29.10.2018
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
26.09.2018
VIII ZR 187/17
juris
1. Zur Mängelgewährleistung beim Rechtskauf nach § 453 BGB (hier: Kauf von Gesellschaftsanteilen).
2. Bei einem Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH, der als solcher ein Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist, sind im Fall von Mängeln des von der GmbH betriebenen Unternehmens die Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB anzuwenden, wenn Gegenstand des Kaufvertrags der Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile an dem Unternehmen ist und sich der Anteilskauf damit sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst und damit als Sachkauf darstellt (Fortführung von BGH, Urt. v. 27.02.1970 - I ZR 103/68, WM 1970, 819 unter II; v. 12.11.1975 - VIII ZR 142/74, BGHZ 65, 246, 248 f., 251; v. 24.11.1982 - VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367, 370; v. 25.03.1998 - VIII ZR 185/96, BGHZ 138, 195, 204 und v. 04.04.2001 - VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163 unter II 1; jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF).
3. Ein solcher Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile an dem Unternehmen liegt nicht vor, wenn ein Käufer, der bereits 50 % der Mitgliedschaftsrechte an einer GmbH hält, weitere 50 % der Geschäftsanteile dieser Gesellschaft hinzuerwirbt.
4. Zur Störung der Geschäftsgrundlage, wenn bei einem Anteilskauf beide Vertragsparteien irrtümlich von einer Solvenz der Gesellschaft ausgehen.
Kläger und Beklagter waren zu je 50% an einer GmbH beteiligt. Mit notariellem Kaufvertrag verkaufte der Beklagte dem Kläger seine Gesellschaftsanteile. Dem vereinbarten Kaufpreis lag ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zugrunde. Im Kaufvertrag wurden einige Garantieabreden getroffen (u.a. rechtswirksame Bestehen der Geschäftsanteile, keine Belastungen mit Rechten Dritter, hälftige Einzahlung der Einlagen). Ansonsten wurden die gesetzlichen Gewährleistungsrechte (soweit zulässig) ausgeschlossen. Nach Vertragsschluss ergab ein neues Gutachten, dass die GmbH tatsächlich ein erhebliches Defizit ausweise und überschuldet sei. Als Grundlage des ersten Gutachtens seien von beiden Parteien irrtümlich wohl falsche Unternehmenszahlen herangezogen wurden.
Der Kläger verlangte deshalb vom Beklagten Rückerstattung des Kaufpreises wegen Störung der Geschäftsgrundlage und hilfsweise aus Gewährleistungsrecht.
Das Landgericht wies die Klage ab und auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass hier ein Unternehmenskauf vorliege und somit die §§ 434 ff. BGB ausschließlich (nicht der § 313 BGB) anzuwenden wären. Im Vertrag sei die Haftung bis auf die gegebenen Garantien ausgeschlossen wurden.
Der BGH hob das berufungsgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zurück. Zutreffend sei zwar, dass Ansprüche aus Störung der Geschäftsgrundlage ausscheiden, wenn der Anwendungsbereich der §§ 434 ff. BGB eröffnet sei, allerdings führe die Überschuldung nicht zu solchen Mängelansprüchen im vorliegenden Fall.
Zum einen sei der Anteilsverkauf kein Unternehmenskauf. Bei einem solche werden nämlich, obwohl nur ein Rechtskauf vorliege, die Vorschriften über die Sachmängelhaftung herangezogen. Dafür müsse der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile erwerben und sich der Erwerb sowohl nach Vorstellung der Parteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtung als Kauf des Unternehmens selbst darstellen. Maßgeblich sei allein der Kaufgegenstand, der hier lediglich die Geschäftsanteile waren. Irrelevant sei, ob der Kläger nun Alleingesellschafter sei. Diese Auslegung sei auch kein leerer Formalismus, denn bei einem Anteilserwerb werde gerade kein unmittelbares Recht an dem betriebenen Unternehmen erworben. Der Käufer erhalte lediglich Gesellschafterbefugnisse, durch die er mittelbar auf das Unternehmen einwirken könne. Bei juristischen Personen entspreche dies dem Grundsatz der vermögensrechtlichen Verselbstständigung.
Die Sachmängelhaftung gelte auch nicht, sowie das teilweise in der Literatur seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes angenommen wird, für den Rechtskauf. Für den Rechtskauf gelte, dass nur eine Gewährleistung für den Bestand des Rechts (Verität) und nicht für dessen Bonität durch den Verkäufer geschuldet sei. Etwas anderes ergebe sich insoweit auch nicht aus § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Diese Auslegung ergebe sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Gesetzesmaterialien. Auch die Gesetzessystematik spreche dagegen, denn die Ausnahmeregelung in § 453 Abs. 3 BGB wäre ansonsten überflüssig. Zudem bestehe keine zwingende Notwendigkeit für die Anwendung der Sachmängelhaftung. Die Parteien hätten zum einen die Möglichkeit im Kaufvertrag entsprechende Garantievereinbarungen zu treffen, zum anderen komme eine Haftung des Verkäufers bei Vertretenmüssen aus c.i.c. oder eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.
Zuletzt sei die Überschuldung kein Rechtsmangel der erworbenen Gesellschaftsanteile. Diese seien weder mit Rechten Dritter belastet, noch entsprechen sie nicht der vorausgesetzten oder üblichen Beschaffenheit. Die vom Kläger behauptete konkludente Beschaffenheitsvereinbarung der Solvenz der GmbH beziehe sich nicht auf die Gesellschaftsanteile sondern auf das Unternehmen als solches, dass aber eben nicht Kaufgegenstand gewesen sei. Teilweise werde zwar vertreten, dass die Überschuldung des Unternehmens auch ein Rechtsmangel der erworbenen Anteile darstelle, da sie in ihrem Bestand gefährdet seien. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass auch bei Überschuldung oder in der Insolvenz die Anteile selbst und die Stimmrechte und Gewinnansprüche fortbestehen. Eine mögliche zukünftige Gefährdung wegen einer etwaigen Auflösung reiche für die Annahme eines Rechtsmangels schon aus Rechtssicherheitsaspekten nicht aus.
Diese Entscheidung ist äußerst praxisrelevant. Bei einem Gesellschaftsanteilsverkauf muss nicht nur darauf geachtet werden, wie viele Anteile veräußert werden, sondern auch ob ein Unternehmenskauf als solcher gewollt ist. Außerdem ist zu empfehlen, explizite Garantien (wie bspw. für die Bonität des Unternehmens), sofern dies gewünscht ist, in den Vertrag aufzunehmen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.