BFH VI R 21/22
Kein Arbeitslohn bei schenkweiser Übertragung von Gesellschaftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge

30.01.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
20.11.2024
VI R 21/22
n. v.

Leitsatz | BFH VI R 21/22

Die schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter zur Sicherung der Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu Arbeitslohn.

Sachverhalt | BFH VI R 21/22

Die Klägerin war im Streitjahr 2014 als Arbeitnehmerin für eine GmbH tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Im Rahmen einer geplanten Unternehmensnachfolge übertrugen die Gesellschafter A und B unentgeltlich Geschäftsanteile an (neben dem Sohn der Gesellschafter) mehrere Mitglieder der Geschäftsleitung, darunter die Klägerin, wobei auf die Mitglieder der Geschäftsleitung insgesamt 25,39% entfielen. Im Protokoll einer entsprechenden Gesellschafterversammlung aus dem Jahr 2013 hielten A und B fest, dass die genannten Personen das Unternehmen nach dem Führungswechsel leiten sollten, da ihr Sohn aufgrund seiner anderweitigen beruflichen Verpflichtungen und fehlenden unternehmerischen Erfahrung allein nicht dazu in der Lage sei. Die Übertragung erfolgte ohne Bedingungen oder Beschränkungen oder eine Verknüpfung mit dem Fortbestand der Arbeitsverhältnisse, beinhaltete aber die Vereinbarung einer erbschaftsteuerlichen Rückfallklausel, wonach der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung des Anteils zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b, 19a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) nicht gewähre oder gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG zum Nachteil des Erwerbers ändere.

Das Finanzamt qualifizierte den unentgeltlichen Erwerb der Geschäftsanteile als lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Es erhöhte daher die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend, der Einspruch der Klägerin hiergegen blieb erfolglos.

Das Finanzgericht gab der darauffolgenden Klage der Klägerin statt und stellte fest, dass die schenkweise Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Klägerin und damit als (steuerpflichtiger) Arbeitslohn aus nicht selbstständiger Arbeit anzusehen sei, sondern primär der Unternehmensnachfolge diente. Hiergegen richtete sich die Revision des Finanzamtes. 

Entscheidung | BFH VI R 21/22

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zählten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen zwar auch andere Bezüge und geldwerte Vorteile (§ 8 Abs. 1 S. 1 EstG), sofern sie „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt würden. Ein geldwerter Vorteil könne insbesondere dann vorliegen, wenn einem Arbeitnehmer eine Beteiligung verbilligt übertragen würde. Dies würde jedoch nicht gelten, wenn der Erwerb zum Marktpreis erfolge. Zudem sei erforderlich, dass der geldwerte Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sei, was dann der Fall sei, wenn er dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließe und als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit zu qualifizieren sei. Dies würde auch bei Zuwendungen durch Dritte (wie hier den Gesellschaftern der Arbeitgeberin) gelten.

Die (revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbare) tatrichterliche Würdigung der objektiven Tatumstände halte rechtlicher Nachprüfung aber stand. Das Finanzgericht habe zu Recht erkannt, dass die unentgeltliche Übertragung der Beteiligung zwar im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stand aber nicht (maßgeblich) durch das Arbeitsverhältnis veranlasst war, sondern primär der Regelung der langfristigen Fortführung des Unternehmens diente. 

Dies werde insbesondere durch die erbschaftsteuerliche Rückfallklausel im Vertrag sowie dem Protokoll der von A und B im Jahr 2013 abgehaltenen Gesellschafterversammlung belegt. Die bisherigen Gesellschafter A und B hätten ihr Nachfolgekonzept danach konsequent umgesetzt, indem sie ihren Sohn als Hauptanteilseigner eingesetzt, zugleich aber die erfahrene Geschäftsleitung, einschließlich der Klägerin, mit einer Sperrminorität ausgestattet hätten, die so weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen und die Kontinuität und Weiterentwicklung des Unternehmens sicherstellen konnte. Diese Einbindung der fähigsten Mitarbeiter in den Gesellschafterbestand sei zudem eine gängige Maßnahme zur Regelung der Unternehmensfortführung und -weiterentwicklung. Fachliche Kompetenz für die Unternehmensleitung, die durch jahrelange Mitarbeit erworben wurde, stelle in diesem Kontext ein wesentliches Kriterium dar, sodass Nachfolger regelmäßig bereits vor der Anteilsübertragung im Unternehmen tätig seien. Die steuerliche Förderung der Unternehmensnachfolge gemäß §§ 13a, 13b und 19a ErbStG unterstreiche diese wirtschaftliche Notwendigkeit, unabhängig davon, ob der Nachfolger der Unternehmerfamilie angehöre oder nicht. Vorliegend wurde die steuerliche Verschonung ausdrücklich zur Vertragsgrundlage gemacht, sodass die Motivlage der Übertragung objektiv belegbar sei und nicht nur auf subjektiven Einschätzungen der Beteiligten beruhe.

Darüber hinaus sei die Schenkung nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft gewesen. Der Wert des übertragenen Anteils übersteige außerdem die üblichen Arbeitslöhne erheblich, sodass nicht erkennbar sei, warum die bisherigen Gesellschafter als Dritte der Klägerin eine derart hohe Summe allein für ihre bisherigen Arbeitsleistungen gewährt haben sollten. Schließlich erscheine es auch nicht plausibel, dass die leitenden Angestellten trotz unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und Gehälter in gleicher Weise „entlohnt“ werden sollten.

Praxishinweis | BFH VI R 21/22

Der BFH stellt mit seinem Urteil eindeutig klar, dass die unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht automatisch als einkommenssteuerpflichtiger Arbeitslohn einzuordnen ist. Entscheidend ist, dass sie primär der Unternehmensnachfolge dient und nicht (maßgeblich) durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Eine sorgfältige Dokumentation, insbesondere durch vertragliche Regelungen und Gesellschafterprotokolle, ist hier ratsam. Zudem kann die beabsichtigte steuerliche Begünstigung bei der Übertragung der Unternehmensanteile nach §§ 13a, 13b und 19a ErbStG als Indiz für den Nachfolgecharakter dienen. Wichtig ist, dass die Übertragung nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht wird und der Vorteil nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu dem üblichen Arbeitslohn steht.