21.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
AG Hamburg
12.02.2024
67g IN 255/23
ZIP 2024, 2229
1. Eine Publikums-KG, deren Komplementäre verstorben sind, ist selbst dann insolvenzfähig, wenn sie aufgelöst ist. Rechtsfähige Personengesellschaften enden nicht schon mit ihrer Auflösung, sondern bestehen bis zur Vollbeendigung als Verbände in Liquidation weiter. Dies ergibt sich aus § 142 HGB n.F.: Diese Norm erklärt die Möglichkeit der Fortsetzung der aufgelösten, aber noch nicht vollbeendeten Gesellschaft nun ausdrücklich zur Regel.
2. In der Literatur wird bislang nicht diskutiert, ob eine nach Ausscheiden des letzten Komplementärs aufgelöste Kommanditgesellschaft, bestehend nur noch aus Kommanditisten, in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 InsO fällt. Normzweck des § 19 InsO ist der präventive Gläubigerschutz. Dieses präventiven Gläubigerschutzes bedarf es auch bei einer komplementärlosen, aufgelösten Kommanditgesellschaft, da der Haftungsdurchgriff auf den Nachlass des zuletzt verstorbenen Komplementärs durch seine Erben nach Maßgabe des § 1975 BGB beschränkbar ist.
Die Schuldnerin ist eine Publikums-KG, an der insgesamt 23 Kommanditisten beteiligt sind. Der Gründungskomplementär verstarb bereits 2014, wobei seine Erben nicht ermittelt werden konnten. Der letzte verbliebene persönlich haftende Gesellschafter verstarb am 22.05.2023. Dessen Erben wurden gemäß einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten einfachen Nachfolgeklausel Kommanditisten der Gesellschaft. Von der gesellschaftsvertraglichen Befugnis beim Tod des letzten Komplementärs einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter zu bestimmen, haben die Kommanditisten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch keinen Gebrauch gemacht.
Sodann machte eine Kommanditistin einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung gegen die Schuldnerin geltend, welcher durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil des LG Hamburg bestätigt worden war. Die Schuldnerin legte Berufung ein, zahlte jedoch nicht. Daraufhin stellte die Kommanditistin im Oktober 2023 als Gläubigerin einen Insolvenzantrag. Das AG Hamburg eröffnete mit Beschluss vom 12.02.2024 das Insolvenzverfahren.
Nach Auffassung des AG Hamburg liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin vor.
Zunächst führt das AG Hamburg aus, dass die Schuldnerin insolvenzfähig sei.
Scheidet der letzte persönlich haftende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so habe dies nach herrschender Meinung die Auflösung der Kommanditgesellschaft zur Folge. Auch das Inkrafttreten des MoPeG habe an dieser Rechtsfolge nichts geändert, da nach dem Willen des Gesetzgebers die Klärung der Frage, was bei Ausscheiden des einzigen Komplementärs einer Kommanditgesellschaft gilt, weiterhin der Rechtsprechung vorbehalten bleibe. Die aufgelöste Kommanditgesellschaft sei nach überwiegender Ansicht im Anschluss durch die Kommanditisten zu liquidieren. Ob die Schuldnerin aufgelöst ist, lässt das Insolvenzgericht – angesichts der gesellschaftsvertraglich geregelten Möglichkeit der Bestimmung eines neuen Komplementärs – offen.
Denn die Kommanditgesellschaft bleibe nach Ansicht des AG Hamburg trotz einer eventuellen Auflösung insolvenzfähig. Rechtsfähige Personengesellschaften würden nicht schon mit ihrer Auflösung enden, sondern bestünden bis zur Vollbeendigung als Verbände in Liquidation weiter; dies ergebe sich ausdrücklich aus § 142 HGB n.F. Das Gesetz differenziere zwischen einer aufgelösten und einer vollbeendeten (gelöschten) Gesellschaft. Das Gesellschaftsrecht gehe zudem davon aus, dass Verbände durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst werden (§ 138 Abs. 1 Nr. 2 HGB) und unterstreiche damit die Insolvenzrechtsfähigkeit aufgelöster Gesellschaften. Verbände seien grundsätzlich erst dann vollständig beendet und damit nicht länger insolvenzrechtsfähig, wenn sie im Register gelöscht und vermögenslos sind (sog. Lehre vom Doppeltatbestand).
Schließlich stellt das AG Hamburg fest, dass die Schuldnerin aufgrund von Überschuldung (§ 19 InsO) auch insolvenzreif sei. Es galt jedoch die Frage zu klären, ob der Insolvenzgrund der Überschuldung überhaupt auf die Schuldnerin – als aufgelöste Kommanditgesellschaft, die nach Ausscheiden des letzten Komplementärs nur aus Kommanditisten besteht – Anwendung findet.
Gemäß § 19 Abs. 3 sei die Überschuldung als Insolvenzgrund bei rechtsfähigen Personengesellschaften nur einschlägig, wenn kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Da nach dem Tod des letzten Komplementärs noch kein neuer Komplementär durch die Gesellschafterversammlung bestimmt worden sei, habe die Schuldnerin derzeit keine natürliche Person als Komplementär, womit sie (nach dem Wortlaut) unter den Anwendungsbereich des § 19 InsO falle.
Nach Ansicht des AG Hamburg ist die aufgelöste Kommanditgesellschaft ohne Komplementär in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 3 InsO einzubeziehen. Der Zweck des § 19 InsO liege im präventiven Schutz der Gläubiger bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Dieser präventive Gläubigerschutz sei auch bei einer komplementärlosen und aufgelösten Kommanditgesellschaft, wie der Schuldnerin, erforderlich. Denn der Haftungsdurchgriff sei durch die Erben auf den Nachlass des verstorbenen, letzten Komplementärs für die bis zu seinem Tod entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten nach Maßgabe des § 1975 BGB beschränkbar.
Nach Ansicht des AG Hamburg findet § 19 Abs. 3 S. 1 InsO auch auf eine aufgelöste Kommanditgesellschaft Anwendung, bei der der letzte persönlich haftende Gesellschafter ausgeschieden ist und die nunmehr lediglich noch aus Kommanditisten besteht. Vor Bejahung der Überschuldung stellte sich das Insolvenzgericht jedoch die Frage, ob (auch) eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorliegt, welche jedoch nicht festgestellt werden konnte.
Denn hat ein Schuldner – wie hier – gegen einen vorläufig vollstreckbaren Titel einen Rechtsbehelf eingelegt, sei der Bestand der vorläufig vollstreckbar titulierten Verbindlichkeit nach Auffassung des AG noch nicht endgültig bewiesen, es sei denn, dass die Rechtsverteidigung des Schuldners erkennbar aussichtslos ist. Vorliegend sei das Bestreiten durch die Schuldnerin durchaus ernsthaft, sodass die bestrittene Verbindlichkeit nicht in die objektive Bewertung der Zahlungsunfähigkeit miteinbezogen worden ist.
Jedenfalls im Ergebnis ist dem AG Hamburg zuzustimmen. Vorliegend sollte der Eröffnungsgrund offenbar ausschließlich auf die Forderung der antragstellenden Gläubigerin gestützt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt in einem solchen Fall jedoch die bloße Glaubhaftmachung nicht. Erhebt der Schuldner substanzielle Einwendungen, obliegt es dem Gläubiger, den Bestand der Forderung vollständig nachzuweisen. Diesen Nachweis konnte die Gläubigerin nicht erbringen.