08.01.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
KG
28.08.2023
16 UF 21/23
RNotZ 2024, 40
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Versorgungsausgleich, den das Familiengericht im Rahmen eines Scheidungsverbundes ausgesprochen hatte. Es ist dabei aufgrund des kompensationslosen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs, der Vereinbarung von Gütertrennung trotz Zugewinnanspruchs und dem wechselseitigen Verzicht auf die Zahlung von nachehelichem Unterhalt von der Unwirksamkeit des Ehevertrages ausgegangen. Nach den Erwägungen des Gerichts habe zwischen den Ehegatten ein ganz erhebliches wirtschaftliches Gefälle bestanden und der Ehemann es in der Hand gehabt, seine Vorstellungen vom Ehevertrag einseitig durchzusetzen, da die Ehefrau bei einer Scheidung Deutschland hätte verlassen müssen. Der Ehevertrag wurde vom Familiengericht daher für sittenwidrig erklärt und der Versorgungsausgleich trotz des Wiederspruchs des Ehemanns entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchgeführt.
Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung des Familiengerichts und erklärte den Ehevertrag für sittenwidrig. Trotz der belarussischen Staatsangehörigkeit der Ehefrau richtet sich der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht, da dieser dem nach der Rom III-VO auf die Scheidung anwendbaren Recht untersteht, welches sich hier nach dem gewöhnlichen Aufenthalt richtet.
Die Ehevertragsfreiheit erlaubt den Ehegatten grundsätzlich, die Regelungen zum Versorgungsausgleich auszuschließen oder zu modifizieren, jedoch hält der vorliegende Ehevertrag einer Inhalts- und Ausübungskontrolle nach §§ 138, 134, 242 BGB nicht stand. Bei diesem handelt es sich um einen sogenannten „Globalverzicht“ hinsichtlich fast sämtlicher gesetzlicher Scheidungsfolgen, ohne dass eine Kompensation für die Rechtsnachteile der Ehefrau vorgesehen wurde. Wird im Wesentlichen der Kernbereich abbedungen, so müssen Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich nach denselben strengen Kriterien geprüft werden wie ein Unterhaltsverzicht. Auf objektiver Ebene ergab sich somit im Rahmen der Gesamtwürdigung bereits bei Vertragsabschluss eine einseitige Benachteiligung der Ehefrau in Form eines eindeutigen Gefälles in wirtschaftlicher und aufenthaltsrechtlicher Hinsicht, da sie keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen konnte und im Falle einer Scheidung über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt hätte. Auch ein Verstoß auf der subjektiven Seite liegt vor, da der Zweck (Finanzierung einer Eigentumswohnung), den der Ehemann mit der Abrede verfolgt hat, gegen die guten Sitten verstößt. Die Zwangslage der Ehefrau wurde vom Ehemann ausgenutzt wurde, da er um die hilflose Lage in wirtschaftlicher Hinsicht sowie den „fragilen“ ausländerrechtlichen Status wusste. Die Vereinbarung führt daher offensichtlich zu einer einseitigen Lastenverteilung, die nach § 138 BGB als sittenwidrig anzusehen ist.
An diesem Ergebnis ändert auch eine salvatorische Klausel nichts, da die Nichtigkeitsfolge der Sittenwidrigkeit notwendig den gesamten Vertrag erfasst. In der Folge war daher das Familiengericht nicht an die Vereinbarung gebunden und konnte den Versorgungsausgleich von Amts wegen entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchführen.
Der Beschluss stellt die Grundsätze zur Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleiches sowie die Maßstäbe zur Prüfung eines Ehevertrages noch einmal differenziert dar. Für die Gestaltung des Ehevertrags wird durch die Entscheidung erneut deutlich, dass es stets auf die genauen Umstände des Einzelfalls ankommt, die insgesamt zu würdigen sind. Insbesondere beim Versorgungsausgleich muss auf die Kernbereichs-Rechtsprechung geachtet werden.