22.11.2013
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
07.06.2013
V ZR 10/12
ZIP 2013, 2108
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen das Angebot des anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit angenommen werden kann, sind auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn das Angebot nicht bindend, sondern widerruflich ist.
Das notarielle Angebot vom 30. Mai 2005 des Käufers auf Abschluss eines Kaufvertrages enthielt zunächst die Bindung des Klägers an das Angebot bis 30.06.2005 sowie die Regelung: „Nach Ablauf der Frist erlischt lediglich die Bindung an das Angebot, nicht jedoch das Angebot selbst, das dann in stets widerruflicher Weise fortbesteht. Zur Wirksamkeit der Annahme genügt deren Erklärung zu notariellem Protokoll, ohne dass es des Zugangs der Annahmeerklärung beim Anbietenden bedarf.“ Das Angebot wurde am 12.07.2005 angenommen. Der Kaufpreis wurde gezahlt. Die Eigentumsumschreibung ist erfolgt. Der Kläger verlangt Rückzahlung des Kaufpreises und beruft sich darauf, dass ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen sei, da das Angebot bei Annahme bereits erloschen war.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die widerrufliche Fortgeltung des Angebots nach Ablauf der Bindungsfrist unwirksam ist, wenn es sich bei der Vereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, da die Klausel gegen § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB verstößt. Danach ist eine AGB-Bestimmung unwirksam, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots vorbehält. Ferner stellt der BGH fest, dass im vorliegenden Fall ein ersatzloses Streichen der unwirksamen Klausel möglich ist, da daraus keine für die Vertragsbeteiligten unangemessene Regelung entsteht. Er lässt offen, ob eine Befristung der widerruflichen Fortgeltung des Angebots zulässig wäre. Nach ersatzloser Streichung der Fortgeltungsklausel lag also bei Erklärung der Annahme kein wirksames Angebot mehr vor. Die Annahme ist damit gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot zu betrachten. Eine Annahme dieses Angebots des Verkäufers durch den Käufer ist nach Ansicht des BGH nicht ersichtlich, auch nicht in der Kaufpreiszahlung oder Besitzübernahme, da der Käufer bereits von einem wirksamen Vertrag ausgegangen war und keine zum Vertragsabschluss führenden Erklärungen mehr abgeben wollte.
Bei Annahmeerklärungen, die nach Ablauf der zulässigen Frist erfolgen, ist eine Bestätigung des Käufers/Anbietenden einzuholen, damit das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages gewährleistet werden kann. Der BGH hat zwar offen gelassen, ob eine Befristung einer solchen Fortgeltungsklausel zulässig wäre, die zum Erlöschen des Schwebezustands führt. Er gibt jedoch zu bedenken, dass das Gesetz von dem Grundgedanken ausgeht, dass eine verspätete Annahme wie ein neues Angebot zu behandeln ist (§ 150 Abs. 1 BGB) und damit der ursprüngliche Anbietende entscheiden können soll, ob der Vertrag zu Stande komme. Bei Befristung der Fortgeltungsklausel hätte entgegen dieser gesetzlichen Regelung der Unternehmer und Verwender der AGB das „letzte Wort“ über das Zustandekommen des Vertrages. Danach ist von der Vereinbarung einer Fortgeltungsklausel abzuraten. Eine Verlängerung der Bindungsfrist kommt nach dem BGH (Urt. v. 11.06.2010, V ZR 85/09) dann in Betracht, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Verwenders dies rechtfertigt. Ungeklärt ist jedoch insoweit, wann ein solches Interesse vorliegt. Eine Prüfung der Bonität des Käufers sowie die Herstellung der Erfüllungsfähigkeit seitens des Verkäufers (vorliegend: Anlegung der Wohnungsgrundbücher und Freistellung von Grundpfandrechten) rechtfertigt nicht eine Verlängerung der Frist (BGH, Urt. v. 11.06.2010). Ob das Platzierungsinteresse des Bauträgers ein solches schutzwürdiges Interesse darstellt, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden. Von der herrschenden Literatur werden in Bezug auf die generelle Schutzwürdigkeit des Erwerbers noch weitere Lösungsmöglichkeiten diskutiert:
(1) Vertrag mit Rücktrittsrecht
Durch die Kombination des Kaufvertrags mit einem beiderseitigen Rücktrittsrecht des Veräußerers könnten die grundsätzliche Schutzwürdigkeit der Parteien ausreichend sichergestellt werden. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts des Verwenders muss sich an § 308 Nr. 3 BGB messen lassen. Anders als beim Vertragsschluss im Angebot-Annahme-Modell, der rechtskonstruktiv ohne jeden sachlichen Grund zulässig ist, bedarf es hiernach eines sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grundes für das Rücktrittsrecht des Verwenders. Rücktrittsgründen, die der Unternehmer erwirken kann, fehlt grundsätzlich die sachliche Rechtfertigung. Erweist sich ein Rücktrittsvorbehalt als nicht mit § 308 Nr. 3 BGB vereinbar, ist er regelmäßig unwirksam, im Einzelfall kann sich durch die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung anderes ergeben. So könnte bspw. vereinbart werden, dass bei einem unvollständigen Abverkauf bis zu einem bestimmten Datum (maximal 6 Wochen nach Beurkundung) ein Rücktrittsrecht für beide Seiten eintritt. Dieses Rücktrittsrecht kann dann auf drei bis vier Monate beschränkt werden oder mit Nachweis des Abverkaufs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehoben werden.
(2) Bedingter Vertrag
Alternativ kann ein Abschluss eines Angebotsvertrags, Optionsvertrags oder eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags erwogen werden. Über die Dauer des Schwebezeitraums ist auschlaggebend ob der Bedingungseintritt vom Einfluss des Klauselverwenders abhängt oder nicht. Falls der Bedingungseintritt alleinig vom Klauselverwender abhängig ist, sog. Potestativbedingung, liegt dem Grunde nach kein anderes Ergebnis vor als bei einem normalen Angebot-Annahme-Vertrag, somit wäre ein längerer Schwebezustand als vier Wochen gemäß §§ 308 Nr.1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig. Liegt der Bedingungseintritt komplett außerhalb des Einflussbereichs des Klauselverwenders, ist die Dispositionsfreiheit beider Parteien zu gleichen Teilen eingeschränkt. Es scheint als wären auf diesen Fall die strengen Grundsätze des BGH nicht anzuwenden , da es sich für beide Seiten um ein Risikogeschäft handelt. Eine deutlich längere Bindungsfrist als vier Wochen erscheint hier möglich. Bei Zwischenpositionen muss im Einzelfall entschieden werden inwieweit der Klauselverwender auf den Bedingungseintritt Einfluss nehmen konnte.
(3) Handeln des vollmachtlosen Vertreters
Ebenfalls kann auf den in §177 f. BGB normierten Vertragsschluss mit dem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgestellt werden. Regelmäßig wird dies auf Veräußererseite geschehen, da der Erwerber im Normalfall kein Interesse an einer Verzögerung des Eigentumserwerbs haben dürfte. Üblicherweise ist bei größeren Unternehmen dies ein Angestellter der beim Beurkundungstermin zugegen ist um Fragen zu beantworten etc. und dann als Vertreter ohne Vertretungsmacht zu handeln. Die Wirksamkeit des Kaufvertrags hängt nun vom Willen des Vertretenen ab, der zeitlich unbefristet seine Genehmigung erteilen oder verweigern kann. Der Vertragspartner ist in dieser Zeit nicht zum Widerruf seiner Willenserklärung berechtigt. Die einzige Möglichkeit den Schwebezustand seitens des Erwerbers zu beenden, ist den Vertretenen zu einer Erklärung über die Genehmigung aufzufordern. Die Frist zur endgültigen Stellungnahme des Vertretenen ist §177 Abs. 2 S.2 BGB nach Zugang.