08.07.2024
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
21.06.2023
II R 2/21
DNotZ 2023, 916
§ 16 Abs. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steht einer Aufhebung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 GrEStG nicht entgegen, wenn der Notar den Erwerbsvorgang zwar nicht innerhalb der für ihn geltenden Frist des § 18 GrEStG anzeigt, seine Anzeige bei dem zuständigen Finanzamt aber noch innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Frist des § 19 GrEStG eingeht.
Die Klägerin war an einer Objektgesellschaft (GmbH) mit 90,1 % beteiligt. Die restlichen 9,9 % hielt eine AG. Die GmbH war Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22.12.2016 verkaufte die AG ihren Anteil an der GmbH an die Klägerin. Nach den Vertretungsregeln der AG, konnte die Gesellschaft nur von zwei Gesellschafter zusammen vertreten werden, weshalb der Vertrag unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Genehmigung durch den Mitgesellschafter stand. Nach der ausdrücklichen Regelung im Vertrag, sollte diese mit Zugang beim Notar wirksam werde. Der Mitgesellschafter genehmigte den Vertrag am 23.12.2016. Die Genehmigung ging dem Notar am 30.12.2016 zu. Am gleichen Tag übersandte der Notar eine Kopie des Vertrages an das zuständige Finanzamt. Dort ging die Veräußerungsanzeige samt Kopie des Vertrages vom 22.12.2016 am 12.01.2017 ein. Mit Bescheid vom 02.05.2018 setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest.
Mit notariell beurkundetem Vertrag v. 12.06.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihre Anteile an der GmbH wieder entgeltlich an die AG ab. Am 19.06.2018 beantragte sie die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 16 Abs. 2 Nummer 1 GrEStG. Das Finanzamt lehnte die Aufhebung mit Verweis auf § 16 Abs. 5 GrEStG ab. Der Vertrag vom 22.12.2016 sei erst am 12.01.2017 und damit nicht fristgerecht gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG angezeigt worden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Verpflichtung des Finanzamts, die streitigen Grunderwerbsteuerbescheide aufzuheben. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet.
§ 16 Abs. 5 GrEStG schließt den Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung aus, wenn ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht fristgerecht und vollständig angezeigt wurde. Dabei bestehen die Anzeigepflichten für den Notar nach § 18 GrEStG und für den Steuerschuldner nach § 19 GrEStG grundsätzlich unabhängig voneinander. Während für den Fristbeginn beim Notar der Zeitpunkt der Beurkundung ausschlagend ist, kommt es für den Gesellschafter auf die Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Vorgang an. Die Wirkungen der Anzeigen können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen dem anderen Anzeigepflichtigen unter Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG zugerechnet werden.
Der BFH hatte in der Vergangenheit bereits entschieden, dass es für § 16 Abs. 5 GrEStG ausreicht, wenn einer von mehreren Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt. Daher reicht es im Sinne des § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn der Notar eine Anzeige erstattet, die zwar nach der gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG für den Notar laufenden Frist verspätet ist, die dem zuständigen Finanzamt aber innerhalb der nach § 19 Abs. 3 GrEStG für den Steuerschuldner geltenden Frist zugeht. In einem solchen Fall wird der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG gewahrt, nämlich dem Finanzamt auf Grundlage einer entsprechenden Anzeige die ordnungsgemäße Prüfung des Steuerfalls zu ermöglichen.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Genehmigung durch den Mitgesellschafter gegenüber dem Notar erst am 30.12.2016. Auch die zweiwöchige Frist für die Anzeige der Klägerin begann erst mit Kenntnis von der nachträglichen Genehmigung des anderen Gesellschafters der Käuferin durch den Notar am 30.12.2016. Indem die Anzeige des Notars bei der Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts am 12.01.2017 einging, wurde die für die Klägerin geltende zweiwöchige Anzeigefrist gewahrt.
Eine verspätete Anzeige der Grunderwerbssteuer durch den Notar ist dem Finanzamt gegenüber wirksam, sofern die für den Steuerschuldner geltende Frist noch nicht abgelaufen ist. Das Urteil zeigt einmal mehr die große Praxisrelevanz der Grunderwerbssteueranzeigen, welche neben der Rückgängigmachung von Kaufverträgen auch bei Anteilsübertragungen Anwendungen findet.