10.10.2022
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
17.02.2022
V ZB 14/21
RNotZ 2022, 386
Die Antragstellerin und ihr Ehemann sind im Grundbuch je zur Hälfte als Miteigentümer eingetragen. Sie setzten sich mit notariellem Erbvertrag gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Dabei enthielt dieser folgende Klausel:
„Im Fall der Scheidung unserer Ehe wird der heutige Erbvertrag seinem gesamten Inhalt nach unwirksam. Das gleiche gilt für den Fall, dass beim Erbfall die Voraussetzungen für die Scheidung vorliegen und entweder der Erblasser oder dessen Ehegatte die Scheidung beantragt hatte.“
Die Antragstellerin beantragte nach dem Tod ihres Ehemanns unter Bezugnahme auf den dem Grundbuchamt vorliegenden Erbvertrag sowie die Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht ihre Eintragung als Alleineigentümerin. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung die Berichtigung des Grundbuchs von der Vorlage eines Erbscheins oder einer notariell beurkundeten eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin darüber abhängig gemacht, dass die Ehe vor dem Tod des Ehemanns nicht geschieden worden sei und bei dem Erbfall die Scheidungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten und/oder keiner der Eheleute einen Scheidungsantrag gestellt habe.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Der BGH gab der Beschwerde statt. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Vorlage des Erbvertrags und der Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht sei zum Nachweis der Erbfolge deshalb nicht ausreichend, weil der Erbvertrag eine Scheidungsklausel enthalte, die von der Regelung in § 2077 Abs. 1 BGB abweicht, sei rechtsfehlerhaft. Die Klausel weiche zwar von § 3077 Abs. 1 BGB ab, weil sie die Unwirksamkeit des Erbvertrags bei Scheitern der Ehe nicht nur davon abhängig macht, dass der verstorbene Ehegatte die Scheidung der Ehe beantragt oder ihr zugestimmt hat, sondern auch davon, dass der überlebende Ehegatte den Scheidungsantrag gestellt hat. Daraus folge aber nach Auffassung des BGH nicht, dass der Nachweis der Erbfolge des überlebenden Ehegatten nicht gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO durch den Erbvertrag und die Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts geführt werden könne. Diese Frage sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Der BGH schließt sich der überwiegenden Ansicht an, demnach das Grundbuchamt bei einer solchen Scheidungsklausel nur dann weitere Nachweise verlangen kann, wenn es – hoher Scheidungsquoten zum Trotz - konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein Scheidungsantrag beim Tod des Erblassers gestellt worden war.
Andernfalls liefe die Nachweiserleichterung des § 35 GBO bei Ehepartnern weitgehend leer. Es gebe auch keinen sachlichen Grund, davon bei einer Scheidungsklausel abzurücken, die die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung auch für den Fall des Scheidungsantrags des überlebenden Ehegatten vorsehe. Es handele sich zwar bei dem Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten um eine vom Erblasser gewollte auflösende Bedingung für die Wirksamkeit des Erbvertrags. Der Erblasser stelle den Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten dem seinigen aber lediglich gleich. Die Scheidungsklausel knüpfe, ebenso wie § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB, an die Stellung eines Scheidungsantrags an. Das gelte auch für eine Klausel, die für den Eintritt der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung den Scheidungsantrag eines der Ehegatten ausreichen lässt. Vergleichbar sei dies mit einem allgemeinen Unwirksamkeitsgrund, der jeder Verfügung von Todes wegen abstrakt anhaften kann, so z.B. Testierunfähigkeit, Bindung durch vorherigen Erbvertrag/vorheriges gemeinschaftliches Testament, Aufhebung, Anfechtung. Solange das Grundbuchamt keinen Anlass zu Zweifeln habe, müsse es von der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung ausgehen.
Der BGH unterscheidet somit zwischen einer Scheidungsklausel und der Verwirkungsklausel/Pflichtteilssanktionsklausel, bei der ein Nachweis der Erbfolge in Form des § 29 GBO notwendig zu führen ist.
Unerheblich sei es, ob der überlebende Ehegatte den Nachweis der Wirksamkeit leicht führen könne. Eine Entscheidung, ob die eidesstattliche Versicherung ein taugliches Mittel zum Nachweis der Erbfolge ist, blieb (wieder) aus.
Für die Gestaltung von (gemeinschaftlichen) Testamenten und Erbverträgen von Ehepartnern ist diese Entscheidung von großer Bedeutung, betrifft sie doch zwei entscheidende Punkte, die Scheidungsklausel und die Pflichtteilssanktionsklausel.
Betreffend die Scheidungsklausel ist nun der Streit über die Voraussetzungen des Erbfolgenachweises gemäß § 35 Abs. 1 GBO geklärt. Ein zeitaufwändiges und teures Erbscheinsverfahren bleibt Ehepartnern erspart.
Ein Erbnachweis durch Vorlage eines Erbscheins ist nun entbehrlich, wenn die letztwillige Verfügung in einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen nebst Eröffnungsprotokoll:
Die Aufnahme einer Nachteile vermeidenden Scheidungsklausel ist in der Praxis dringend anzuraten.
Interessant ist für die Praxis aber auch das obiter dictum am Ende der Entscheidung. Hier stellte der BGH fest, dass wieder nicht darüber zu entscheiden hat, ob die eidesstattliche Versicherung überhaupt ein taugliches Mittel zum Nachweis der Erbfolge ist. Zweifel daran hatte er schon in einem wenige Tage vorher ergangenen Beschluss geäußert.
Eine Entscheidung in nächster Zeit ist zu erwarten und zu erhoffen.
Ab sofort erscheint damit bei Verwendung einer Pflichtteilssanktionsklausel mit auflösend bedingter Erbenstellung des Pflichtteilsberechtigten eine eidesstattliche Versicherung nicht mehr als sicherer Nachweis, sondern nur noch die Vorlage eines Erbscheins (Litzenburger, FD-ErbR 2022, 448885).