertrag führe daher zur Unwirksamkeit der Übertragung.

Für den vorliegenden Fall nimmt das OLG Schleswig jedoch eine Ausnahme an. Aufgrund der unbeschränkten „All-Klausel“, die alle Grundstücke, grundstücksgleichen Rechte, Rechte an Grundstücken und Rechte an Grundstücksrechten – m. a. W. alle Rechte erfasst, für die § 28 GBO Geltung beansprucht – sei für jedermann klar und eindeutig bestimmt, dass eine Auslegung weder veranlasst noch erforderlich sei und Unklarheiten darüber nicht auftreten können, dass und welche Grundstücke etc. auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden sollen. In diesem Fall überspanne die Unwirksamkeit als Rechtsfolge des Verstoßes die gesetzliche Regelung des § 126 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Satz 2 UmwG i. V. m. § 28 GBO in formalistischer Weise.
Dies gelte allerdings nicht, wenn lediglich eine Vielzahl von Grundstücken und Grundstücksrechte übertragen werde oder eine „All-Klausel“ mit Ausnahmen bestehe und insofern eine Auslegung erforderlich ist und Unklarheiten entstehen können.

Praxishinweis | OLG Schleswig 2 W 241/08

Die Entscheidung des OLG Schleswig weicht von BGHZ 175, 123 (Urteil v. 25.1.2008, V ZK 79/07) ab. Das OLG Schleswig betont jedoch ausdrücklich die Besonderheit des Falls, dass eine Auslegung der „All-Klausel“ – anders als in BGHZ 175, 123 – nicht einmal veranlasst und erforderlich war. Insbesondere führt der BGH (a.a.O, Tz 24c) aus, dass eine Auslegung des Spaltungs- und Übernahmevertrages den Bestimmtheitserfordernissen des § 28 GBO nicht gerecht werde, die sich das OLG Schleswig nicht vorzunehmen veranlasst sah und so den abweichenden Beschluss begründete. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie der BGH auf diese Entscheidung reagieren wird.