OLG Frankfurt am Main 20 W 65/24
Bindungswirkung nach § 878 BGB bei Teilung in Wohnungs- und Teileigentum nach § 8 WEG

17.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt am Main
13.05.2024
20 W 65/24
BeckRS 2024, 18547

Leitsatz | OLG Frankfurt am Main 20 W 65/24

  1. § 878 BGB findet entsprechende Anwendung bei Eintritt eines öffentlich- rechtlichen Genehmigungserfordernisses in Folge des Inkrafttretens einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB, hier der UmwandlGV (Hessen), für die Aufteilung einer Immobilie in Wohnungs- bzw. Teileigentum nach § 8 WEG durch den Eigentümer.
  2. Bezieht sich die Teilungserklärung nach § 8 WEG auf zwei Grundstücke im Rechtssinne führt erst der Eingang der auf Verfügung des Rechtspflegers nachgereichten Vereinigungserklärung nach § 890 BGB bei dem Grundbuchamt zum Eintritt einer Bindungswirkung entsprechend § 878 BGB. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Teilungserklärung ist ausgeschlossen, weil der Antrag zu diesem Zeitpunkt auf einen nicht eintragungsfähigen Inhalt gerichtet war.

Sachverhalt | OLG Frankfurt am Main 20 W 65/24

Die Antragstellerin ist seit 06.11.2020 als Eigentümerin von zwei im Grundbuchblatt verzeichneten Flurstücken im Grundbuch eingetragen. Am 29.03.2022 reichte der bevollmächtigte Notar eine Teilungserklärung nach § 8 WEG bei dem Grundbuchamt ein, um das Eigentum in Miteigentumsanteile mit Sondereigentum an acht Wohnungen und einer Ladeneinheit zu teilen. Das Gebäude wurde auf den beiden genannten Flurstücken errichtet.

Der Antrag enthielt eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 14.02.2022, welche sich ausschließlich auf ein Flurstück bezog. Der Rechtspfleger teilte durch Verfügung vom 31.03.2022 mit, dass nach der Abgeschlossenheitsbescheinigung nur ein Flurstück geteilt werde, während aus der Teilungserklärung zwei Grundstücke als zu teilendes Grundstück ersichtlich seien. Nach Einreichung der berichtigten Fassung (Eingangsstempel vom 13.05.2022 und vom 16.05.2022) wurde die Vereinigung der Grundstücke am 24.05.2022 im Grundbuch eingetragen. 

Mit einer weiteren Verfügung verlangte der Rechtspfleger des Grundbuchamts zum Vollzug der Teilung die Vorlage einer „Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 250 Abs. 5 BauGB“. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren.

Entscheidung | OLG Frankfurt am Main 20 W 65/24

Dem Vollzug der Teilungserklärung stand zutreffend entgegen, dass die Antragstellerin die für die Eintragung erforderliche „Unbedenklichkeitsentscheidung“ nach § 250 Abs. 5 S. 1 BGB nicht erbracht hat.

Die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum durch Aufteilung nach § 8 WEG unterliegt dem Genehmigungserfordernis nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB. Durch diese Vorschrift wurde durch den Gesetzgeber für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zur Erhaltung von Mietraum die Bildung von Wohnungseigentum an Bestandsimmobilien unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gestellt. Hierbei sind die Landesregierungen ermächtigt, die betroffenen Gebiete durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wovon Hessen mit Verordnung vom 28.04.2022 Gebrauch gemacht hat. Die Genehmigungspflicht gilt hierbei ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Rechtsverordnung am 12.05.2022 und nicht (rückwirkend) bereits ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 250 BauGB. Nach § 3 Abs. 1 UmwandlGV unterliegen daher Wohngebäude, die bereits am 12.05.2022 bestanden haben, dem Genehmigungserfordernis des § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB.

Die Vorschrift des § 250 BauGB steht nach § 878 BGB der Wahrung der Teilungserklärung im Grundbuch ohne Vorlage einer Genehmigung nur dann entgegen, wenn diese bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bestanden hat. Ist das Genehmigungserfordernis erst nach Antragstellung und noch vor Eintragung einer Aufteilung in Kraft getreten, so ist es hingegen unbeachtlich. Nach § 878 BGB bleibt eine vom Berechtigten nach den §§ 873, 875, 877 BGB abgegebene Erklärung auch dann wirksam, wenn der Berechtigte erst nach Abgabe der bindenden Erklärung und nach dem Stellen des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt in seiner Verfügungsbefugnis eingeschränkt wird. Dadurch sollen die Beteiligten eines Grundstücksgeschäfts davor geschützt werden, dass während des (langen) Verfahrens vor dem Grundbuchamt, auf dessen Dauer sie keinen Einfluss haben, eintretende Beschränkungen der Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers dazu führen, dass das Geschäft noch scheitert. Ohne die Regelung des § 878 BGB würde es bei Immobiliengeschäften letztlich vom Zufall abhängen, ob die Übertragung bzw. Änderung des Rechts zustande kämen.

Die Teilungserklärung nach § 8 WEG wird hierbei zwar nicht ausdrücklich in § 878 BGB genannt, da sie weder auf Übertragung des Eigentums noch auf die Aufhebung oder Änderung eines Rechts an einem Grundstück gerichtet ist. Jedoch ist aufgrund der vergleichbaren Interessenlage nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 12.10.2016 – V ZB 198/15 und vom 01.12.2016 – V ZB 200/15) der Anwendungsbereich des § 878 BGB entsprechend auch für die Erklärung nach § 8 WEG eröffnet, da nach dem allgemeinen Rechtsgedanken der Vorschrift auch Eigenverfügungen des Berechtigten erfasst sein sollen. Dies zeigt sich beispielsweise an § 1196 Abs. 2 Hs. 2 BGB, wonach § 878 BGB für die Bestellung einer Eigentümergrundschuld durch einseitige Erklärung des Eigentümers ausdrücklich Anwendung findet. § 878 BGB dient demnach nicht nur dem Schutz des Verfügungsempfängers, sondern auch der Verwirklichung des nach Art. 14 GG geschützten Gestaltungswillens des Eigentümers, welcher auch bei einseitigen Verfügungen wie § 8 WEG besteht.

Das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren nach § 250 Abs. 1 S. 1 stellt eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers nach § 878 BGB dar, da hierunter jede außerhalb des Grundbuchs entstehende Beeinträchtigung der Verfügungsbefugnis fällt. Auch das Genehmigungserfordernis des § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB für die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum stellt eine Verfügungsbeschränkung nach § 878 BGB dar. § 250 BauGB wurde als spezielle Vorschrift nach dem Vorbild von § 172 Abs. 1 S. 2 BauGB konzipiert, sodass sich die beiden Vorschriften in ihrer maßgeblichen Qualität nicht voneinander unterscheiden. Dass hierbei die Rechtsfolgen bei einer Nichtbeachtung unterschiedlich sind, ändert nichts an der vorliegend allein erheblichen Beschränkung der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.

Als maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung ist somit derjenige des Eingangs des Vereinigungsantrags bei dem Grundbuchamt und nicht der Eingang des Antrags auf Wahrung der Teilungserklärung anzusehen, da die Teilungserklärung vorher keinen eintragungsfähigen Inhalt hatte. Wie sich aus § 1 Abs. 4 WEG ergibt, kann die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum nicht in der Weise erfolgen, dass das Sondereigentum mit mehreren Grundstücken verbunden wird. Hierzu müssen die bislang rechtlich selbständigen Grundstücke zuvor zu einem Grundstück im Rechtssinne zusammengeführt werden. Die Antragstellerin hat jedoch erst auf die Verfügung des Grundbuchamts vom 31.03.2022 mit der am 13.05.2022 eingegangenen Erklärung die Vereinigung der beiden Grundstücke beantragt. Der anfängliche Mangel konnte nicht mehr rückwirkend mit rangwahrender Wirkung beseitigt werden, sodass der Antrag erst mit der Beseitigung des Hindernisses und damit nach Inkrafttreten des Genehmigungserfordernisses des § 250 BauGB als neu gestellt gilt.

Praxishinweis | OLG Frankfurt am Main 20 W 65/24

Die Rechtsprechung des BGH entspricht inzwischen auch der ganz herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei BGH, Beschluss vom 12.10.2016 – V ZB 198/15 Rn. 11; KG Berlin, Beschlüsse vom 04.05.2017 – 1 W 173/17 und vom 24.11.2021 – 1 W 347/21; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rn. 2846). Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich von § 878 BGB in Bezug auf eine Genehmigung nach § 250 Abs. 5, Abs. 1 S. 1 BauGB sowie zu Auswirkungen einer nach Eintritt der Genehmigungspflicht erfolgten Nachbesserung eines Antrags liegt noch nicht vor (BeckRS 2024, 18547). Die Frage, ob eine Anwendung von § 878 BGB auch bei zunächst unvollständigen Teilungserklärungen nach § 8 Abs. 1 WEG in Betracht kommt, ist derzeit Gegenstand mehrerer Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2023 – V ZB 66/23).