22.01.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
09.05.2023
3 U 55/22
RNotZ 2024, 160
Schwiegerelternschenkung: Fortbestand der Ehe als Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB [ PDF ]
1. Der geschenkte Gegenstand muss nicht zwingend wesensgleich mit den aus dem Vermögen des Schenkenden geflossenen Mitteln sein. Wenn der Schenker einen Geldbetrag zur Beschaffung eines bestimmten Grundstücks zur Verfügung stellt, können sowohl Besitz und Eigentum am Geld als auch das Grundstück Gegenstände der Zuwendung sein.
2. Voraussetzung für den Rückgewähranspruch an den Schenkenden ist, dass ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Unzumutbarkeit ist neben der Frage des Fortbestandes der Ehe als Geschäftsgrundlage zusätzlich und gesondert festzustellen (ebenso BGH BeckRS 2015, 1430 Rn. 24).
3. Bei Zuwendungen von Schwiegereltern kommt eine aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmende Vertragsanpassung nur in seltenen Fällen dazu, dass der zugewendete Gegenstand zurückzugewähren ist. In der Regel kann nur ein Ausgleich in Geld verlangt werden, dessen Höhe sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Soweit die Ehe Bestand gehabt hat, ist der Zweck der Zuwendung nämlich jedenfalls teilweise erreicht, sodass das Zugewendete nicht voll zurückgegeben werden muss.
4. Ausgangspunkt für die Bemessung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt der Zuwendung. Etwaige Wertsteigerungen der Zuwendung – hier des Grundstücks – sind nicht zu berücksichtigen (ebenso BGH BeckRS 2006, 1284). Hiervon ist im Hinblick auf die bis zur Trennung bereits verwirklichte Erwartung des Zuwendenden, dass das eigene Kind von der Zuwendung profitiert, ein Abschlag vorzunehmen.
5. Die teilweise Zweckerreichung infolge der Nutzung der durch die Schenkung erfolgten Vermögensmehrung durch das eigene Kind ist nach dem Verhältnis der Dauer von der Zuwendung bis zum Scheitern der Lebensgemeinschaft zur zu erwartenden Gesamtdauer der Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt der Zuwendung, ausgehend von der Annahme, dass die Ehe lebenslang Bestand haben werde, zu bemessen.
Der Kläger war der ehemalige Schwiegersohn der Beklagten und von 2003 bis 2022 mit deren Tochter verheiratet.
Beide Parteien erwarben gemeinsam mit notariellem Kaufvertrag vom 6. September 2011 ein Hausgrundstück zu einem Kaufpreis von 95.000 €, welcher vollständig von der Beklagten gezahlt wurde. Sie finanzierte 93.000 € über ein Darlehen, das sie alleine aufgenommen und bis heute ebenfalls alleine zurückgezahlt hat. Zusätzlich übernahm sie die Vertragsnebenkosten in Höhe von 15.340 €. Im Grundbuch wurden beide Parteien zu je 1/2 als Miteigentümer eingetragen.
Der Schwiegersohn bewohnt mit seiner Ehefrau, der Tochter der Beklagten, und dem gemeinsamen Kind das Haus zusammen mit der Beklagten bis zu seinem Auszug im Juli 2021. Die Beklagte nutzte zwei Zimmer im Erdgeschoss, während der Kläger und seine Familie das Obergeschoss nutzten. Die weiteren Räume wie Bad, Küche, Flur, Wintergarten und Terrasse wurden gemeinschaftlich genutzt. Der Kläger bezahlte bis zu seinem Auszug die Verbrauchskosten und zeitweise monatlich 100 EUR an die Schwiegermutter.
Mit einem anwaltlichen Schreiben vom 9. August 2021 kündigte die Beklagte die Schenkung des hälftigen Hausgrundstücks und verlangte dessen Übertragung. Der Kläger forderte seinerseits ab Oktober 2021 eine monatliche Nutzungsentschädigung von der Beklagten, zog diese Klage jedoch vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurück.
Die Beklagte erhob Widerklage, in der sie die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Hausgrundstück, Zug um Zug gegen Zahlung von 28.350 €, hilfsweise die Zahlung von 106.650 €, verlangte. Sie argumentierte, dass sie den Erwerb und die Instandhaltungskosten von etwa 22.400 € allein getragen habe, einschließlich der Kosten für die Badsanierung, Mauerwerkstrockenlegung und den Einbau eines Kaminofens. Zudem führt sie an, dass sie das Haus gekauft habe, um der Familie ihrer Tochter nach einem Hochwasserschaden einen Neuanfang zu ermöglichen. Diese Schenkung erfolgte aber unter der Annahme, dass die Ehe ihrer Tochter mit dem Kläger lebenslang halten würde.
Der Wert der Immobilie wurde auf 270.000 € geschätzt, womit die Hälfte davon folglich 135.000 € entspricht. Nach der Methode „Wever“ sei die Schenkung zu 21% erfüllt, was die Grundlage für die im Widerklageantrag errechnete Summe bildete.
Der Kläger bestritt, dass es sich um eine „Schwiegerelternschenkung“ handelte. Er behauptete, dass er im Gegenzug zur Finanzierung alle verbrauchsabhängigen und -unabhängigen Kosten der gesamten Familie allein getragen habe, wofür er monatlich insgesamt 520,18 € zahlte. Zusätzlich habe er der Beklagten bis zu ihrem Renteneintritt 100 bis 200 € monatlich gezahlt. Er habe bis zum Auszug mindestens 24.350 € als Gegenleistung erbracht.
Das LG wies die Klage mit Urteil vom 24. März 2022 ab. Es stellte fest, dass es sich bei dem übertragenen Miteigentumsanteil teilweise um eine Schenkung handelte, die Geschäftsgrundlage aber nicht die lebenslange Ehedauer war. Im Hinblick darauf, dass die durchschnittliche Ehe 14,8 Jahre andauert sei die Annahme einer lebenslangen Ehe als Geschäftsgrundlage nicht lebensnah. Weitere Umstände, wie die Nichtberücksichtigung der Ehefrau des Klägers und die Tatsache, dass die Beklagte das Haus auch für sich selbst erworben habe, sprachen ebenfalls gegen eine solche Annahme. Zudem habe die Ehe nach dem Kauf noch etwa 10 Jahre bestanden, was die Vorstellung einer längeren Ehezeit bereits erfüllt habe.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie hielt daran fest, dass es sich um eine Schenkung ohne Gegenleistung handelte, und die Zahlungen des Klägers nicht als Gegenleistung qualifiziert werden könnten. Sie argumentierte weiter, dass sie das Haus gekauft habe, um die Familie ihrer Tochter zu unterstützen, und immer davon ausging, dass die Ehe dauerhaft bestehen würde.
Die Beklagte beantragte in der Berufung, den Kläger zur Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils gegen Zahlung von 28.350 €, hilfsweise zur Zahlung von 106.650 €, zu verurteilen. Der Kläger auf der anderen Seite beantragte, die Berufung zurückzuweisen, und berief sich darauf, dass es keine unentgeltliche Zuwendung gegeben habe und seine monatlichen Zahlungen fast den Darlehensraten entsprochen hätten.
Insgesamt steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Schenkung an den Kläger aufgrund der gescheiterten Ehe rückabgewickelt werden kann und in welchem Umfang dies zu geschehen hat.
Die eingelegte Berufung der Schwiegermutter hat hinsichtlich des Hilfsantrags teilweise in Höhe von 44.096 EUR Erfolg.
Das OLG Brandenburg entschied, dass eine Vertragsanpassung erforderlich ist. Eine direkte Übertragung des Miteigentumsanteils auf die Schwiegermutter wurde abgelehnt, stattdessen wurde der Schwiegersohn zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet. Diese Ausgleichszahlung wurde entsprechend der von Wever entwickelten Methode berechnet, bei der die Dauer der Zuwendung bis zum Scheitern der Ehe zur vorgestellten Gesamtdauer der Ehe im Zeitpunkt der Zuwendung ins Verhältnis zu setzen ist. Die Ausgleichungszahlung wurde auf 80% des Werts des Miteigentumsanteils bei Übertragung plus Erwerbsnebenkosten festgelegt. Etwa 20% Zweckerreichung wurde berücksichtigt, basierend auf dem Verhältnis zwischen dem Zeitraum von der Zuwendung bis zum Scheitern der Lebensgemeinschaft des Schwiegersohns (September 2011 bis Januar 2021) und seiner Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Zuwendung im Jahr 2011 (47 Jahre).
Die Schwiegermutter hat dem Schwiegersohn mittelbar den Miteigentumsanteil am Grundstück sowie die hälftigen Vertragsnebenkosten geschenkt. Der geschenkte Gegenstand muss nämlich nicht identisch mit den aus dem Vermögen des Schenkenden geflossenen Mitteln sein. Die erbrachten Leistungen des Schwiegersohns wurden indessen nicht als Gegenleistung anerkannt, da sie laut erkennbarem Willen der Vertragsparteien keinen rechtlichen Zusammenhang oder entsprechende Höhe aufwiesen. Sie könnten allenfalls den Zinszahlungen gegenübergestellt werden als Befriedigung des Wohnbedarfs, vergleichbar mit einer Wohnungsmiete. Die Vermögensbildung erfolgte durch die Tilgung, an welcher sich der Schwiegersohn allerdings nicht beteiligt hat.
Die Erwartung, dass die Ehe der Tochter Bestand haben würde, bildete die Geschäftsgrundlage. . Es ist lebensnah, dass die Schwiegermutter der Familie der Tochter Unterkunft und Wohneigentum verschaffen wollte, basierend auf der familiären Situation im Jahr 2011, ohne diese mit erheblichen Kosten zu belasten. Statistische Erkenntnisse zur durchschnittlichen Ehedauer wurden als irrelevant angesehen, da sie keine Rückschlüsse auf die konkrete Erwartungshaltung im Einzelfall zuließen. Denn regelmäßig haben Eltern die Vorstellung, die Ehen ihrer Kinder werden lebenslang sein.
Mit der Trennung der Tochter fiel die Geschäftsgrundlage weg, und es wurde als unzumutbar angesehen, dass die Schwiegermutter allein die Immobilie finanzierte, darin lebte, Rentnerin war und keine anderen erheblichen Vermögenswerte besaß.
Da kein Ausnahmefall vorlag und insbesondere die Altersversorgung der Schwiegermutter nicht gefährdet war, wurde eine Übertragung des Miteigentumsanteils abgelehnt. Eine weitere Kürzung des durch lineare Abschreibung ermittelten Werts wurde nach Abwägung der Gesamtverhältnisse nicht als angemessen erachtet.
Die Entscheidung hält fest, dass die lebenslange Ehe als Geschäftsgrundlage für die Schenkung dient. Jedoch divergiert die Rechtsprechung des X. und des XII. Senats beim BGH zur Frage der Dauer der Beziehung als Geschäftsgrundlage von Schwiegerelternschenkungen. Denn aktuell gibt es keine feste zeitliche Grenze für die Dauer der Ehe, bei deren Erreichung man davon ausgehen könnte, der vorgestellte Zweck habe sich erfüllt. Nach dem X. Senat kommt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nur in Betracht, wenn die Beziehung von kurzer Dauer war. Da aufgrund der aktuellen Durchschnittsdauer einer Ehe von 14,8 Jahren jeder Schenker damit rechnen müsse, dass die Ehe seines Kindes nicht lebenslang hält (NJW 2019, 3511). Jedoch existiert zur Zeit keine höchstrichterliche Entscheidung zum Berechnungsmodell (Haußleiter/Schramm, NJW-Spezial 2023, 518).