OLG Brandenburg 7 W 66/23
Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Tod eines Gesellschafters – Gesellschaftsrecht, Erbrecht

20.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
02.01.2024
7 W 66/23
BeckRS 2024, 204

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 W 66/23

  1. Liegt ein nicht behebbarer Beschlussmangel vor, kann dessen Heilung nicht durch Zwischenverfügung des Registergerichtes verlangt werden. Vielmehr ist der Antrag, nach Hinweis auf den Beschlussmangel, zurückzuweisen.
  2. Bei Tod eines Gesellschafters, kann analog § 241 Nr. 1 AktG eine wirksame Beschlussfassung ohne Ladung des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Gesellschafters, nicht erfolgen.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 W 66/23

Zwei Gesellschafter waren zu 51 % bzw. 49 % an einer GmbH beteiligt, wobei der Mehrheitsgesellschafter auch der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer war. Dieser verstarb im März 2023. Die Erben sind nicht bekannt. In einer Gesellschafterversammlung am 04.05.2023 beschloss die überlebende Gesellschafterin unter Verzicht auf alle gesetzlichen und/oder satzungsrechtlich vorgeschriebenen Formen und Fristen der Einberufung, Ankündigung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung, dass sie zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von § 181 BGB bestellt wird. Mit Antrag vom selben Tag begehrt sie die Löschung des verstorbenen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers als solchen aus dem Handelsregister und anstelle dessen ihre Eintragung als Geschäftsführerin. Sie beruft sich in diesem Rahmen auf § 13 des Gesellschaftsvertrages, der die Folgen des Todes eines Gesellschafters regelt. Die Vorschrift lautet:

 „§ 13 Tod eines Gesellschafters

  1. Beim Tod eines Gesellschafters sind nur Mitgesellschafter nachfolgeberechtigt. Geht ein Geschäftsanteil auf eine nicht nachfolgeberechtigte Person über, ist er an eine nachfolgeberechtigte Person zu übertragen, wenn die Gesellschaft dies innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschaft ein Erbschein über die Erbfolge vorgelegt worden ist, verlangt.
    Das Verlangen ist an einen der im Erbschein ausgewiesenen Erben durch Einschreibebrief oder gegen schriftliches Empfangsbekenntnis zu richten. Die Frist ist durch die Aufgabe zur Post gewahrt.
  2. Die Übertragung hat innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen und muss auch innerhalb dieser Frist der Gesellschaft angezeigt werden. Für die Berechnung des Fristbeginns ist bei Übersendung des Abtretungsverlangens durch Einschreibebrief der Tag maßgeblich, an dem dieser zur Post aufgegeben wurde. Gleiches gilt für die Wahrung der Frist zur Anzeige der Übertragung, soweit die Aufgabe zur Post im Inland erfolgt.
  3. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist stellt die Gesellschaft mittels eingeschriebenen Briefes an die nicht nachfolgeberechtigten Erben fest, dass der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters gegen Entgelt eingezogen wird oder die entgeltliche Abtretung des Geschäftsanteils an sie oder an eine dritte Person zu erfolgen hat. Die Einziehungsverfügung regelt sich nach § 12 des Gesellschaftsvertrages.
  4. Bis zur Übertragung und Anzeige bei der Gesellschaft ruhen die Gesellschafterrechte mit Ausnahme des Gewinnbezugsrechts.“

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 W 66/23

Das Registergericht hat mit Zwischenverfügung vom 15.05.2023 (AG Neuruppin – HRB 9780 NP, BeckRS 2023, 039619) angeordnet, dass die GmbH eine Nachlasspflegschaft anregen und den Nachlasspfleger zur Versammlung zu laden habe. Dies gelte unabhängig davon, dass § 13 IV des Gesellschaftsvertrags das Ruhen der Gesellschafterrechte im Fall des Todes eines Gesellschafters vorsehe. Das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung sei – anders als das Stimmrecht – nicht entziehbar. Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich sowohl die GmbH als auch die überlebende Gesellschafterin. Die Beschwerde hatte Erfolg.

Die Beschwerde hat allein deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Entscheidung durch eine Zwischenverfügung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG nicht vorliegen. Der Umstand, dass in der Gesellschafterversammlung vom 04.05.2023 nicht wirksam über die Bestellung der Antragstellerin zu 2. als Geschäftsführerin beschlossen werden konnte, weil die Erben des verstorbenen Mitgesellschafters nicht zu der Versammlung geladen worden sind, ist nicht behebbar. Nach der Auffassung des Registergerichts ist vielmehr nach Bestellung eines Nachlasspflegers eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen und über die Bestellung eines Geschäftsführers in der dann wirksam einberufenen Gesellschafterversammlung zu beschließen. Die vom Registergericht aufgezeigten Mängel der Beschlussfassung vom 04.05.2023 sind danach nicht zu heilen, sondern bedürfen einer neuen Beschlussfassung und der erstmaligen Schaffung der einzutragenden Tatsachen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG § 382 Rn. 15). Das Registergericht hätte mithin auf die Mängel der Beschlussfassung hinweisen und den Antrag nach Anhörung der Antragstellerinnen zurückweisen müssen.

Gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog ist die Nichtladung eines Gesellschafters ein Einberufungsmangel, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Das Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen ist auch bei Ruhen der Gesellschafterrechte nicht entziehbar (Henssler/Strohn – Hillmann, Gesellschaftsrecht, § 51 Rn. 27; MüKoGmbHG-Liebscher, § 51 GmbHG Rn. 72). Denn auch für die zunächst kraft Erbfolge zur Rechtsnachfolge berufenen Gesellschafter ist von Interesse, welche Entscheidungen in der Gesellschaft bis zur endgültigen Klärung des Gesellschafterbestandes bzw. des Fortbestehens der Gesellschaft getroffen werden. Dabei ist beispielsweise denkbar, dass die Gesellschaft mit den Erben fortgeführt wird oder dass – entsprechend § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages für die Kündigung – die Gesellschaft in Liquidation tritt. § 13 des Gesellschaftsvertrages trifft hierzu entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Regelung. Daher ist die Unterrichtung und die Berechtigung zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen eklatant für die Erben, auch wenn das Abstimmungsrecht durch § 13 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages wirksam zum Ruhen gebracht wird.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 W 66/23

Die Bestellung einer Geschäftsführerin kann nicht ohne Ladung eines Vertreters der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung wirksam beschlossen werden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.01.2024 – 7 W 66/23, BeckRS 2024, 204, beck-online). Beschränkungen des Teilnahmerechts durch die Anordnung der gemeinsamen Vertretung mehrerer an einem Geschäftsanteil Berechtigter sind zwar zulässig, das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Teilnahmerecht ist aber unverzichtbar, soweit dem Gesellschafter die willensgetragene Wahrnehmung der Gesellschafterrechte insgesamt nicht mehr zugestanden wird (BGH, NJW-RR 1989, 347 = GmbHR 1989, 120 Rn. 5). Jedenfalls das Teilnahmerecht der Erben an Gesellschafterversammlungen bleibt somit erhalten, weshalb sie oder vor deren Ermittlung ein zu ihrer Vertretung berechtigter Nachlasspfleger stets zu Gesellschafterversammlungen zu laden sind. Ein vollständiger Entzug der Gesellschafterrechte ist daher auch im Todesfall eines Gesellschafters nicht möglich (Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2024, 144, beck-online).