28.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Hamm
20.06.2024
8 W 10/24
GmbHR 2024, 934
Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste im Eilrechtsschutz [ PDF ]
1. Der einstweilige Rechtsschutz kann sich ausnahmsweise auf die Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste zum Handelsregister erstrecken, wenn das Vorgehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erkennbar darauf ausgerichtet ist, den präventiven Rechtsschutz eines Gesellschafters zu vereiteln.
2. Die Rechtsordnung hat einem Gesellschafter maximalen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, wenn die anderen Gesellschafter die Geschäftsanteile des betroffenen Gesellschafters auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung entgegen einer früheren richterlichen Anordnung eingezogen haben und die Gesellschaft dem betroffenen Gesellschafter kein Protokoll über die Gesellschafterversammlung übersandt und die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des betroffenen Gesellschafters heimlich zum Handelsregister eingereicht hat und im Nachgang jeden Kontaktversuch des betroffenen Gesellschafters ablehnt. In einem solchen Ausnahmefall ist der einstweilige Rechtsschutz nicht auf die Erhaltung des status quo beschränkt (Zuordnung eines Widerspruchs gegen die geänderte Gesellschafterliste und Verpflichtung zur Behandlung als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten), sondern umfasst auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Handelsregisters (Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste), um die Regelungssystematik des § 16 GmbHG wiederherzustellen.
Der Antragsteller war Gründer und ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH (Antragsgegnerin) und zuletzt mit 29 % an dieser beteiligt. Die Mehrheitsgesellschafterin, eine AG mit 51 %, kündigte im Dezember 2023 die Geschäftsbeziehungen zum Antragsteller und machte diesem ein Angebot zur Übernahme seiner Geschäftsanteile, was der Antragsteller ablehnte. Auf einer Gesellschafterversammlung im Februar 2024 beschlossen die Gesellschafter mehrheitlich, gegen die Stimme des Antragstellers, die Einziehung seiner Geschäftsanteile sowie die Bildung neuer Geschäftsanteile zur Zuordnung an die AG. Dagegen erwirkte der Antragsteller vor dem LG Münster eine einstweilige Verfügung, die der GmbH vorläufig untersagte, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, und diese verpflichtete, ihn weiter als Gesellschafter zu behandeln. Auf einer weiteren Gesellschafterversammlung der GmbH im Juni 2024 wurde erneut die Einziehung der Anteile des Antragstellers sowie die Bildung neuer Geschäftsanteile zur Zuordnung an die AG beschlossen, ohne dass der Antragsteller eingeladen wurde.
Die GmbH reichte am 7. Juni 2024 ohne Anhörung des Antragstellers eine geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister ein, was der Antragsteller erst am 12. Juni 2024 erfuhr. Er beantragte daraufhin, u.a. die Verpflichtung der GmbH im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die ursprüngliche Gesellschafterliste wieder zur Aufnahme in das Handelsregister einzureichen. Das LG Münster wies diesen Verfügungsantrag mit Beschluss vom 13.06.2024 ab. Zur Begründung führte das LG aus, dass der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis habe, weil er u.a. durch die Zuordnung eines Widerspruchs zum Handelsregister in einem Parallelverfahren ausreichend geschützt sei. Hiergegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde beim OLG ein.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Nach Auffassung des OLG Hamm kann der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz die Anordnung, eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, verfolgen.
Die Regelungssystematik des § 16 Abs. 3 GmbHG, die im Parallelverfahren erwirkte Zuordnung der Widersprüche gegen die geänderten Gesellschafterliste sowie die Stattgabe des Verfügungsantrags auf Behandlung des Antragstellers als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten böten vorliegend keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz, da die Antragsgegnerin die Mitgliedschaftsrechte des Antragstellers als Gesellschafter gezielt und heimlich unterlaufen habe.
Nach der Rechtsprechung des BGH könne nach einer Einziehung eines Geschäftsanteils im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste bei dem Registergericht untersagt werden. Dem Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil möglicherweise fehlerhaft eingezogen wurde, müsse ein effektives Mittel zur Verfügung stehen, um seine Entrechtung in der Gesellschaft während des anhängigen Rechtsstreits über die Einziehung abzuwenden bzw. seine umstrittene materielle Gesellschafterstellung bis zur endgültigen Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu bewahren.
Darüber hinaus könne der einstweilige Rechtsschutz ausnahmsweise auch die Verpflichtung zur Wiedereinreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste umfassen, wenn erkennbar sei, dass die Gesellschaft darauf abzielt, den präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln. Dies gelte insbesondere, wenn der betroffene Gesellschafter aufgrund fehlender Einladung oder Anhörung weder vom Einziehungsbeschluss noch von der Einreichung der geänderten Gesellschafterliste Kenntnis erlangen konnte. In einem solchen Fall sei es erforderlich, dass die Rechtsordnung dem betroffenen Gesellschafter vorläufig maximalen effektiven Rechtsschutz gewährt. Dieser beschränke sich nicht lediglich auf die Wahrung des status quo (durch Eintragung eines Widerspruchs gegen die geänderte Gesellschafterliste und Verpflichtung zur Behandlung als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten). Vielmehr umfasse der Rechtsschutz auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Berichtigung des Handelsregisters, indem die ursprüngliche Gesellschafterliste wieder eingereicht wird.
Einen solchen Fall nimmt das OLG Hamm vorliegend an, da die Antragsgegnerin heimlich vorgegangen sei, indem sie u.a. den Einziehungsbeschluss ohne ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung beschlossen, kein Protokoll der Gesellschafterversammlung übersandt sowie die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des betroffenen Gesellschafters zum Handelsregister eingereicht habe.
Abschließend führt der Senat aus, dass in Konstellationen wie der vorliegenden eine Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit (Verfügungsgrund i.S.d. § 940 ZPO) nicht schon aufgrund abstrakter Erwägungen angenommen werden könne, sondern im Einzelfall begründet werden müsse und nur in Betracht komme, wenn eine Existenzgefährdung oder die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts droht. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da die vom Antragsteller glaubhaft gemachte konkrete Gefahr einer Umgestaltung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter und die damit verbundene Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts drohe. Denn aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG blieben die von den übrigen Gesellschaftern gefassten Beschlüsse selbst dann rechtswirksam, wenn der Gesellschafter mit seiner Klage gegen den Einziehungsbeschluss obsiegt, sodass die verbleibenden Gesellschafter das Unternehmen nach ihrem Belieben umgestalten könnten.
Die gerichtliche Anordnung der zur Sicherung notwendigen Maßnahmen muss sich zwar im Rahmen des gestellten Antrags halten (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO), jedoch bestimmt das Gericht gem. § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen, welche einstweiligen Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Die vom OLG Hamm getroffene Anordnung, die ursprüngliche Gesellschafterliste wieder zur Aufnahme in das Handelsregister einzureichen, richtete sich ihrem Inhalt nach unmittelbar auf die (zumindest teilweise) Erfüllung des Hauptsacheanspruchs. Lediglich in Ausnahmefällen ist die Vorwegnahme der Hauptsache – vorliegend in Gestalt der Sicherung der prozessualen Rechtsstellung – zulässig. Solch einen Ausnahmefall wird man hier mit dem Senat bejahen können, weil die Gesellschaft eine vorangegangene einstweilige Verfügung offen missachtet hat, sodass die Anordnung vorläufigen „maximalen effektiven“ Rechtsschutzes geboten war.