OLG Düsseldorf 7 U 110/20
Stillschweigender Pflichtteilsverzicht in einem Ehe- und Erbvertrag mit Gütertrennung und Erbeinsetzung der eigenen Kinder

12.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
09.07.2021
7 U 110/20
ZEV 2022, 280

Leitsatz | OLG Düsseldorf 7 U 110/20

Redaktionelle Leitsätze

  1. Bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts ist generell Zurückhaltung geboten. Dies gilt in besonderer Weise für einen Verzicht auf das Pflichtteilsrecht, das lediglich bei schweren Verfehlungen des Berechtigten entzogen oder angefochten werden kann und auf das nur durch notariell beurkundeten Vertrag verzichtet werden kann.
  2. Die Vereinbarung der Gütertrennung in einem Ehe- und Erbvertrag mit einer ausdrücklichen Belehrung des Notars, dass sich dadurch „die gesetzlichen Erbquoten und die Pflichtteilsquoten ändern“, beinhaltet keinen konkludenten Verzicht auf den Pflichtteil, sondern stellt im Gegenteil klar, dass den Vertragschließenden das mögliche Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs des Überlebenden durchaus bewusst war.

 

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 7 U 110/20

Im Falle einer zweiten Ehe vereinbaren viele Eheleute durch notarielle Beurkundung neben der Gütertrennung, dass ihre Kinder aus der früheren Beziehung alleinige Erben sein sollen und vermachen dem anderen Ehepartner lediglich ein Wohnrecht oder Nießbrauch. Nach dem Tod eines Ehegatten bestehen jedoch weitreichende Möglichkeiten, mehr als nur einen Nießbrauch zu erhalten (bspw. Ausschlagung gem. § 2307 I BGB und den vollen Pflichtteil verlangen, Geltendmachung des Pflichtteilsrestanspruchs oder bei Ausschlagung Zugewinnausgleich gem. § 1371 II BGB).

Im zu entscheidenden Fall klagte die Witwe gegen die Erbin den Pflichtteil ein, nachdem sie das Vermächtnis des Erblassers ausgeschlagen hatte. Der Notar hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Falle einer Gütertrennung die gesetzlichen Erbquoten Änderungen unterliegen.

Entscheidung | OLG Düsseldorf 7 U 110/20

Das LG wies die Klage ab, die Berufung hatte fast vollständig Erfolg.

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf konnte die Ehefrau im vorliegenden Fall nach Ausschlagung des Vermächtnisses gem. § 2307 I 1 BGB den Pflichtteil verlangen. Dem Einwand, dass ein konkludenter Verzicht nach § 2346 II BGB durch den Ehe- und Erbvertrag erklärt worden sei, folgt das OLG nicht. Ein derartiger Verzicht sei grundsätzlich möglich, müsse aber durch zurückhaltende Auslegung ermittelt werden.

Die ausdrückliche Belehrung des Notars, dass sich durch die vereinbarte Gütertrennung „die gesetzlichen Erbquoten und die Pflichtteilsquoten ändern“, deute entgegen einem konkludentem Verzicht an, dass den Vertragschließenden das mögliche Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs des Überlebenden durchaus bewusst war. Auch der Umstand, dass die Eheleute sich zugunsten ihrer jeweiligen Kinder gegenseitig enterbt haben, hätten die Eheleute den Pflichtteil nicht ausgeschlossen, sondern die Voraussetzung dafür gerade geschaffen. Letztlich sei auch nicht überzeugend, dass aus einer Gesamtschau der Bestimmungen entnommen werden könne, dass die Eheleute eine Belastung ihrer jeweiligen Erben mit Pflichtteilsansprüchen ausschließen wollten.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 7 U 110/20

Auch wenn ein stillschweigender Pflichtteilsverzicht möglich ist, so sollte bei der Auslegung entsprechender Verträge Zurückhaltung geboten sein. Möchte man hingegen einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren und in Folge seine Erben vor eventuellen Forderungen schützen, so sollte dieser ausdrücklich vereinbart werden. Ein konkludenter Verzicht bleibt schwer nachweisbar, auch wenn ergänzende notarielle Erklärungen mit herangezogen werden können.