BFH II R 19/18
Kein Wegfall des Verschonungsabschlags bei Insolvenzeröffnung

21.05.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
01.07.2020
II R 19/18
ZEV 2021, 49

Leitsatz | BFH II R 19/18

Der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer KG fällt bei Veräußerung des Anteils, im Falle der Betriebsaufgabe oder bei der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen nachträglich (anteilig) weg. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG führt jedoch noch nicht zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.

Sachverhalt | BFH II R 19/18

Der Erblasser vererbte dem Kläger und dessen Bruder einen Kommanditistenanteil an einer GmbH und Co. KG. Das beklagte Finanzamt setzte Erbschaftssteuer unter Berücksichtigung eines Verschonungsabschlages nach § 13a Abs. 1 ErbStG aF fest. Daraufhin wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter veräußerte wesentliche Teile des Betriebsvermögens. Anschließend setzte das FA erneut Erbschaftssteuer fest und gewährte den Verschonungsabschlag lediglich anteilig für 3 Jahre, d.h. bis zur Insolvenzeröffnung. Mit der Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Verschonungsabschlags für 4 statt nur 3 Jahre. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Geschäftsbetrieb der Firma durch den Insolvenzverwalter zunächst fortgeführt worden, die Produktion sei unverändert weitergelaufen und die Mitarbeiter des Unternehmens seien nicht entlassen worden. Das FG Nürnberg wies die Klage ab und führte aus: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft stelle eine Betriebsaufgabe iSd § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ErbStG aF dar. Maßgebender Zeitpunkt iSd § 13a Abs. 5 S. 2 ErbStG aF sei der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da die Personengesellschaft als ab diesen Zeitpunkt aufgelöst gelte.

Entscheidung | BFH II R 19/18

Nach Auffassung des BFH stellt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft keinen Verstoß gegen die erbschaftsteuerlichen Behaltenspflichtvorgaben dar. Der Begriff der Betriebsaufgabe im Sinne des § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG aF sei entsprechend ertragssteuerrechtlich auszulegen. Ein Behaltenspflichtverstoß liegt nach dem BFH demnach erst dann vor, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb endgültig einstellt oder (soweit er) wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Dies entspricht nach dem BFH auch dem Sinn und Zweck des § 13a ErbStG, da ja die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zwingend zur Zerschlagung des Unternehmens führen muss, sondern dieses nicht selten auch fortgeführt wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Praxishinweis | BFH II R 19/18

Die Entscheidung des BFH ist praxisrelevant, da die streitentscheidende Norm des § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG aF wortgleich in § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG nF enthalten ist. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung können die Verletzung von Behaltenspflichtvorgaben von 5 Jahren (Regelverschonung von 85 %) bzw. 7 Jahren (Optionsverschonung von 100 %) und damit eine Nachversteuerung vermieden werden.