29.01.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
31.01.2024
XII ZB 385/23
NJW 2024, 1256
Sittenwidrige Verknüpfung von Zugewinnausgleich mit Umgang [ PDF ]
Die Regelung in einem zwischen geschiedenen Ehegatten geschlossenen gerichtlichen Vergleich, welche die Fälligkeit einer ratenweise zu zahlenden Zugewinnausgleichsforderung mit der tatsächlichen Gewährung von Umgang mit den gemeinsamen Kindern verknüpft, ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn sie dazu bestimmt ist, die vereinbarte Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Kindeswohls erzwingbar zu machen.
Die Eheleute sind seit 2017 rechtskräftig geschieden. Sie haben gemeinsame Kinder (2007 und 2012), die mit ihrer Mutter in deren Heimatland Peru leben. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Eheleute war in Deutschland. Die Ehefrau begehrt im Jahr 2021 einen Zugewinnausgleichsteilbetrag in Höhe von 80.000 EUR. In einem Vergleich vor dem AG verpflichtet sich der Ex-Ehemann zur Abgeltung aller Zugewinnausgleichsansprüche zur Zahlung von 60.000 EUR in drei jährlichen Raten. Diese sollen jeweils fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der Kinder mit dem Vater in Deutschland stattgefunden hat. Das AG billigt den Vergleich mit gesondertem Beschluss.
Die Mutter legt Beschwerde ein, worauf das OLG die familiengerichtliche Billigung aufgrund fehlender ausreichender Kindeswohlprüfung (§156 Abs. 2 FamFG) aufhebt. Die Mutter beantragt, das güterrechtliche Verfahren fortzuführen, da sie den gerichtlichen Vergleich für nichtig hält. Das AG weist den Antrag zurück und stellt fest, dass das Verfahren durch den wirksamen Vergleich beendet wurde. Die Beschwerde vor dem OLG München ist ohne Erfolg geblieben.
Der BGH stellte fest, dass die Rechtsbeschwerde begründet sei. Zwar sei der getroffene Vergleich nicht insgesamt sittenwidrig. Die Rechtsbeschwerde weise aber zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH Elternvereinbarungen unwirksam seien, in denen ein Verzicht auf das Umgangsrecht mit vermögenswerten Gegenleistungen in einer Weise verknüpft werden, dass das Kind darin zum Gegenstand eines Handels gemacht werde. Eine derartige Vereinbarung, bei der die zusagten wirtschaftlichen Vorteile einen ständigen Anreiz dafür böten, ohne Rücksicht auf das Wohl des Kindes aus finanziellen Erwägungen von der Ausübung des Umgangsrechts abzusehen, sei als unzulässige Kommerzialisierung des elterlichen Umgangsrechts anzusehen und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig.
Sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB sei hier die in Ziff. 2 und 3 des Vergleichs vorgesehene Ratenzahlungsabrede. Diese Fälligkeitsregelungen seien dazu bestimmt, den jährlichen Umgang unter Ausschluss der gerichtlichen Kindeswohlprüfung erzwingbar zu machen. Der wirtschaftliche Druck solle erreichen, dass die Umgangsvereinbarung eingehalten werde. Hierdurch erlange die Regelung einen vertragsstrafenähnlichen Charakter. Es fehle insbesondere eine am Maßstab des Kindeswohls ausgerichtete gerichtliche Kontrolle der Umgangsregelung. Diese sei mangels Ermittlungen des AG auch nicht möglich gewesen. Die Kinder seien nicht angehört worden. Auch der grenzüberschreitende Sachverhalt ergebe keine abweichende Beurteilung. Dem Vergleich könne zwar das grundsätzlich billigenswerte Motiv zugrunde liegen, dass der umgangsberechtigte Elternteil für die Durchsetzung seines Umgangsrechts nicht auf eine ineffektive grenzüberschreitende Vollstreckung angewiesen sein möchte. Vertragsstrafen oder vertragsstrafenähnliche Klauseln müssten dennoch stets die Berücksichtigung von Kindeswohleinreden gewährleisten, was hier nicht der Fall sei. Die Mutter könne die wirtschaftlichen Nachteile, die ihr bei Missachtung der Regelung drohten, nicht einmal dann abwenden, wenn in einem gerichtlichen Verfahren später bezüglich eines oder beider Kinder festgestellt werden sollte, dass die im Vergleich festgelegten Umgangskontakte in Deutschland nicht kindeswohldienlich seien. Die Verknüpfung von Umgang mit einer vermögenswerten Gegenleistung ist nach Auffassung des BGH aus Sicht des Kindeswohls stets bedenklich, weil das Kind zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyalitätsinteressen ausgesetzt wird. Es bestehe die Gefahr, dass Art und Dauer des Umgangs maßgeblich von wirtschaftlichen Interessen der Eltern bestimmt würden.
Der BGH wies das Verfahren an die Vorinstanz zurück. Es sei noch zu klären, ob die (Teil-)Nichtigkeit der Ziff. 2, 3 auch die weiteren Bestimmungen des gerichtlichen Vergleichs erfasse und dessen verfahrensbeendende Wirkung in Frage stelle. Des Weiteren sei zu überlegen, ob die Ausgleichszahlung auch dann vereinbart worden wäre, wenn den Beteiligten bewusst gewesen sei, dass die Fälligkeit dieser Forderung bzw. der Raten nicht an die Durchführung eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Umgangs mit den gemeinsamen Kindern geknüpft werden könne.
Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass nicht jede Verknüpfung von Umgang mit einer Beilegung vermögensrechtlicher Auseinandersetzung zwischen den Eltern bereits eine unzulässige Kommerzialisierung und damit sittenwidrig sein muss. Die Regelungen einer Scheidungsfolgenregelungen mit Umgangsvereinbarungen sind jedoch im Einzelnen genau zu prüfen und unter dem Vorrang des Kindeswohls zu betrachten. Denn genau hier findet die Privatautonomie der Eltern ihre Grenze.