08.07.2019
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
FG Köln
18.01.2018
7 K 513/16
ZEV 2018, 610 m. Anm. Thonemann-Micker
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG erlischt die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 ErbStG steuerfreien fiktiven Zugewinnausgleichs berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung kann eine Schenkung als Vorausempfang nach § 1380 BGB anzurechnen sein.
Die Klägerin lebte mit ihrem 2010 verstorbenen Ehemann E im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das Vermögen der Klägerin hatte im Zeitpunkt der Eheschließung einen Wert von 186.911 Euro, bei Tod des E einen Wert von 13.360.217 Euro. Das Vermögen betrug zum Zeitpunkt der Eheschließung 9.345.550 Euro und im Zeitpunkt seines Todes 18.169.550 Euro.
Noch zu Lebzeiten hatte E der Klägerin insgesamt 12.432.334 € ohne Gegenleistung zugewandt. Streitgegenständlich ist die Schenkung vom 8.6.2001 i.H.v. 308.055 Euro. Hierfür setzte der Beklagte auf Grundlage der Schenkungsteuererklärung unter Berücksichtigung des Vorerwerbs vom 31.12.1999 sowie eines Freibetrags nach § 16 ErbStG i.H.v. 600.000 DM die Schenkungsteuer auf 20.702 Euro fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, da ihr fiktiv zu ermittelnder Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber E i.H.v. 10.619.457 Euro steuerfrei zu stellen sei. Dies erfolge bei einer Anrechnung von Vorschenkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch. Die Schenkungsteuer würde damit rückwirkend erlöschen.
Der Beklagte wies den Einspruch zurück. Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Steuerfreistellung der Schenkung vom 8.6.2001 weiter.
Das FG Köln gab der Klage in vollem Umfang statt. Die unentgeltliche Zuwendung des E an die Klägerin vom 8.6.2001 (§7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) sei zunächst zutreffend der Schenkungsteuer unterworfen worden, aber gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 ErbStG sei diese mit Wirkung für die Vergangenheit erloschen.
Gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG erlösche die Schenkungsteuer ebenfalls mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 ErbStG steuerfreien Betrags berücksichtigt würden. § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG behandele die Fälle des fiktiven Zugewinnausgleichs. Danach gelte, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht – güterrechtlich – nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen werde, beim überlebenden Ehegatten der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung hätte geltend machen können nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG.
Bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin nach § 5 Abs. 1 ErbStG sei die hier streitgegenständliche Schenkung als Vorausempfang nach § 1380 BGB anzurechnen gewesen. Sie mindere den Betrag, der der Klägerin güterrechtlich nach § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsanspruch zugestanden hätte und der gem. § 5 Abs. 1 ErbStG im Rahmen der Erbschaftsteuer nach E steuerfrei zu stellen gewesen sei. Diese Anrechnung führe zu einem Erlöschen der Schenkungsteuer auf den 8.6.2001 gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
Das FG Köln berechnete den güterrechtlichen Zugewinnausgleich, der hier – mit den Schenkungen – dazu führte, dass die Klägerin einen höheren Zugewinn hatte als der E. Dabei verbleibe zwar kein Anspruch der Klägerin nach § 1371 Abs. 2 BGB, der als fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch freizustellen gewesen sei. Dies sei aber unerheblich, da entscheidungserheblich gewesen sei, dass der Anspruch allein aufgrund der Vorabzuwendungen weggefallen sei.
Die Prüfung nach § 1380 Abs. 2 BGB, d. h. die Erhöhung des Zugewinns des Zuwendenden um die Zuwendung und die entsprechende Verminderung des Zugewinns des Empfängers, sei der Anrechnung nach § 1380 Abs. 1 BGB vorgelagert. Das FG Köln folgt damit der zivilrechtlichen Rechtsprechung, und der vom OLG Frankfurt a. M. (v. 16.11.2005 6 UF 71/05, NJW 2006, 520) dargestellten zweistufigen Berechnung. Danach berechne sich auch bei überschüssigen Zuwendungen der Zugewinnausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers unter Beachtung des § 1380 BGB. Lediglich bei der daran anschließenden Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Zuwendenden sei die Norm nicht anwendbar. Dieses Ergebnis entspreche auch der gesetzlichen Zielsetzung, jegliche Erwerbe (unter Lebenden oder von Todes wegen), die letztlich ihrem Inhalt und ihrer Höhe nach den Zugewinn zwischen Ehegatten ausgleichen, als nicht steuerbar zu behandeln. Folge man der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung würden hingegen ohne Grund solche Ehegatten benachteiligt, die während der Ehe unbewusst überhöhte Vorauszahlungen auf einen möglichen späteren Ausgleichsanspruch erhalten hätten.
Das Urteil überzeugt und wird in der Praxis begrüßt, da es der gesetzlichen Zielsetzung entspreche, jegliche Erwerbe, die letztlich den Zugewinn zwischen Ehegatten ausgleichen, als nicht steuerbar zu behandeln (Kamps/Stenert, DStR 2018, 2465; Thonemann-Micker, in: ZEV 2018, 610, 613; Stenert, in: MittBayNot 2019, 302, 305). Vollständige Rechtssicherheit gibt die Entscheidung des FG Köln allerdings nicht, da bislang noch keine Aussagen des BFH oder BGH vorliegen. Die vom FG Köln zugelassene Revision wurde nicht eingelegt. In anderen Bundesländern sind jedoch vergleichbare Fälle anhängig. Bis dahin sollten Ehegatten auf das verbleibende Risiko hingewiesen werden, dass eine überschüssige Schenkung der Rückgängigmachung der Schenkungsteuer nach § 29 Abs 1 Nr. 3 ErbStG entgegenstehen könnte.
Auch wenn die Entscheidung im Streitfall die Beendigung des Güterstandes durch Tod betraf, § 5 Abs. 1 ErbStG, so muss sie wohl auch für den güterrechtlichen Zugewinnausgleich, § 5 Abs. 2 ErbStG, gelten egal ob durch Scheidung, Aufhebung der Ehe oder bei ehevertraglichen Güterstandswechsels.