KG 19 W 2/24
Ist ein „Executor“ ein Testamentsvollstrecker?

16.04.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
17.10.2024
19 W 2/24
ErbR 2025, 326

Leitsatz | KG 19 W 2/24

  1. Die handschriftliche Verfassung eines Testaments ist nach Art. 21 EuErbVO anwendbarem kanadischen Erbrecht der Provinz Alberta wirksam.
  2. Nach kanadischem Erbrecht ist die Einsetzung eines „executor“ bzw. „adminstrator“ oder „estate trustee“, auf den das Nachlassvermögen übergeht, zwingend.
  3. Das Amt eines „executor“ nach kanadischem Recht, der dazu berufen ist, die Nachlassgegenstände und -pflichten festzustellen, den Nachlass zu verwalten und die Schulden und Verpflichtungen des Nachlasses zu erfüllen, ist dem eines Testamentsvollstreckers vergleichbar.
  4. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Erblasserin auch die Bestellung eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht zumindest in der Laiensphäre gewollt hat (vgl. OLG Brandenburg Beschl. v. 2.4.2001 – 8 Wx 165/00, BeckRS 2001, 3017216).
  5. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor der deutschen Auslandsvertretung in Toronto erscheint gemäß § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG nach Entfernung und Nachlasswert des in Deutschland befindlichen Vermögens von rund 32.000 EUR nicht zumutbar.

(Leitsätze von RiBGH a.D. Roland Wendt)
 

Sachverhalt | KG 19 W 2/24

Der Beschwerdeführer richtet sich mit seiner Beschwerde gegen eine Entscheidung des AG Schöneberg vom 04.12.2023. Dieses hatte seinen Antrag auf Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für den in Deutschland befindlichen Nachlass der Verstorbenen abgelehnt.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Antragsteller, laut dem am 25. November 2017 in Kanada verfassten Testament der alleinige Erbe sei. Daher könne er nicht zugleich als Testamentsvollstrecker fungieren. Zudem verwies das Gericht auf eine Entscheidung des OLG Brandenburg aus dem Jahr 2001, wonach aus der Bezeichnung „executor“ im Testament nicht automatisch geschlossen werden könne, dass nach deutschem Recht ein Testamentsvollstrecker eingesetzt werden sollte. 
Der Antragsteller hingegen vertritt die Auffassung, dass er gemäß dem in Kanada geltenden Erbrecht wirksam zum „executor“ – und damit sinngemäß zum Testamentsvollstrecker – bestimmt worden sei. Aus diesem Grund sei seinem Antrag stattzugeben. 

Entscheidung | KG 19 W 2/24

Die Beschwerde ist zulässig und begründet und hat somit Erfolg.

Für die Entscheidung über die Erteilung eines auf das inländische Vermögen beschränkten Testamentsvollstreckerzeugnisses ist gemäß Art. 21 EuErbVO zunächst maßgeblich, ob nach dem kanadischen Erbrecht der Provinz Alberta eine mit der deutschen Testamentsvollstreckung vergleichbare Institution existiert und ob die Erblasserin diese durch ihr Testament vom 25.11.2017 wirksam angeordnet hat (vgl. BeckOGK/Neukirchen, 1.7.2023, BGB § 2368 Rn. 63 mwN).

In seinem Schriftsatz vom 18.4.2024 hat der Antragsteller schlüssig dargelegt, dass er auf Grundlage dieses Testaments zum „executor“ bestimmt wurde. Die damit verbundenen Rechte und Pflichten richten sich nach dem Estate Administration Act, Chapter E-12.5 und umfassen Tätigkeiten wie die Feststellung des Nachlassbestandes, die Verwaltung des Vermögens, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten, die Verteilung des Vermögens und das Führen der Buchhaltung. Diese Aufgaben entsprechen im Wesentlichen denen eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht.

Zu beachten ist außerdem, dass das kanadische Erbrecht zwingend eine Benennung eines „executors“, „administrators“ oder „estate trustees“ vorsieht, auf den der Nachlass übergeht (vgl. z. B. Eric P. Polten u. a., Nachlassplanung in Deutschland und Kanada und das Kollisionsrecht, 2011, S. 9; sowie Kanadisches Erbrecht – Einführung, Abschnitt: Das Probate-Nachlassverfahren in Kanada, abrufbar unter: www.wf-frank.com/publikationen/detail/kanadisches-erbrecht-einfuehrung-1531.html).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann auch davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin zumindest aus Laiensicht die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht beabsichtigt hat, wie es das OLG Brandenburg in seinem Beschluss vom 2.4.2001 – 8 Wx 165/00 (BeckRS 2001, 30172167) für erforderlich hält. Es musste für die Erblasserin naheliegen, dass der executor auch das in Deutschland befindliche Vermögen in der Art eines deutschen Testamentsvollstreckers verwaltet und verteilt. Eine endgültige Entscheidung über das Ausmaß dieser Rechtsprechung ist nicht notwendig.

Es bestehen weder Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments vom 25.11.2017 noch an der Einsetzung des Antragstellers als executor. Der Antragsteller hat überzeugend dargelegt, dass das Testament den Vorgaben des Wills And Succession Act, Chapter W-12.2 entspricht, da es handschriftlich verfasst wurde. Auch aus der weiteren Verfügung der Erblasserin vom 17.9.2019 ergibt sich kein Widerruf der Ernennung des Antragstellers als executor, da sich diese nur auf deutsches Grundvermögen bezieht, das nur einen geringen Teil (ca. 32.000 EUR) des Nachlasses ausmacht.

Da die Einsetzung eines executors nach dem anwendbaren kanadischen Recht zwingend ist, kann dem Antrag auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht mit der Begründung entgegengetreten werden, der Antragsteller sei bereits Alleinerbe nach deutschem Recht und eine solche „Verdopplung“ sei überflüssig.

Auch die formellen Voraussetzungen liegen vor. Die eidesstattliche Versicherung muss der Antragsteller nicht persönlich bei der Auslandsvertretung in Toronto abgeben (§ 352 Abs. 3 S. 4 FamFG), da dies angesichts der Entfernung und des vergleichsweise geringen Nachlasswerts in Deutschland nicht zumutbar ist.

Praxishinweis | KG 19 W 2/24

I.    Anwendbarkeit 
Vor der Beantragung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses sollte sorgfältig geprüft werden, welches Erbrecht Anwendung findet. Bei Auslandsbezug – etwa bei Testamentserrichtung in Kanada – gilt grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Erblasserin (Art. 21 EuErbVO). Schmidt weist darauf hin, dass bei Bestimmung eines Erbstatuts nach einer Common-Law-Rechtsordnung dieses vollumfänglich anzuwenden ist – einschließlich seiner spezifischen Regelungen zur Nachlassabwicklung. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 lit. e–g EuErbVO. Die vormals unter Art. 25 EGBGB entwickelte sog. „Spaltungstheorie“, die eine Rückverweisung auf deutsches Abwicklungsrecht vorsah, ist mit Einführung der EuErbVO nicht mehr haltbar.

II.    Wirksamkeit des Testaments 
Für die Wirksamkeit des Testaments ist maßgeblich, ob die formellen Voraussetzungen am Ort der Errichtung eingehalten wurden.

III.    Vergleichbarkeit mit deutschem Recht 
Wer sich auf ausländisches Recht – z. B. das kanadische – beruft, muss konkret darlegen, welche Regelungen dort gelten und inwiefern diese mit deutschem Recht vergleichbar sind (z. B. durch Schriftsatz oder Rechtsauskunft). Verweise auf öffentlich zugängliche juristische Quellen (z. B. wf-frank.com zum kanadischen Erbrecht) sind hilfreich und sollten sauber dokumentiert werden.

Besondere Vorsicht ist beim Begriff des „Erben“ im Common-Law-Kontext geboten: Der „beneficiary“ ist kein Erbe im Sinne der §§ 1922, 1967 BGB, da er nicht für die Nachlassabwicklung verantwortlich ist. Deutsche Gerichte und Notare sollten in solchen Fällen auf die Verwendung des Begriffs „Erbe“ verzichten, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Schmidt warnt eindringlich davor, die Kategorien und Begriffe des deutschen Erbrechts unreflektiert auf ausländische Sachverhalte zu übertragen. Die Benennung eines „executors“ darf nicht vorschnell als Anordnung einer Testamentsvollstreckung im Sinne des deutschen Rechts verstanden werden. Eine Umdeutung im Sinne eines „Testierens unter falschem Recht“ ist nur bei tatsächlicher Rückverweisung auf deutsches Recht möglich – etwa bei Nachlassvermögen in Deutschland. Andernfalls bleibt das ausländische Recht maßgeblich, dessen Systematik und Terminologie es zu respektieren gilt.

IV.    Testamentsinhalt 
Auch bei internationalen Testamenten ist der Erblasserhorizont maßgeblich. Insbesondere bei der Benennung eines „executors“ sollten deutsche Gerichte laienhafte Vorstellungen der Erblasserin zur Nachlassabwicklung berücksichtigen.

V.    Doppelfunktion im kanadischen Recht (insbesondere Alberta)
Im kanadischen Recht, insbesondere in Alberta, ist der Nachlass regelmäßig als Sondervermögen organisiert und wird durch einen „personal representative“ abgewickelt – entweder als testamentarisch bestimmter „executor“ oder, bei Fehlen eines Testaments, als gerichtlich bestellter „administrator“. Die „beneficiaries“ sind von der Nachlassabwicklung strikt getrennt.

Ein häufiges Missverständnis in der deutschen Praxis besteht darin, dass „personal representative“ und „beneficiary“ zwingend verschiedene Personen sein müssten. Schmidt stellt jedoch klar, dass insbesondere in Fällen ohne Testament nahe Angehörige typischerweise beide Rollen übernehmen. Auch wenn der Antragsteller Alleinerbe ist, kann ihm daher ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt werden, wenn eine solche Doppelfunktion im ausländischen Recht üblich oder gar erforderlich ist.

Die Funktion eines „executors“ kann der deutschen Testamentsvollstreckung entsprechen, wenn sie inhaltlich vergleichbare Aufgaben umfasst. Ein ausdrücklicher Hinweis im Testament auf eine Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht ist nicht zwingend erforderlich. Da die Ernennung eines „executors“ im kanadischen Recht gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht eine starke Vermutung, dass der Wille zur Vollstreckung gegeben ist – was den Anforderungen deutscher Gerichte genügen kann (vgl. OLG Brandenburg, 8 Wx 165/00). Liegt eine inhaltliche Gleichwertigkeit vor, kann dem „executor“ gemäß § 2368 BGB ein Testamentsvollstreckerzeugnis als Fremdrechtszeugnis erteilt werden – versehen mit dem Hinweis, dass sich seine Befugnisse nach dem ausländischen Recht richten. Eine funktionale Gleichwertigkeitsprüfung ist dabei unerlässlich.

Demgegenüber darf einem „beneficiary“ kein Erbschein ausgestellt werden, da er über den Nachlass nicht rechtsgeschäftlich verfügen kann – ein häufiger Fehler in der Praxis, der auf einem Missverständnis der Funktion des Erbscheins beruht.

VI.    Fazit
Die Anwendung ausländischen Erbrechts – insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum – erfordert ein Umdenken von den vertrauten Rechtskonzepte des deutschen Erbrechts. An die Stelle dogmatischer Übertragung tritt die sorgfältige Auseinandersetzung mit den Strukturen und Begrifflichkeiten der fremden Rechtsordnung. Gerade bei Rechtsordnungen des Common Law entstehen in der deutschen Praxis häufig Irritationen, die weniger auf rechtlichen Widersprüchen als auf methodischen Missverständnissen beruhen. Wer diesen Herausforderungen mit Offenheit und Genauigkeit begegnet, schafft die Grundlage für eine sachgerechte, rechtsvergleichend fundierte Entscheidungspraxis.