24.07.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Saarbrücken
05.08.2022
5 W 48/22
MittBayNot 2023, 153
Die Antragsgegnerin ist die zweite Ehefrau des 2017 verstorbenen B und wurde von diesem durch letztwillige Verfügung als alleinige Erbin eingesetzt. Antragstellerin ist das einzige Kind des B, welches nach dessen Tod seinen Pflichtteil einforderte. Daraufhin wurde ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt, dass die Aktiva mit ca. 5.000€ bezifferte und den Hinweis auf eine Risiko Lebensversicherung enthielt, aus der die Beklagte im Todesfall 50.000 € erhalten sollte. Zwar wurde kein Versicherungsschein vorgelegt, dafür aber der Antrag im Tarif „RISIKO-LEBEN“ und die Versicherungsbedingungen. Auch liegen zwei Schreiben des Versicherers vor, die bestätigen, dass es sich um eine „reine Risikoversicherung“ gehandelt habe und ein Rückkaufswert zum Todeszeitpunkt nicht vorhanden gewesen sei. Die Antragstellerin ist der Meinung, dass ein weiterer fiktiver Nachlass bestehen müsste, der sich aus der Summe der Lebensversicherung und unentgeltlichen Verfügungen i.H.v. 5.000€ zusammensetzen würde. Auch bei einer reinen Risikoversicherung, hätte die Antragsgegnerin davon erheblich profitiert und die monatlichen Raten hätten den Nachlass geschmälert. Das LG geht davon aus, dass ein Pflichtteilanspruch i.H.v. ca. 500€ denkbar sei. Die Versicherungssumme müsste aber unberücksichtigt bleiben. Hiergegen legt die Antragstellerin Beschwerde ein.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Selbst wenn eine pflichtteilsrelevante Schenkung vorlag, was im Hinblick auf den Versorgungscharakter der Versicherung bereits fraglich ist, kann hierfür kein gesonderter Wert angesetzt werden. Weder kann auf den Auszahlungsbetrag noch die monatlich geleisteten Beiträge abgestellt werden.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Todesfallsumme aus dem vom Erblasser unterhaltenen Lebensversicherungsvertrag erlangt. Wie sich der Wert einer solchen Zuwendung beurteilt, ist bereits gerichtlich entschieden. Grundsätzlich gilt, wenn ein Erblasser eine Lebensversicherung abschließt und die Leistung daraus schenkweise über ein widerrufliches Bezugsrecht einem Dritten zuwendet, kommt es allein auf den Wert an, den der Erblasser in der letzten Sekunde seines Lebens aus der Lebensversicherung hätte bekommen können. In der Regel ist dies der Rückkaufswert. Auf die Versicherungsleistung oder die Summe der gezahlten Prämien kommt es hingegen nicht an. Hierfür spricht, dass der Dritte vor dem Tod keinen Anspruch aus der Versicherung oder eine Anwartschaft erhält, sondern nur die Hoffnung darauf. Diese kann bis zum Tod aber jederzeit von dem Erblasser enttäuscht werden. Der Bereicherungsgegenstand entsteht erst mit dem Todesfall und daher erst dann, wenn das Vermögen des Erblassers nicht mehr existiert. Damit wird die Summe auch nicht mehr unmittelbar aus dem Erblasservermögen zugewendet, was § 2325 Abs. 1 BGB voraussetzt. Auch steht erst mit dem Tod des Erblassers fest, dass die monatlich geleisteten Beiträge ihn tatsächlich entreichert haben, weshalb sie keine „Vermögensopfer“ darstellen, die in die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs einfließen. Folglich wurden weder die 50.000 € zu Lebzeiten durch den Erblasser zugewendet, noch wurde er durch die Versicherungsbeiträge zu Lebzeiten entreichert. Als reine Risikoversicherung hatte diese auch keinen Rückkaufswert, der eine etwaige Zuwendung an die Antragsgegnerin darstellen hätte können. Auch eine anderweitige Veräußerung ist nicht ersichtlich, da insbesondere kein Zweitmarkt für Verträge ohne Rückkaufswert existiert.
Schließlich macht es keinen Unterschied, ob eine Risiko Lebensversicherung abgeschlossen wurde, oder auch eine Erlebensfallleistung vorgesehen war. Selbst in letzterem Fall würde dies nur dazu führen, dass zwei Versicherungsfälle vorlägen. Zwar entsteht bei einer Leistung im Erlebensfall möglicherweise ein Rückkaufswert und somit die Möglichkeit des Versicherungsnehmers unter Lebzeiten seine Rechte zu verwerten. Für den Begünstigten ändert sich dadurch nichts, denn in beiden Fällen entsteht der Anspruch originär in der Person des Bezugsberechtigten unter denselben rechtlichen Voraussetzungen mit dem Todeseintritt. Somit unterliegt der Anspruch auch in beiden Fällen denselben Modalitäten für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
Der BGH hat am 28.04.2010 (IV ZR 73/08) festgelegt, dass es für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs allein auf den objektiven Wert einer Lebensversicherung ankommt, den der Erblasser in der letzten Sekunde seines Lebens aus der Versicherung für sein Vermögen hätte umsetzen können. Gerade in der Aufgabe dieses Wertes liegt die Bereicherung des Begünstigten. Diesen Grundsatz wendet das OLG Saarbrücken folgerichtig auf den besonderen Fall der Risikolebensversicherung an. Bei diesem gelangt die Versicherungsleistung nur zur Auszahlung, wenn der Versicherungsnehmer vor einem bestimmten Ablaufdatum verstirbt. Die Risikolebensversicherung stellt damit eine reine Wette auf den Eintritt des Versicherungsfalls dar und bleibt zeitlebens für den Versicherungsnehmer wertlos. Sie hat auch keinen Rückkaufswert. Dies ergibt sich vorliegend nicht nur aus den Schreiben der Versicherung, sondern auch aus § 169 VVG und daraus, dass es keinen Zweitmarkt für Risikoversicherungen gibt. Damit hat sie keinen pflichtteilsrelevanten Wert. Zwar besteht durch Risikolebensversicherungen die Möglichkeit, Pflichtteilsansprüche zu verringern. Da diese Versicherungen aber in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielen, stellen sie keine zu große Gefahr dar.