BGH V ZR 41/23
Lastenfreistellung bei Grundstücksverkäufen

14.02.2025

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
20.12.2024
V ZR 41/23
BeckRS 2024, 39696

Leitsatz | BGH V ZR 41/23

  1. Hängt die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), müssen die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, genügt es nicht, wenn der Verkäufer zwar alles tut, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibt.
  2. Muss der Verkäufer eines Grundstücks die Lastenfreistellung sicherstellen, hat er es nicht zu vertreten, wenn die Löschungsunterlagen (hier: Grundschuldbrief) infolge eines Verschuldens des zur Löschung verpflichteten Grundpfandgläubigers nicht vorgelegt werden können. Der Grundpfandgläubiger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.

Sachverhalt | BGH V ZR 41/23

Der Beklagte zu 1 verkaufte 12.08.2019 mehrere Wohnungs- und Teileigentumseinheiten an die Klägerin zu einem Kaufpreis von 2,1 Millionen Euro. Zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags war eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 im Grundbuch eingetragen, die die Klägerin nicht übernehmen sollte. Der Kaufvertrag regelte, dass die Fälligkeit des Kaufpreises unter anderem davon abhing, dass der Notar eine Mitteilung über die „Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten“ abgab. Bei Fälligkeit des Kaufpreises waren die nicht übernommenen Lasten abzulösen. Mit der Einholung der Löschungsunterlagen und Herbeiführung der Löschung wurde sodann der Notar beauftragt.

Nach Abschluss des Vertrags stellte sich heraus, dass der Grundschuldbrief bei der Beklagten zu 2 nicht mehr auffindbar war. Die Beklagte zu 2 leitete daraufhin ein Aufgebotsverfahren ein, um den Grundschuldbrief für kraftlos erklären zu lassen. Die Klägerin setzte dem Beklagten zu 1 mit Brief vom 13. Februar 2020 eine Frist zur „lastenfreien Auflassung“ bis zum 27. Februar 2020. Mit seit dem 15. September 2020 rechtskräftigem Ausschließungsbeschluss wurde der Grundschuldbrief für kraftlos erklärt. Der Beklagte zu 1 trat seine Kaufpreisforderung aus dem notariellen Vertrag an die Beklagte zu 2 ab und zeigte dies der Klägerin an. Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten zu 2 die Aufrechnung gegen die Kaufpreisforderung mit Schadensersatzansprüchen in Höhe von 839.199,65 Euro, davon 700.000 € entgangener Gewinn. Sie behauptete, aufgrund der Verzögerung sei ein geplanter Weiterverkauf der Einheiten für 2,8 Millionen Euro im März 2020 gescheitert. Den Kaufpreis von 2,1 Millionen Euro zahlte sie schließlich unter Vorbehalt der Rückforderung an die Beklagte zu 2 (woraufhin die Auflassung erfolgte) und verlangte im Wege der Klage die Rückzahlung des aufgerechneten Betrags von der Beklagten zu 2 sowie weiteren Verzögerungsschaden vom Beklagten zu 1 in Höhe von 9.396,91 €.

Das Landgericht wies die Klage ab, auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Klägerin legte daraufhin Revision beim BGH ein.
 

Entscheidung | BGH V ZR 41/23

Der BGH wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Beklagte zu 1 sei zwar verpflichtet gewesen, die Lastenfreistellung sicherzustellen. Jedoch habe vorliegend die Pflicht zur Lastenfreistellung die Fälligkeit des Kaufpreises vorausgesetzt, die wiederum den Zugang der genannten Mitteilung des Notars vorausgesetzt habe, woran es hier infolge der Unauffindbarkeit des Grundschuldbriefs gefehlt habe, die Pflicht zur Lastenfreistellung sei also (noch) nicht fällig gewesen. 

Der Beklagte zu 1 habe aber nicht rechtzeitig seine weitere Pflicht erfüllt, für die Sicherstellung der Löschung nicht übernommener Lasten in Gestalt der Grundschuld zu sorgen. Da es sich aus Sicht des BGH bei der Pflicht des Verkäufers zur Sicherstellung der Löschung nicht übernommener Lasten in der vorliegenden Konstellation um eine erfolgsbezogene Pflicht handele, reiche es nicht aus, dass der Beklagte zu 1 alles Erforderliche unternommen habe, um die die Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. Vielmehr hätte er auch dafür sorgen müssen, dass die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt würden, woran es vorliegend fehlte. Mangels vertraglicher Regelung sei die Vorlage zudem spätestens nach Ablauf von zwei Monaten fällig gewesen. Tatsächlich ist der für die Löschung der Grundschuld erforderliche Ausschließungsbeschluss erst nach über einem Jahr nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages und damit verspätet vorgelegt worden. 

Dennoch hafte der Beklagte zu 1 nicht für die Verzögerung nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB, die durch das Abhandenkommen des Grundschuldbriefs bei der Beklagten zu 2 verursacht wurde. Grund hierfür sei, dass ihm hinsichtlich der Verzögerung der Leistung bereits kein eigenes Verschulden (vgl. § 286 Abs. 4 BGB) vorzuwerfen sei. Da die Grundschuld nicht mehr valutierte, habe der Beklagte zu 1 von der Beklagten zu 2 die Löschung verlangen können. Da er bereits mit dem notariellen Vertragsschluss den Notar mit der Einholung der erforderlichen Unterlagen beauftragt hatte, habe er (zur Durchsetzung des Anspruchs) bereits alles seinerseits Erforderliche getan. Als sich zeitnah das Fehlen des Grundschuldbriefs herausstellte, wurde umgehend das erforderliche Aufgebotsverfahren eingeleitet, sodass der Beklagte zu 1 die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten habe. 

Der BGH stellte zudem klar, dass die Beklagte zu 2 als zur Löschung verpflichtete Grundpfandgläubigerin nicht Erfüllungsgehilfin des Beklagten zu 1 im Sinne des § 278 BGB gewesen sei und der Beklagten zu 1 deshalb ein etwaiges Verschulden der Beklagten zu 2 bei Herausgabe der Löschungsunterlagen nicht zu vertreten habe. Ein Grundschuldgläubiger sei nicht bereits deshalb Erfüllungsgehilfe des Verkäufers eines Grundstücks, weil dieser die erfolgreiche Lastenfreistellung schulde und auf dessen Mitwirkung angewiesen sei. Entscheidend sei, ob der Käufer vom Verkäufer selbst die erforderlichen Unterlagen verlangen könnte und ob das Handeln des Grundschuldgläubigers in den Pflichtenkreis des Verkäufers fällt, was hier nicht der Fall gewesen sei. Der Verkäufer sei zwar für die geschuldete Lastenfreistellung auf den Grundschuldinhaber angewiesen. Dessen Mitwirkungshandlung falle aber nicht in das vertraglich geschuldete Gesamtverhalten des Verkäufers. Die für die Löschung der Grundschuld erforderlichen Unterlagen könne von vornherein nur der Grundschuldgläubiger zur Verfügung stellen, nicht jedoch der Verkäufer. Der Grundgedanke des § 278 BGB, dass der Schuldner, der den Vorteil der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nimmt, auch deren Nachteile tragen solle, greife deshalb nicht. Eine Zurechnung nach § 278 BGB würde die Haftung des Verkäufers unangemessen ausweiten. Der Käufer habe jedoch weiterhin das Recht, bei Verzögerungen oder dem Ausbleiben der Lastenfreistellung vom Vertrag zurückzutreten. Mangels (zurechenbarer) Pflichtverletzung entfiel ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1, sodass auch die erklärte Aufrechnung gegen die Beklagte zu 2 ins Leere ging. Ein Rückzahlungsanspruch aus Bereicherungsrecht bestand folglich nicht.

Praxishinweis | BGH V ZR 41/23

Das Urteil des BGH verdeutlicht die weitreichenden Folgen der erfolgsbezogenen Pflicht zur Sicherstellung der Lastenfreistellung im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags. Verkäufer sollten sich bewusst sein, dass sie nicht nur verpflichtet sind, die erforderlichen Löschungsunterlagen einzuholen, sondern auch sicherzustellen, dass diese in angemessener Frist beim Notar vorliegen. Gleichzeitig stellt der BGH klar, dass Verkäufer nicht für Verzögerungen haften, die durch das Verschulden eines Grundpfandgläubigers entstehen, da dieser nicht als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB anzusehen ist. Käufer sollten vor Vertragsabschluss genau prüfen, ob noch eingetragene Belastungen bestehen und sich vertraglich absichern, insbesondere für den Fall, dass die Löschung einer Briefgrundschuld von einem langwierigen Aufgebotsverfahren abhängig ist. In solchen Fällen kann eine ausdrückliche Regelung im Kaufvertrag über die zeitliche Erwartung der Lastenfreistellung sinnvoll sein, um Unsicherheiten und spätere Streitigkeiten zu vermeiden.