01.11.2021
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Brandenburg
09.09.2020
4 U 30/20
EWiR 2021, 524 (Schulteis)
Fraglich im Rechtsstreit ist, ob der Kläger seines Geschäftsanteils an der Beklagten wirksam für verlustig erklärt wurde (Kaduzierung). Die Beklagte wurde von dem Kläger mit einem Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro gegründet, welches zur Hälfte sofort und im Übrigen auf Anforderung der Geschäftsführung nach entsprechendem Beschluss der Gesellschafterversammlung einzuzahlen ist. Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der Beklagten als auch der X(1) GmbH und X(2) GmbH.
Für einen Kaufvertrag, den die Beklagte abschließt, gewährt der Kläger der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 150.000 Euro. Die X(1) GmbH gewährt der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 25.000 Euro, welches mit dem Verwendungszweck „Einlage Stammkapital“ auf dem Konto der Beklagten gutgeschrieben wird. Ein Darlehen in derselben Höhe gewährt der Kläger der X(1) GmbH.
In der Folgezeit gewährt die Beklagte der X(1) GmbH ein Darlehen in Höhe von 23.000 Euro. Eine weitere Überweisung in Höhe von 40.000 Euro erfolgte vom Konto der X(1) GmbH auf das der X(2) GmbH. Da die Beklagte mangels erforderlicher Mittel die Durchführung des zuvor geschlossenen Kaufvertrages nicht erwirken kann, verkauft der Kläger mit Anteils- und Abtretungsvertrag einen Geschäftsanteil in Höhe von 12.750 Euro (51%) an die Y GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der E ist. Dieser wurde daraufhin zum alleinigen Geschäftsführer der Beklagten erklärt. Die Gegenleistung stellt die Vermittlung eines Darlehens über 1.340.292,40 Euro durch die Y GmbH mit E als Darlehensgeber an die Beklagte. Im Vertrag heißt es unter anderem weiterhin, die Y GmbH verpflichte sich, die Beklagte mit weiteren liquiden Mitteln bis zu 25.000 Euro auf erste Anforderung der Geschäftsführung auszustatten.
Der Kläger unterzeichnete einen Gesellschafterbeschluss der Beklagten, der festhält, das Stammkapital der Beklagten sei noch nicht gezahlt und die Geschäftsführung angewiesen, die Geschäftsanteile der Y GmbH und dem Kläger einzufordern. Daraufhin fordert E den Kläger mehrmals zur Zahlung von 12.250 Euro, mit der Androhung des Ausschlusses von seinem Anteil, auf. Der Kläger erwidert, er habe den Betrag bereits gezahlt. Die Y GmbH zahlte ihren Anteil an die Beklagte. Nach mehrmaliger Aufforderung zur Zahlung erklärt die Beklagte den Kläger seines Geschäftsanteils für verlustig. Daraufhin überwies die X(1) GmbH den Betrag von 12.250 Euro an die Beklagte und der Kläger beantragt den Erlass einer gegen die Kaduzierung seines Gesellschaftsanteils gerichtete einstweilige Verfügung bei dem Landgericht Berlin. Die Klage wird im Ergebnis abgewiesen, die Kaduzierung des klägerischen Geschäftsanteils nach § 21 Abs. 1 und 2 GmbHG sei zu Recht erfolgt. Der Kläger legt Berufung gegen das Urteil ein.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Richtigerweise begehrt der Kläger mit seinem Hauptantrag im Wege einer Feststellungsklage, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und ihm als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 12.250 Euro weiterhin besteht.
Die Berufung sei hingegen unbegründet, da der Kläger wirksam gemäß § 21 Abs. 1 und 2 GmbHG mit seinem Geschäftsanteil ausgeschlossen wurde. Nach § 21 Abs. 1 und 2 GmbHG kann die Gesellschaft dem mit der Einzahlung seiner Einlage säumigen Gesellschafter unter Androhung seines Ausschlusses eine Nachfrist zur Einzahlung von mindestens einem Monat setzen und ihn nach deren fruchtlosem Ablauf seines Gesellschaftsanteils verlustig erklären.
Die Einlage war fällig. Der Beschluss über die Zahlung des übrigen Betrages sei wirksam gefasst worden, welcher auch vom Kläger unterschrieben wurde. Die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB seiner Erklärung mit der Unterschrift hat aus zwei Gründen keinen Erfolg: Zunächst habe der Kläger die Anfechtungserklärung nicht ohne schuldhaftes Zögern erklärt. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise auf ein fehlendes Erklärungsbewusstsein des Klägers bei Setzen der Unterschrift.
Der Kläger hat die Einlageverpflichtung auch nicht erfüllt. Indem die Beklagte, sechs Tage nach Einzahlung des Betrages in Höhe von 25.000 Euro, 23.000 Euro an die X(1) GmbH überweist, stand der geleistete Einlagebetrag dem Vermögen der Gesellschaft nicht endgültig und uneingeschränkt zu deren freier Verfügung. Entgegen der Behauptung des Klägers könne die Zahlung an die X(1) GmbH auch nicht als Darlehensgewährung angesehen werden.
Der Kläger sei weder von seiner Einlagepflicht durch die Zahlung von 25.000 Euro durch die Y GmbH an die Beklagte befreit worden, noch verstoße die Beklagte gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, indem die Beklagte zunächst nur den Kläger zur Zahlung auffordert. Insbesondere führe ein solcher Verstoß nicht zur Befreiung von der Einlagepflicht, sondern lediglich zu einem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB. Dieses habe der Kläger hingegen weder ausdrücklich noch konkludent geltend gemacht. Seine Aussagen, er habe die Einlage bereits gezahlt, seien als Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht dahingehend auszulegen.
Das Betreiben des Kaduzierungsverfahrens sei auch nicht treuwidrig. Die Verpflichtung der Y GmbH zur Ausstattung der Beklagten mit liquiden Mitteln in Höhe von bis zu 25.000 Euro solle lediglich zur Durchsetzung der Ansprüche aus dem Grundstückskaufvertrag der Beklagten eingesetzt werden. Gerade nicht könne darin eine Einzahlung des gesamten Stammkapitals und damit ein Entfall der Einlagepflicht des Klägers gesehen werden, was sich insbesondere auch aus dem Grundsatz aus § 19 Abs. 1 GmbHG ergebe. Ein Anspruch des Klägers gegen die Y GmbH auf Freistellung von seiner Einlageschuld lasse sich nicht ableiten. Darüber hinaus war die Beklagte auch nicht gehalten, mit der Forderung des Klägers gegen die Beklagte aus dem Darlehen in Höhe von 150.000 Euro aufzurechnen, statt das Kaduzierungsverfahren einzuleiten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass eine entsprechende Aufrechnung des Klägers gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG unzulässig wäre.
Auch entspreche der Ausschluss den formalen und inhaltlichen Anforderungen des § 21 Abs. 1 GmbHG, da die Beklagte dem Kläger eine angemessene Nachfrist zur Zahlung gesetzt und den Ausschluss angedroht hat. Ebenfalls entspreche der Ausschluss den Anforderungen des § 21 Abs. 2 GmbHG, indem der Kläger seines „Gesellschaftsanteils mit der laufenden Nummer 3 und einem Nennbetrag von EUR 12.250,00 verlustig“ erklärt wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei das Recht ihn auszuschließen auch nicht verwirkt, indem der Ausschluss erst 15 Monate nach der letzten Androhung erfolgte. Er könne nicht darauf vertrauen, dass es zu keinem Ausschluss mehr kommen werde, nur weil die Beklagte den Ausschluss nicht mehr erwähnt hat, wenn sie ihn zur Zahlung aufforderte.
Die Beklagte hat den Kläger mithin wirksam ausgeschlossen. Die Klage hat keinen Erfolg.
Möchte ein Gesellschafter sicherstellen, dass die Zahlung seiner Einlage als Erfüllung seiner Einlageverpflichtung angesehen wird, sollte sichergestellt werden, dass die Zahlung als endgültiger und vollwertiger Vermögenszufluss gewertet werden kann. Falls ein Darlehen kurz nach der Zahlung gewährt werden soll, sollte dieses zumindest ausreichend durch Sicherheitsforderungen gesichert sein, sodass die Gewährung nicht als Entzug der Einlage interpretiert werden kann. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass sich im Falle eines Verstoßes gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auf das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB berufen werden muss – wenn auch konkludent – um es geltend zu machen.