BGH V ZB 17/22
Kein Anspruch des Eigentümers auf Umschreibung des Grundbuchblattes nach Löschung von Zwangseintragungen

06.01.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
21.09.2023
V ZB 17/22
NJW 2024, 440

Leitsatz | BGH V ZB 17/22

Der von einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung in dem Grundbuch Betroffene hat nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes; ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 GBV oder aus Art. 17 DS-GVO noch unmittelbar aus den Grundrechten.

Sachverhalt | BGH V ZB 17/22

In die Wohnungsgrundbücher der Eigentümerin wurden im Zeitraum von 2003 bis 2014 in Abteilung II jeweils ein Vermerk über die Anordnung der Zwangsversteigerung, ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 II Nr. 2 InsO sowie ein Vermerk über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Eigentümerin eingetragen, in Abteilung III jeweils eine Arresthypothek und eine Sicherungshypothek. Die Eintragungen wurden in den Jahren 2004 – 2021 durch Eintragung eines Löschungsvermerks wieder gelöscht. Die Eigentümerin beantragte, neue Wohnungsgrundbuchblätter anzulegen, aus denen die gelöschten Eintragungen nicht mehr ersichtlich sind.

Entscheidung | BGH V ZB 17/22

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung, dass ein Anspruch auf Umschreibung der Wohnungsgrundbuchblätter im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

Die Voraussetzungen nach § 28 GBV, eine Unübersichtlichkeit oder wesentliche Vereinfachung der Grundbuchblätter, liegen nicht vor. Auch ein Umschreibungsanspruch entsprechend § 28 S. 1 GBV aus verfassungsrechtlichen Gründen ergibt sich im vorliegenden Fall nicht. Zwar kann dies grundsätzlich über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus als Folgenbeseitigung möglich sein, wenn die Zwangseintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften zustande gekommen ist und dadurch schutzwürdige Interessen des von der Eintragung Betroffenen beeinträchtigt werden, was bei einer Verletzung der Menschenwürde, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung oder des Eigentumsrechts verfassungsrechtlich geboten sein kann. Dies liegt im vorliegenden Fall jedoch nicht vor.

Auch wenn die Zwangseintragung rechtmäßig erfolgt ist, besteht kein Umschreibungsanspruch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 GBV bzw. eine planwidrige Regelungslücke kommt nicht in Betracht, da es sich bei dem eindeutigen Wortlaut um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt. Auch aus Art. 17 I Buchst. a DS-GVO ergibt sich kein Umschreibungsanspruch, da das öffentliche Interesse einer funktionierenden und verlässlichen Registerführung dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen vorgeht.

Unmittelbar aus den Grundrechten kann ebenfalls kein solcher Anspruch hergeleitet werden. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) ist nicht verletzt, da die Publizitätsfunktion des Grundbuchs der Erfüllung legitimer Staatsaufgaben dient und zuverlässig über die gegenwärtigen und vergangenen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück Auskunft geben muss. § 12 GBO trägt darüber hinaus den schutzwürdigen Interessen Eingetragener Rechnung, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren.

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG erfordert ebenfalls keine Gleichbehandlung mit der Vermögensauskunft oder dem Schuldnerverzeichnis, bei welchen Löschungsfristen vorgesehen sind. Grundbucheintragungen bezwecken nicht die Offenlegung und Auskunft über Vermögensverhältnisse, sondern nur die Auskunft über gegenwärtige und vergangene Rechtsverhältnisse an einem Grundstück. Zudem sind Rechtsbeziehungen im Liegenschaftsrecht typischerweise langfristig angelegt und sollen typischerweise erheblich höhere Risiken absichern wie bei der Einräumung persönlicher Kredite.

Praxishinweis | BGH V ZB 17/22

Problematisch ist, dass gelöschte Zwangseintragungen weiterhin sichtbar sind und damit die Kreditwürdigkeit eines Schuldners beeinträchtigen können. Auch bei einer Umschreibung wird das geschlossene Grundbuchblatt nicht vernichtet und kann theoretisch noch weiter eingesehen werden. Für die notarielle Praxis macht die Entscheidung des BGH deutlich, dass in diesem Fall ein Antrag auf Umschreibung wenig Erfolgsaussichten hat. Insoweit bringt die Entscheidung zu einer vorher unterschiedlich beantworteten Frage Rechtssicherheit (NJW-Spezial 2024, 131). Eine Umschreibung bei einer unrechtmäßig zustande gekommenen und wieder gelöschten Zwangseintragung erscheint jedoch weiterhin möglich (RNotZ 2024, 94).

Eine Möglichkeit, die Tatsache „unsichtbar“ zu machen, dass einmal ein Recht bzw. eine Verfügungsbeschränkung eingetragen gewesen ist, kann zum Beispiel das Verlangen von Grundbuchauszüge nicht in Fotokopie, sondern in Abschrift sein. Diese beziehen sich dann nur auf die Wiedergabe bestehender, nicht gelöschter Rechte / Belastungen etc. im Grundbuch, was jedoch durch die Möglichkeit der Online-Einsicht nur eingeschränkt zielführend ist. Bei der Anlegung des Datenbankgrundbuchs, was durch Neufassung erfolgt, wird dagegen nur der aktuelle Stand der eingetragenen Rechtsverhältnisse dargestellt.