KG 22 W 51/21
Keine Löschung der Firma nach § 74 Abs. 1 GmbHG, wenn die Gesellschaft noch Partei in einem laufenden Zivilprozess ist

04.02.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
10.09.2021
22 W 51/21
GmbHR 2021, 1335

Leitsatz | KG 22 W 51/21

Eine Löschung der Firma nach § 74 Abs. 1 GmbHG kommt nicht in Betracht, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Gesellschaft noch als Beklagte Partei in einem laufenden Zivilprozess ist.

Sachverhalt | KG 22 W 51/21

Die Beteiligte ist eine im Handelsregister des AG Charlottenburg eingetragene GmbH. Das AG Charlottenburg, welches gleichzeitig das Insolvenzgericht ist, hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beteiligten mangels einer die Kosten deckenden Masse abgelehnt. Daraufhin ist im Mai 2018 die Auflösung der Beteiligten von Amts wegen eingetragen worden. Im Gutachten des Insolvenzverwalters war eine beim LG Berlin anhängige Klage aufgelistet, welche vom Insolvenzverwalter als nicht erfolgsversprechend eingeschätzt wurde. Daher verlangt die Beteiligte in diesem Prozess im Wege der Widerklage Zahlung von rund 750.000 Euro nebst Zinsen.

Der Liquidator hat am 27.05.2020 u.a. die Eintragung in das Handelsregister angemeldet, dass die Liquidation beendet und die Firma der Gesellschaft erloschen sei. Insbesondere stehe der anhängige Passivprozess vor dem LG Berlin der Löschung der Gesellschaft nicht entgegen. Das AG beanstandete daraufhin mit Zwischenverfügung vom 29.03.2021, dass der anhängige Passivprozess der Löschung entgegenstehe, die Beendigung des Rechtsstreits abgewartet und die Löschung zurückgestellt werden soll. Hiergegen legt der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten Beschwerde ein. Das AG half der Beschwerde nicht ab und legt die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.

Entscheidung | KG 22 W 51/21

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Aufhebung der Zwischenverfügung beruhe auf rein formellen Erwägungen, da das mit Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben vom 29.03.2021 keinen bei einer Zwischenverfügung zulässigen Inhalt enthalte. Falls es sich nämlich um kein behebbares Hindernis handele, sei der Eintragungsantrag nach § 382 Abs. 3 FamFG abzulehnen und es dürfe keine Zwischenverfügung ergehen. Der anhängige und gegen die Beteiligte geführte Gerichtsprozess stelle ein solches nicht behebbares Hindernis dar, welches der Löschung der Beteiligten entgegenstehe, weshalb nicht durch eine selbstständig anfechtbare Zwischenverfügung hätte entschieden werden dürfen.

Eine Löschung der Firma komme gemäß § 74 GmbHG grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind. Die Wahrnehmung der Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten in einem Passivprozess sei eine solche sonstige Abwicklungsmaßnahme. Zu Recht habe das AG darauf hingewiesen, dass die Beteiligte im Falle einer Löschung ihre Rechts- und Parteifähigkeit verlieren würde. Insbesondere laufe der Verweis der Beteiligten auf eine mögliche Nachtragsliquidation ins Leere, da der Abwicklungsbedarf noch bestehe. Die Entscheidungskompetenz des Senats als Beschwerdegericht sei auf die Entscheidung über die Zwischenverfügung eingeschränkt. Es könne gerade nicht über die Anmeldung entschieden werden, sondern lediglich nicht bindende Hinweise zur Entscheidung gegeben.

Praxishinweis | KG 22 W 51/21

Auch ein Passivprozess stellt einee Abwicklungsmaßnahme im Sinne des Insolvenzrechts dar, welcher die Löschung der Firma der Gesellschaft im Handelsregister verhindert. Falls eine Löschung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt gewollt ist, sollte abgewogen und überdacht werden, ob die Klage tatsächlich erhoben werden sollte. Hervorzuheben ist, dass die vorliegende Beschwerde lediglich aus formellen Gründen Erfolg hatte, weil das AG eine Zwischenverfügung nicht hätte erlassen dürfen. Hätte das Gericht die Anmeldung endgültig abgelehnt, wäre die Beschwerde erfolglos geblieben.