OLG Brandenburg 4 U 122/20
Rückübertragung von Geschäftsanteilen

03.07.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
11.05.2023
4 U 122/20
NZG 2022, 1719

Leitsatz | OLG Brandenburg 4 U 122/20

Leitsätze

  1. Die Verpflichtung zur Rückübertragung des Geschäftsanteils vom Treuhänder auf den Treugeber bei Beendigung des Treuhandverhältnisses folgt schon aus § 667 BGB und muss daher zu ihrer Wirksamkeit nicht gem. § 15 Abs. 4 GmbHG beurkundet werden.
  2. Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil insoweit der Rechtskraft fähig, als darin über den durch Klage- und Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Somit ist eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand unzulässig. Ist die in einem Vorprozess entschiedene Rechtsfolge nur Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits, so besteht die Rechtskraftwirkung in einer Bindungswirkung. (Rn. 34)
  3. Bei nichtakzessorischen Sicherheiten wie der Sicherungsgrundschuld oder der Sicherungszession ergibt sich der Anspruch auf Rückgabe der Sicherheit nach Befriedigung des Gläubigers aus der schuldrechtlichen Sicherungsabrede. Zur Entstehung gelangt der Anspruch durch den Abschluss des Sicherungsvertrages; allerdings ist er durch die Tilgung der gesicherten Forderung aufschiebend bedingt. (Rn. 49)

(Leitsätze der Redaktion)

Sachverhalt | OLG Brandenburg 4 U 122/20

Die Parteien streiten über die Rückübertragung von Geschäftsanteilen an der A Immobilien GmbH (im Folgenden auch A).

Der Kläger war Geschäftsführer und Gesellschafter der A. Der Beklagte zu 1 ist die Unternehmens-, Existenzgründungs- und Sanierungsberatung. Die Beklagte zu 2 ist eine Privatperson. Die Beklagte zu 2 schloss als Darlehensgeberin mit der A als Darlehensnehmerin, vertreten durch den Kläger, am 01.08.2014 einen Darlehensvertrag, an dem der Kläger als Bürge und die Beklagte zu 1 als weitere Partei beteiligt war. Danach gewährte die Beklagte zu 2 der A ein binnen vier Monaten endfälliges Darlehen. Gemäß § 7 III des Vertrags sollte die Beklagte zu 2 im Falle des Zahlungsverzugs zur Kündigung des Darlehens und zur Verwertung der in § 8-11 des Vertrags vereinbarten Sicherheiten berechtigt sein. Nach § 10 des Darlehensvertrags verbürgte sich der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 unbefristet und selbstschuldnerisch. In § 11 des Darlehensvertrags vereinbarten die Vertragsparteien eine Besicherung durch Anteilsabtretung.
Die A zahlte die im Nachtrag zum Darlehensvertrag vorgesehenen Darlehensraten ab Januar 2016 nicht mehr. Am 25.01.2016 erklärte die Beklagte zu 1 die Kündigung der Treuhandverträge „gem. § 7 I des Vertrags“. Mit Anwaltsschreiben vom 19.02.2016 erklärte zudem die Beklagte zu 2 gegenüber der A die Kündigung des Darlehensvertrags aufgrund Verzugs. Mit Anwaltsschreiben vom 07.03.2016 an die Beklagte verwies der Kläger darauf, dass die Beklagte zu 1 und 2. keine Gesellschafter der B und A seien. Mit Schreiben vom 23.3.2016, gerichtet an den – die Treuhandverträge vom 16.12.2014 beurkundenden – Notar G genehmigte der Geschäftsführer der Beklagte zu 1 sämtliche Erklärungen, die der vollmachtlose Vertreter W für die Beklagte zu 1 abgegeben hatte.

Die Beklagte zu 2 nahm den Kläger als Bürgen auf Rückzahlung des der A gewährten Darlehens in Anspruch und erwirkte ein rechtskräftiges Vorbehaltsurteil des LG Berlin, worauf der Kläger zahlte.
Der Kläger erhob vor dem LG Potsdam Klage. Der Kläger vertrat u.a., der Darlehensvertrag und der Nachtrag seien nichtig, weil sie gem. § 15 Abs. 4 GmbHG und nach §§ 9, 13 BeurkG beurkundungsbedürftig gewesen seien. Ferner sei die Beklagte zu 1 weder wirksam vertreten noch sei eine Nachgenehmigung möglich gewesen. Letztere sei jedenfalls zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Kläger bereits zuvor mit Schreiben vom 07.03.2016 zum Ausdruck gebracht gehabt habe, wegen des Mangels der Vertretung nicht mehr an dem jeweiligen Vertrag festhalten zu wollen. Nach Erfüllung der Darlehensschuld der A durch den Kläger als Bürgen habe dieser jedenfalls einen vertraglichen Anspruch auf Rückübertragung der abgetretenen Geschäftsanteile gegenüber den Beklagten.

Entscheidung | OLG Brandenburg 4 U 122/20

Das OLG Brandenburg stellte fest, dass der Kläger gegen die Beklagte zu 2 einen Anspruch auf Rückübertragung der Geschäftsanteile an der A aus den Vereinbarungen des Abtretungsvertrags vom 1.8.2014 sowie des Darlehensvertrags vom gleichen Tage habe. Die Beklagte zu 2 sei aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des OLG Brandenburg Inhaberin der Geschäftsanteile geworden.

Die für den wirksamen Erwerb der Geschäftsanteile durch die Beklagte zu 2 vereinbarten Bedingungen seien – unabhängig davon, ob man auf den ursprünglichen Darlehensvertrag vom 01.08.2014 oder den Nachtrag vom 16.12.2014 abstellt – eingetreten.

Die Beklagte zu 2 sei durch den Eintritt der aufschiebenden Bedingung des Abtretungsvertrags vom 01.08.2014 – der Kündigung des Darlehensvertrags vom 01.08.2014 – Inhaberin der Anteile geworden. Der Darlehensgeber sei zur Kündigung des Darlehens berechtigt gewesen, wenn das Darlehen nicht spätestens am letzten Tag seiner Laufzeit (vier Monate), vollständig zurückgezahlt worden sei, hier unstreitig der Fall. Die Beklagte zu 2 habe das Darlehen aber unter Bezugnahme auf die Fälligkeitsregel des am 16.12.2014 abgeschlossenen Nachtrags zum Darlehensvertrag gekündigt, dessen Voraussetzungen nach den erstinstanzlichen Feststellungen vorlägen.

Die Vertragsparteien seien bei Abschluss des Abtretungsvertrags vom 01.08.2014 auch wirksam vertreten gewesen, wobei die Beklagte zu 2 die Erklärungen des für sie als vollmachtlosen Vertreter handelnden Herrn W am 4.8.2014 genehmigt habe.

Der Abtretungsvertrag vom 01.08.2014 sei auch formwirksam geschlossen worden, § 15 Abs. 3 GmbHG. Sofern dies anders zu beurteilen sei, wäre die etwaige Formnichtigkeit einer im Darlehen enthaltenen Verpflichtungsvereinbarung jedenfalls durch den Vollzug des formgerecht geschlossenen Sicherungsabtretungsvertrags vom 01.08.2014 nach § 15 Abs. 4 S. 2 GmbHG geheilt worden.

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 2 ein Anspruch auf Rückübertragung der Geschäftsanteile aus der sich den Vereinbarungen des Sicherungsabtretungsvertrags vom 01.08.2014, sowie des Darlehensvertrags vom gleichen Tage zu.

Bei nichtakzessorischen Sicherheiten wie der Sicherungsgrundschuld oder – wie hier – der Sicherungszession ergebe sich der Anspruch auf Rückgabe der Sicherheit nach Befriedigung des Gläubigers aus der schuldrechtlichen Sicherungsabrede. Zur Entstehung gelange der Anspruch durch den Abschluss des Sicherungsvertrags. Er sei aber durch die Tilgung der gesicherten Forderung aufschiebend bedingt. Der Kläger habe seine Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. 22502-25001 ausdrücklich „unentgeltlich zu Sicherungszwecken“ an die Beklagte zu 2 abgetreten zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs.

Mit der – unstreitigen – Erfüllung des gesicherten Anspruchs durch Inanspruchnahme des Kläger als Bürgen aus dem Vorbehaltsurteil des LG Berlin sei der Sicherungszweck entfallen, so dass die Bedingung für den klägerischen Rückabtretungsanspruchs gegen die Beklagte zu 2 eingetreten sei.

Es sei auch zu keiner Abänderung der Sicherungsabrede gekommen, da sich der Nachtrag nur auf die in diesem Vertrag ausdrücklich abgeänderten Klauseln bezogen habe. Maßgeblich sei der sich aus dem Darlehensvertrag und dem Abtretungsvertrag vom 01.08.2014 ergebende Wille der Vertragsparteien, dass die Abtretung der Geschäftsanteile an die Beklagte zu 2 der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Beklagte zu 2 diene und keine dauerhafte Übertragung der Geschäftsanteile an die Beklagte zu 2 beabsichtigt gewesen sei.

Das OLG Brandenburg führt weiter aus, dass demgegenüber die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage unbegründet sei, da sich in diesem Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückübertragung der Geschäftsanteile mit den laufenden Nrn. 2 – 12501 ergebe.

Der wirksame Erwerb der Geschäftsanteile ergebe sich auch hier aus der Bindungswirkung des Urteils des OLG Brandenburg, dessen Auffassung der erkennende Senat auch insoweit im Übrigen vollumfänglich teile. Zu einer Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen und Kosten bis zum 31.12.2015 sei es unstreitig nicht gekommen.

Auch ein Rückübertragungsanspruch wegen Entfalls des Sicherungszwecks für die in § 7 I des Treuhandvertrags geregelte Anteilsabtretung durch Erfüllung der gegenüber der Beklagten zu 2 bestehenden Darlehensverbindlichkeit bestehe nicht. Denn die Übertragung dieses Geschäftsanteils habe hier einem solchen Zweck nicht gedient. Die Anteilsübertragung sei vielmehr gem. des Nachtrags zum Darlehensvertrag eine der Bedingungen für die Umwandlung des ursprünglichen Darlehens vom 1.8.2014 in ein Annuitätendarlehen, das der A eine erhebliche Zahlungserleichterung verschafft habe.

Der ursprünglich in § 12 VI des Darlehensvertrags vom 1.8.2014 vereinbarte Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auf Rückabtretung der Anteile an der Gesellschaft sei daher durch § 8 VII des Nachtrags ausdrücklich abgeändert und darüber hinaus die hier streitgegenständliche Anteilsabtretung an die Beklagte zu 1 ausdrücklich von den Freigabeansprüchen aus § 8 V und VI ausgenommen worden.
Gründe für die Nichtigkeit des Nachtrags wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB, insbesondere wegen der in § 8 VII vorgesehenen „Rückforderungssperre“, liegen nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht vor.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 4 U 122/20

Dieses Urteil des OLG Brandenburg führt noch einmal die Grundsätze der Treuhand vor Augen:

Bei der Übertragungstreuhand unterfällt die Abtretung des Geschäftsanteils vom Treugeber - dem bisheriger Gesellschafter - auf den Treuhänder - als dem neuen Gesellschafter - der Form des § 15 Abs. 3 GmbHG. Die der Abtretung zugrunde liegende schuldrechtliche Treuhandabrede muss wegen der in ihr enthaltenen Abtretungsverpflichtung des Treugebers sowie der Erwerbsverpflichtung des Treuhänders nach § 15 Abs. 4 GmbHG beurkundet werden.

Die Verpflichtung zur Rückübertragung des Geschäftsanteils vom Treuhänder auf den Treugeber bei Beendigung des Treuhandverhältnisses muss aber zu ihrer Wirksamkeit nicht gem. § 15 Abs. 4 GmbHG beurkundet werden. Die Rückübertragungspflicht ergibt sich nicht aus einem Rechtsgeschäft, sondern aus dem gesetzlichen vorgeschriebenen fiduziarischen Charakter der Treuhand: § 667 BGB. Die Erfüllung der Rückübertragungsverpflichtung durch (Rück-)Abtretung ist dann aber wieder gem. § 15 Abs. 3 GmbHG formbedürftig, sofern die (Rück-)Abtretung nicht bereits bei Begründung des Treuhandverhältnisses auflösend bedingt vereinbart wurde.