04.03.2022
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
OLG Jena
17.02.2021
2 W 31/21
notar 2021, 367
Abgrenzung zwischen der Änderung und Aufhebung eines Unternehmensvertrages [ PDF ]
Die einvernehmliche Streichung einer Beherrschungsklausel führt zur Aufhebung des bestehenden Unternehmensvertrages i. S. d. § 296 AktG.
Am 09.12.2020 ging beim zuständigen Registergericht die Anmeldung der „Änderung“ eines bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen zwei GmbHs vom 04.12.2020 ein. Darin wurde formgerecht erklärt, dass die Gesellschafterversammlungen der Unternehmen dem Vorgang zugestimmt hätten.
Das Registergericht lehnte die Anmeldung ab. Es fehle tatbestandlich an einer Vertragsänderung. Stattdessen würde durch die Aufhebung der Beherrschungsklausel der Gesamtvertrag als solcher aufgehoben werden. Der Beherrschungsvertrag könne jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufgehoben werden. Zudem fehlte es an einem besonderen Aufhebungsgrund.
Ein entsprechender Beschluss wurde der Antragstellerin am 18.12.2020 zugestellt. Dagegen erhob sie fristgemäß Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Jena schloss sich der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichtes an und half der sofortigen Beschwerde nicht ab.
Kernproblem war die Frage, ob durch das Verhalten der Antragsteller die Änderung eines bestehenden Schuldverhältnisses nach § 295 AktG oder die Aufhebung des bestehenden und Abschluss eines neuen Vertrages gemäß § 296 AktG herbeigeführt worden ist.
Dem Vertragstext ist zu entnehmen, dass die Parteien davon ausgingen, durch die Streichung der Beherrschungsklausel lediglich eine Vertragsänderung herbeizuführen. Der Senat teilte diese Rechtsauffassung nicht.
Er führt zur Abgrenzungsfrage Folgendes auf:
Vertragsänderungen sind nach § 305 BGB ausdrücklich möglich. Zur Unterscheidung gegenüber der Aufhebung käme es vor allem auf die Umstände des Einzelfalles an. Dies stellte bereits der BGH mit Urteil vom 19. November 1998 (VII ZR 424/97) klar. Den Parteien stände auch entsprechend ein Wahlrecht zwischen § 295 AktG und § 296 AktG zu, soweit sich über beide Varianten ihre Ziele verwirklichen lassen. Von der Dispositionsfreiheit zu trennen sei aber die Frage nach der rechtlichen Beurteilung.
Dazu geht das Gericht kurz auf das Wesen eines Beherrschungsvertrages und Gewinnabführungsvertrages ein. Der Definition des § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG zufolge handele es sich ausdrücklich um unterschiedliche Vertragstypen. Im vorliegenden Fall wurden beide Verträge jedoch in einem einheitlichen Unternehmensvertrag zusammengefasst.
Die rechtlichen Auswirkungen der Streichung der Beherrschungsklausel sind umstritten. Eine „stark vertretende Ansicht“ erblickt darin eine Vertragsänderung. Der Senat schloss sich der gegenteiligen Auffassung an, demnach eine Aufhebung des alten Vertrages verbunden mit der Abmachung eines neuen Vertrages vorläge. Diese Annahme begründet er mit der Tragweite der Maßnahme. Die Streichung greife tief in die Struktur einer Gesellschaft ein. Die eigenständige Bedeutung der Vereinbarung bewirke eine Legalisierung der Konzernleitung. Außerdem würden Weisungsbefugnisse der bisherigen Gesellschafterversammlung auf das herrschende Unternehmen delegiert.
Schließlich würde diese Ansicht durch die Publizität der Anmeldung nach § 298 AktG unterstützt werden. Es handele sich um eine eintragungspflichtige Tatsache. Die Streichung der Beherrschungsklausel müsse dem Verkehrskreis also offen gelegt werden, indem man den alten Vertrag aus dem Handelsregister entfernt und den neuen Vertrag entsprechend einträgt.
Folgt man dieser Auffassung des OLG, führt dies zu der rechtlichen Konsequenz, dass die Gesellschaften ihr Begehr vor dem Registergericht hätten begründen und befristen müssen. Die Angaben haben allgemein so präzise wie möglich zu erfolgen. Das Interesse nach Verkehrsschutz und Rechtssicherheit gebiete einen klaren und bestimmten Inhalt. An der Angabe eines hinreichenden Grundes sowie eines Aufhebungszeitpunktes fehlte es hier jedoch. Im Ergebnis hatte das Registergericht die Beschwerde also zu Recht zurückgewiesen.
Ob die einvernehmliche Streichung der Beherrschungsklausel im Unternehmensvertrag zu einem Neuabschluss führt oder nicht, ist umstritten. Das OLG Jena positionierte sich gegen die Annahme einer rein innenvertraglichen Modifikation. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, hätten die Parteien den Rechtsweg zum BGH bestreiten können. Dazu kam es hier nicht. Der Beschluss des Oberlandesgericht ist mithin rechtskräftig.