23.06.2023
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
15.09.2022
11 U 5/21
GmbHR 2022, 594
Der Kläger wollte mit einem Geschäftspartner über eine Unternehmensgesellschaft drei Grundstücke in Z erwerben. Alleiniger Gesellschafter der P UG war A. Der Kläger erwarb am 11.01.2016 mit, von dem Beklagten zu 1 als Notar beglaubigten Vertrag, vier von sechs Unternehmensanteilen an der P UG. Am selben Tag erwarb die P UG drei Grundstücke in Z und zahlte dafür Grunderwerbssteuer. Am 29.03.2016 erwarb der Kläger die restlichen Anteile an der P UG. Der notarielle Vertrag enthielt die Erklärung, dass die Gesellschaft keinen Grundbesitz habe. Sollte dennoch Grundbesitz vorhanden sein, wäre die Grunderwerbssteuer zu zahlen, sobald sich alle Geschäftsanteile in der Hand des Erwerbers befänden. Schließlich wurde in dem Vertrag explizit darauf hingewiesen, dass der Notar zur steuerlichen Beurteilung der Vereinbarung nicht in der Lage sei und eine Beratung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe empfohlen wird. Im Beurkundungstermin hatte der Beklagte zu 2, der amtlich bestellte Vertreter des Notar, ein Gespräch mit seinem Bürovorsteher geführt. Weiterhin hatte er versucht, einen Steuerberater zu erreichen, um zu klären, ob durch den Erwerb der Gesellschaftsanteile im konkreten Fall Grunderwerbsteuer anfallen würde. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse ist zwischen den Parteien streitig. Nach Abschluss des Übertragungsvertrags wurden gegen den Kläger Grunderwerbssteuer festgesetzt und ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, dass gegen Zahlung von 3.000€ eingestellt wurde.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte zu 2 habe ihn über die grunderwerbsteuerliche Zurechenbarkeit der Immobilien falsch beraten. Wäre nichts falsch beurkundet worden, hätte er die Gesellschaftsanteile nicht selbst erworben. Er verlangt daher gesamtschuldnerisch von den Beklagten Schadensersatz i.H.v. 89.000 €, sowie 2.500 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten wegen Verletzung notarieller Amtspflichten.
Nach § 18 GrEStG ist der Notar verpflichtet, konkret bezeichnete Rechtsvorgänge, die von grunderwerbsteuerlicher Relevanz sein können, dem Finanzamt anzuzeigen. Gegen diese Pflicht hat der Notarvertreter schuldhaft verstoßen, indem er eine falsche Erklärung über den Grundstücksbesitz der P UG beurkundet hat. Ob ein Grundstück einer Gesellschaft „gehört“ richtet sich allein nach der grunderwerbssteuerrechtlichen Zuordnung. Eine solche liegt bereits vor, wenn die Gesellschaft einen unbedingt wirksamen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erworben hat. Dies geschah durch den Vertrag am 11.01.2016. Der entsprechende Sachverhalt war dem Notarvertreter bekannt, wurde von ihm aber unrichtig in den Vertrag aufgenommen, beurkundet und rechtlich falsch bewertet.
Allerdings besteht die Pflicht aus § 18 GrEStG allein gegenüber dem Finanzamt und entfaltet keine drittschützende Wirkung gegenüber dem Kläger. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass die Pflicht des Notars, der Finanzverwaltung grunderwerbsteuerlich relevante Vorgänge anzuzeigen, nicht dem Schutz der Interessen des Urkundenbeteiligten dient. Daher entfaltet diese auch keine drittschützende Wirkung. Mit der Erklärung und Anzeige nach § 18 GrEStG erfüllt der Notar allein eigene Pflichten gegenüber der Finanzverwaltung. Dadurch entstehen ihm aber keine Pflichten gegenüber dem Urkundenbeteiligten, insbesondere keine steuerlichen Beratungs- und Betreuungspflichten.
Weiterhin entbindet die Pflicht des Notars nach § 18 GrEStG den Kläger nicht von einer eigenverantwortlichen Prüfung der steuerlichen Relevanz des Erwerbs und der eigenen Mitteilungspflicht nach § 19 GrEStG. Denn diese Pflicht besteht neben und unabhängig von der Pflicht des Notars.
Aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG ergibt sich im folgenden Fall keine Pflicht des Notars, eine dem Willen der Parteien entsprechende Urkunde zu errichten. Auch folgt weder daraus, noch aus der allgemeinen Betreuungspflicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BnotO, für den Notar eine allgemeine Amtspflicht, über etwaige (grunderwerb)steuerliche Folgen eines Geschäfts zu belehren. Da er eine Belehrung nicht vorgenommen hat, haftet er auch nicht für eine eventuell falsch erfolgte. Er hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erklärung über den Grundbesitz der P-UG möglicherweise steuerliche Konsequenzen habe, er diese aber nicht überblicken und daher nicht darüber aufklären könne.
Zwar trifft den Notar(vertreter) eine erweiterte Betreuungspflicht, wenn er aufgrund besonderer Umstände Anlass zu der Sorge haben muss, dass einem Beteiligten ein Schaden droht, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis einer Gefährdung seiner Interessen nicht bewusst ist. Hier bestand jedoch für den Notarvertreter kein Anlass für eine solche Vermutung. Er hat im Vorfeld der Beratung eindeutig klargemacht, dass er nicht über die steuerrechtlichen Konsequenzen beraten kann. Hierfür spricht bereits der notarielle Vertrag selbst. Auch kann nicht festgestellt werden, dass im Verlauf des Termins, auch durch das Gespräch mit dem Bürovorsteher, ein solcher Eindruck hätte entstehen müssen. Der genaue Verlauf des Termins ist offen geblieben. Dies geht zu Lasten des Klägers, da ihn bezüglich der erweiterten Betreuungspflicht die Beweislast trifft.
Schließlich musste der Notarvertreter nicht hinterfragen, weshalb die Urkundenbeteiligten trotz der ungeklärten steuerrechtlichen Problematik den Beurkundungstermin fortsetzen wollten. Es scheint wahrscheinlich, dass die Beteiligten dem Vertrag zustimmten, da sie dadurch die Möglichkeit sahen, das konkret beabsichtigte Geschäft ohne Unterrichtung der Finanzverwaltung durchzuführen.
Der Kläger hat keinen Anspruch wegen unterbliebener Weiterleitung des Übertragungsvertrags an das zuständige Finanzamt gem. §§ 19 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 4, 46 BnotO. Denn der Kläger hat gem. §19 GrEStG eine eigene Verpflichtung, die nicht deckungsgleich mit der aus § 18 GrEStG ist und nicht stillschweigend auf die Beklagten abgewälzt werden kann. Auch eine Haftung wegen der Verletzung besonderer Vollzugspflichten aus § 53 BeurkG oder § 24 Abs. 1 S. 1 BnotO scheidet aus, da die Beklagten keine Verpflichtung übernommen haben, den Vertrag zur Erfüllung der steuerlichen Obliegenheiten des Klägers an die Finanzverwaltung weiterzuleiten.
Das OLG Hamm verdeutlicht in seiner Entscheidung, dass nicht jede Verletzung von notariellen Amtspflichten zugleich auch einen Schadensersatzanspruch gegen den beurkundenden Notar auslöst. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn die verletzte Amtspflicht gerade (auch) dem Schutz des geschädigten Urkundsbeteiligten dient.