BGH IV ZR 69/20
Kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Miterben für die Erteilung eines Erbscheins

17.01.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
07.10.2020
IV ZR 69/20
NJW 2021, 157

Leitsatz | BGH IV ZR 69/20

Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden neben der Regelung über die Verwaltung des Nachlasses gemäß § 2038 BGB Anwendung.

Sachverhalt | BGH IV ZR 69/20

Der Vater der Klägerin und des Beklagten starb am 25.02.2015 ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Er wird im Wege der gesetzlichen Erbfolge zu 1/2 von seiner Ehefrau und von der Klägerin, dem Beklagten und einem weiteren Bruder zu je 1/6 beerbt. Der Erbengemeinschaft wurde am 07.12.2015 auf Antrag der Klägerin ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. Daraufhin wurden die Mitglieder der Erbengemeinschaft als Eigentümer, des zum Nachlass gehörenden Grundstücks, in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin begleicht die vom Nachlassgericht in Rechnung gestellten Kosten für den Erbschein in Höhe von 1870 Euro. Nachdem die Mutter der Parteien im Jahr 2018 verstirbt, erhebt die Klägerin Klage gegen ihre beiden Brüder auf anteilige Erstattung der Kosten für die Erteilung des Erbscheins.

Das Amtsgericht Duisburg-Hamborn gibt der Klage statt, woraufhin das Berufungsgericht das Urteil dahingehend abändert, dass die Klage abgewiesen wird. Daraufhin legt die Klägerin Revision ein.

Entscheidung | BGH IV ZR 69/20

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Klägerin stehe kein Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich aus § 2038 Abs. 1 BGB oder aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 BGB zu.

Der BGH stimmt im Ergebnis mit der Ansicht des Berufungsgerichts überein, der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung gemäß §§ 684 S. 1 i.V.m. 812 BGB zu. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch gemäß §§ 684, 812 BGB käme wegen der vorrangigen Wirkung des § 2038 BGB nicht in Betracht, teilt der BGH nicht. Vielmehr sei dem § 2038 BGB keine Sperrwirkung für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu entnehmen. Dieser regelt die grundsätzlich gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses, schließe allerdings keine auf anderen Rechtsgrundlagen beruhenden Ansprüche eines Miterben gegen die übrigen auf Aufwendungsersatz oder Herausgabe der Bereicherung aus. Die Norm regelt gerade nicht, ob dem Miterben für gewisse Maßnahmen, die er für die Erbengemeinschaft trifft, ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen oder Herausgabe der bei den Miterben eingetreten Bereicherung zusteht.

Das Berufungsgericht habe es folglich unterlassen, einen Anspruch aus § 684 BGB zu prüfen. Die Entscheidung sei hingegen aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO) und die Revision daher zurückzuweisen:
Hat die Klägerin den Erbschein zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs beantragt, fehle es schon an einer herauszugebenden Bereicherung. Auch habe der Beklagte keine Aufwendungen erspart, da die Beantragung eines Erbscheins keine für ihn zwingende Tätigkeit sei. Vielmehr sei er schon mit dem Erbfall zum gesetzlichen Erben gemäß § 1922 BGB geworden. Gleiches gilt für die Erbengemeinschaft, die unmittelbar Eigentümer des Grundstücks wird. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs bedeutet kein Recht für die Klägerin schon 2015, ohne das Einverständnis der Miterben, einen Erbschein zu beantragen. Auch waren die Erben 2015 noch nicht gemäß § 82 S. 1 GBO zur Grundbuchberichtigung verpflichtet. Das Grundbuchamt gehe für den Zeitraum von zwei Jahren ab dem Erbfall von einer Zurückstellung der Maßnahmen gemäß § 82 S. 2 GBO aus (Parallelregelung in Nr. 14110 KV-GNotKG). Den Erben soll dadurch Zeit eingeräumt werden, um sich über die Abwicklung des Nachlasses klar zu werden. Mangels, seitens des Grundbuchamts eingeleiteten, Zwangsberichtigungsverfahrens war die Klägerin im Jahr 2015 noch nicht berechtigt gegen den Willen der Mehrheit der Erbengemeinschaft einen Erbschein zur Grundbuchberichtigung zu beantragen.

Entgegen der Revision seien die Kosten für den Erbschein auch keine Nachlasserbenschulden, für die der gesamte Nachlass haftet, sondern handele es sich um Eigenverbindlichkeiten des Erben. Ein Anspruch der Klägerin auf anteilige Kostenerstattung besteht folglich nicht.

Praxishinweis | BGH IV ZR 69/20

Ein Erbschein kann, abhängig von dem Gesamtwert des Nachlasses, eine kostenintensive Maßnahme darstellen. Erben, die Teil einer Erbengemeinschaft sind, sollten die Entscheidung über die Beantragung eines Erbscheins zum Zwecke der Grundbuchberichtigung nicht vorschnell treffen, wenn nicht alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zustimmen. Um Kosten für den einzelnen Antragsteller einzusparen, sollte mithin entweder auf das vom Grundbuchamt eingeleitete Zwangsberichtigungsverfahren oder auf den Ablauf von wenigstens zwei Jahren ab dem Erbfall gewartet werden.