10.12.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
KG
19.07.2024
16 UF 39/22
NJOZ 2024, 1319
Von einer Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags kann im Allgemeinen nicht ausgegangen werden, wenn:
a) der vereinbarte modifizierte Zugewinnausgleich, wonach es bei einer Beendigung der Ehe durch Tod eines Ehegatten bei den gesetzlichen Bestimmungen sein Bewenden haben soll, wohingegen im Scheidungsfall kein Zugewinnausgleich erfolgen soll, dazu dient, im Scheidungsfall den Bestand des (kleinen) Unternehmens eines der beiden Ehegatten abzusichern, das für diesen Ehegatten dessen Lebensgrundlage und alleinige Altersvorsorge darstellt und dessen Bestand deshalb nicht durch eventuelle Ausgleichszahlungen gefährdet werden soll;
b) der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ausschließlich dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten zugutekommt, weil der andere, als Unternehmer selbstständig erwerbstätige Ehegatte keinerlei spezifische Altersvorsorge betrieben hat und dies auch künftig nicht beabsichtigt, wohingegen der wirtschaftlich schwächere Ehegatte aufgrund einer abhängigen Erwerbstätigkeit bzw. aufgrund der Betreuung eventueller, aus der Ehe hervorgehender Kinder Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben soll (und auch tatsächlich erworben hat), die ihm im Scheidungsfall auf diese Weise ungeschmälert erhalten bleiben;
c) der vereinbarte Ausschluss nachehelicher Unterhaltsansprüche die Unterhaltsansprüche wegen Kinderbetreuung und wegen Alters nach §§ 1570, 1571 BGB und damit solche Unterhaltsansprüche vom vereinbarten nachehelichen Unterhaltsverzicht ausnimmt, die nach der Kernbereichslehre des BGH an erster und zweiter Stelle rangieren. Dass die vom Unterhaltsausschluss ausgenommenen Unterhaltsansprüche im Hinblick auf Höhe und Dauer beschränkt werden, ist unschädlich, wenn die Beschränkung insgesamt maßvoll ausfällt und sich an den „Eckwerten“ des früheren, bis zur Unterhaltsrechtsreform üblichen „Altersphasenmodells“ orientiert;
d) die verbliebenen Nachteile aus dem Ehevertrag zugunsten des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten durch eine angemessene Abfindungsleistung kompensiert werden, deren Höhe sich an dem letzten, vom wirtschaftlich schwächeren Ehegatten unmittelbar vor der Eheschließung erzielten monatlichen Erwerbseinkommen orientiert und sich in einer Größenordnung von grob etwa 75 % des monatlichen Durchschnittseinkommen im Heimatland des betreffenden Ehegatten im Zeitpunkt des Ehevertragsabschlusses bewegt, wenn dieser Ehegatte – dem Ehevertrag zufolge – im Scheidungsfall beabsichtigt, in sein Heimatland zurückzukehren.
(amtliche Leitsätze)
Gegenstand des Verfahrens war die Wirksamkeit eines notariell beurkundeten Ehevertrags zwischen einem deutschen Kleinunternehmer und einer thailändischen Staatsangehörigen. Der Vertrag sah den Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Scheidungsfall vor, ließ diesen jedoch im Todesfall unberührt. Weiterhin wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen, da der Antragsgegner als selbstständiger Unternehmer keine Rentenanwartschaften erworben hatte, wohingegen die Antragstellerin beabsichtigte, versicherungspflichtig tätig zu werden und so auch Anwartschaften zu erwerben. Nacheheliche Unterhaltsansprüche wurden mit Ausnahme von Betreuungsunterhalt gemeinsamer Kinder und Altersunterhalt ausgeschlossen, der jedoch der Höhe nach auf einen indexierten Höchstbetrag von 900 Euro/Monat begrenzt wird bzw. auf einen indexierten Höchstbetrag von 250 Euro/Monat, falls ein Ehegatte seinen Lebensmittelpunkt nach Thailand verlegen sollte. Zudem wurde eine monatliche Abfindung von 250 Euro pro Ehemonat vereinbart. Die Abfindungsvereinbarung wurde durch weitere Klauseln ergänzt und ausgestaltet.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge nach Ansicht des Gerichts aus Art. 5 Abs. 1 EuGüVO, da die Scheidung vor einem deutschen Gericht anhängig gewesen sei. Dies begründe eine Annexzuständigkeit für güterrechtliche Streitigkeiten, selbst wenn diese separat verhandelt würden.
Der Ehevertrag sei darüber hinaus formwirksam notariell beurkundet (§ 1410 BGB) worden. Eine Dolmetscherin für die thailändische Amtssprache sei hinzugezogen (§ 16 Abs. 3 S. 1 BeurkG) und der Verzicht auf eine schriftliche Übersetzung (§ 16 Abs. 2 Satz 3 und 4 BeurkG) dokumentiert worden. Ein Verstoß gegen Sprachregelungen habe damit nicht vorgelegen, insbesondere habe der Notar die Sprachkenntnisse der Antragstellerin ordnungsgemäß geprüft und keine Sprach- und damit Beurkundungsmängel feststellen können.
Nach Ansicht des Kammergerichts entsprach der Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Scheidungsfall zudem der Vertragsfreiheit (§ 1408 BGB). Das Gericht erkannte es als berechtigtes Interesse des Antragsgegners an, sein Unternehmen als Lebensgrundlage und Altersvorsorge zu schützen. Dies sei insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unsicherheiten im Veranstaltungssektor sachgerecht.
Auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei wirksam, da er der Antragstellerin zugutekomme. Die Regelung verhindere, dass die seitens der Antragstellerin während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften mit dem Antragsgegner geteilt werden müssten, während dieser keine Anwartschaften aufgebaut hatte.
Der generelle Unterhaltsverzicht habe zudem lediglich nachrangige Ansprüche betroffen. Betreuungs- und Altersunterhalt, die zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehören, seien unberührt geblieben (§§ 1570, 1571 BGB). Die begrenzten Regelungen hinsichtlich Höhe und Dauer dieser Ansprüche erachtete das Gericht als angemessen.
Die Abfindung von 250 Euro pro Monat der Ehezeit wurde darüber hinaus als sachgerechte Kompensation bewertet. Dies begründete das Gericht damit, dass dieser Betrag in etwa dem letzten Einkommen der Antragstellerin vor der Ehe entsprochen bzw. sich grob in einer Größenordnung von etwa 75% des damaligen Durchschnittseinkommens in Thailand bewegt habe. Das Gericht berücksichtigte dabei insbesondere, dass die Antragstellerin im Scheidungsfall plante, nach Thailand zurückzukehren, und die Abfindung ihre wirtschaftliche Existenz absichern sollte.
Im Ergebnis wertete das Gericht den Vertrag weder objektiv als evident einseitig zulasten der Antragstellerin noch erkannte das Gericht subjektive Anhaltspunkte für eine Störung der Vertragsparität oder das Ausnutzen einer Zwangslage. Nach Ansicht des Gerichts berücksichtigten die Regelungen die Interessen beider Parteien angemessen und enthielten ausgewogene Kompensationen.
Die Entscheidung unterstreicht, dass Eheverträge trotz ungleicher wirtschaftlicher Ausgangsposition der Ehegatten wirksam sein können, sofern die Vertragsgestaltung eine angemessene Kompensation für nachteilige Regelungen bietet und keine offenkundige einseitige Benachteiligung vorliegt.