BFH II R 38/15
Befreiung von der Grunderwerbsteuerpflicht bei elterlich angeordnetem Grundstückserwerb unter Geschwistern

18.11.2019

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
07.11.2018
II R 38/15
BeckRS 2018, 39796

Leitsatz | BFH II R 38/15

  1. Die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat, kann – ebenso wie die Verpflichtung hierzu – aufgrund einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb im Grunde als abgekürzter Übertragungsweg darstellt.
  2. Die Steuerfreiheit des Grundstückserwerbs kann sich aus der mehrfachen Anwendung derselben grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift für die unterbliebenen Zwischenerwerbe ergeben.

Sachverhalt | BFH II R 38/15

Der Kläger und dessen Schwester waren jeweils hälftig Eigentümer eines Grundstücks, welches ihnen seitens der Mutter unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts übertragen wurde.

Ein weiteres Grundstück übertrug die Mutter der Schwester mit notariellem Vertrag ebenfalls unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs sowie unter der Auflage der unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils am ersten Grundstück auf den Kläger. Dieser muss sich den Erwerb nach dem Tode der Mutter auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen.

Daraufhin setzte das Finanzamt, gegen welches sich im Folgenden die Klage richtete, einen Grunderwerbssteuerbetrag anhand des hälftigen Verkehrswerts des Grundstücks fest. Zur Begründung führte es an, es handele sich bei dem Erwerb des Miteigentumsanteils durch den Kläger wegen der damit verbundenen Übernahme der Belastung des Nießbrauchrechts um eine Schenkung unter einer Auflage, die daher nicht unter die steuerlichen Befreiungsvorschriften fällt.

Entscheidung | BFH II R 38/15

Der BFH hat mit seiner Entscheidung die Auffassung der Vorinstanzen bestätigt, wonach sich aus einer Zusammenschau grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungsvorschriften eine steuerliche Entlastung des Klägers ergebe.

Nach § 3 Nr. 2 GrEStG sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden von der Steuerpflicht ausgenommen, jedoch nicht hinsichtlich des Werts einer damit verbundenen Auflage. Die Befreiungsvorschrift würde jedoch voraussetzen, dass sich der Erwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht, das heißt hier zwischen Mutter und Tochter.

Der angegriffene Steuerbescheid bezog sich jedoch auf den Kläger, der aufgrund einer von der Mutter veranlassten Schenkung vollständig Eigentum am ersten Grundstück erwerben konnte. Somit unterfällt dies nicht der Befreiungsvorschrift.

Darüber hinaus ermöglicht § 3 Nr. 6 GrEStG eine Steuerbefreiung beim Erwerb zwischen Verwandten in gerader Linie. Doch auch daraus ergibt sich vorliegend kein direkter Befreiungsanspruch des Klägers, der von seiner Schwester und damit von einer Verwandten in der Seitenlinie erwerben konnte.

Eine steuerliche Entlastung des Klägers könne sich jedoch aus einer Gesamtschau dieser beiden Befreiungstatbestände ergeben. Dies rechtfertige sich mit dem Sinn und Zweck der Vorschriften, wonach eine Befreiung ebenfalls anzuerkennen sei, wenn sich der tatsächlich durchgeführte Erwerb – hier zwischen dem Kläger und dessen Schwester – lediglich als abgekürzter Übertragungsweg darstellt, um die ansonsten nötigen Zwischenerwerbe – von der Schwester auf die Mutter und im Folgenden von der Mutter auf den Kläger – zu vermeiden. Diese Zwischenakte würden sich jeweils als befreiungsberechtigte Erwerbstatbestände darstellen.

Die daneben stehende Befreiungsmöglichkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG, die wegen der in Abzug zu bringenden Belastung weniger weit reicht, hindere die Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG nicht.

Schranken hinsichtlich einer Übertragung der Befreiungsvorschriften ergeben sich insbesondere dann, wenn lediglich an einen fiktiven Sachverhalt angeknüpft und damit eine Befreiung über den Sinn und Zweck der Vorschriften hinaus gewährt würde.

Der vorliegende Erwerb von der Schwester auf den Kläger, welcher von der Mutter als Schenkende veranlasst wurde, stelle sich jedoch als real verwirklichter Sachverhalt dar.

Grunderwerbsteuerrechtlich liege eine zu privilegierende Übertragung vor, da Erwerbe zwischen Eltern und Kindern grundsätzlich befreiungsberechtigt seien. Die hier gegebene Übertragung zwischen den Geschwistern stehe dem gleich, da sie auf dem Willen des schenkenden Elternteils beruhe.

Dennoch sei eine derartige Ausweitung des Befreiungstatbestandes nur dann legitim, wenn für den tatsächlich gewählten Übertragungsweg ein beachtlicher Grund gegeben sei, der über das bloße Ziel der Steuerersparnis hinausgehe.

Dieser könne hier darin gesehen werden, dass der die Schenkung veranlassende Elternteil im Rahmen der beabsichtigten Neugestaltung der vorweggenommenen Erbfolge gegenüber dem erwerbenden Kläger auch als Schenker wahrgenommen werden möchte, was durch die beabsichtigte Anrechnung des Erwerbs auf den Pflichtteilsanspruch umgesetzt wurde. Damit liege der ursprüngliche Grund für die Übertragung nicht allein in dem Verhältnis der Geschwister zueinander.

Praxishinweis | BFH II R 38/15

Durch die höchstrichterliche Entscheidung konnte nun geklärt werden, dass im Falle einer Neuregelung der vorweggenommenen Erbfolge durch den Notar eine direkte Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern ohne steuerliche Nachteile gewählt werden kann, selbst wenn im Rahmen dessen die Übernahme einer Belastung wie der eines Nießbrauchrechts der Eltern erfolgt.

Dennoch ergeben sich dadurch für Grundstücksübertragungen innerhalb familiärer Beziehungen Risiken, die nur mit der richtigen Vertragsgestaltung umgangen werden können.