OLG Oldenburg 3 W 96/23
Zur Wirksamkeit eines Testamentes auf Kneipenblock

09.09.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Oldenburg
20.12.2023
3 W 96/23
NJW-Spezial 2024, 136

Leitsatz | OLG Oldenburg 3 W 96/23

  1. Die Verwendung von ungewöhnlichem Schreibpapier (hier: Kneipenblock) spricht nicht per se gegen einen ernsthaften Testierwillen.
  2. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, zur Bewertung der Echtheit eines handschriftlichen Testaments, einen Schriftsachverständigen hinzuzuziehen oder im Rahmen eigener vorhandener Sachkunde den Schriftvergleich selbst durchzuführen.
  3. Bei der Bewertung des Testierwillens können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (z.B. Auffindesituation, Äußerungen des Erblassers unmittelbar von Testamentserrichtung), über die ggf. gesondert Beweis zu erheben ist.

Sachverhalt | OLG Oldenburg 3 W 96/23

Die Beteiligte zu 1) beantragt die Erteilung eines Erbscheins aufgrund testamentarischer Erbfolge. Die Beteiligte zu 1) war die langjährige Partnerin des Erblassers. Der Erblasser war nicht verheiratet und kinderlos. Die Eltern und die Schwester des Erblassers sind vorverstorben. Weitere Geschwister hatte der Erblasser nicht. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) haben zusammen ein Lokal betrieben.

Die Beteiligte zu 1) legte nach dem Ableben des Erblassers einen Notizzettel einer Brauerei vor, auf dem grundsätzlich Bestellungen in der Gastronomie notiert werden. Darauf hieß es: „[Vorname der Beteiligten zu 1)] kriegt alles [Name des Erblassers] 04.12.22“

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Kinder der Schwester des Erblassers, die Beteiligten zu 2) - 5), als Miterben aufgrund gesetzlicher Erbfolge angekündigt. Der Beschwerde dagegen hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen.

Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit ihrer Beschwerde beim OLG Oldenburg gegen die erstinstanzliche Entscheidung.

Entscheidung | OLG Oldenburg 3 W 96/23

Die zulässige Beschwerde beim OLG Oldenburg ist in der Sache erfolgreich.

Der Beteiligten zu 1) ist der von ihr beantragte Erbschein zu erteilen. Sie ist testamentarische Alleinerbin geworden. Da die absolute Gewissheit der Echtheit eines Testamentes fast nie sicher zu erzielen ist, „genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt“.

Der Senat kommt nach diesem Maßstab zu dem Ergebnis, dass die auf den 04.12.2022 datierte Verfügung von dem Erblasser stammt. Anhand von Vergleichsproben, die vom Erblasser verfasst wurden, ist diese Beurteilung durch den Senat unzweifelhaft.

Zudem wurde der Zettel durch den Erblasser in einem Hinterzimmer des Lokals deponiert. Dort befanden sich auch andere für den Erblasser bedeutsame Unterlagen. Der Erblasser betrieb seit Jahrzehnten eine „klassische Dorf-Kneipe“, wobei er sich kaum um Bürokratisches kümmerte. Der Erblasser legte generell wenig Wert auf ordentliche Schriftwechsel. Daher erscheint es nicht fernliegend, dass der Erblasser auch so bedeutsame Angelegenheiten wie die Formulierung seines letzten Willens auf dem in seinem Lokal verwenden Kneipenblock vornahm und dort hinterlegte.

Gegen eine Fälschung spricht zudem, dass die Verfügung nicht mit der sonst üblichen, aber nicht zwingend erforderlichen, Überschrift „Testament“ oder „Mein letzter Wille“ versehen war. Eine solche hätte ein Fälscher jedoch wohl verwendet, um der Gefahr vorzubeugen, dass das Schreiben nicht als Testament anerkannt wird.

Das Schreiben erfüllt außerdem die Mindestvoraussetzungen eines eigenhändigen Testamentes, § 2247 Abs. 1 BGB. Zudem erfolgte die Unterzeichnung mit Vor- und Nachnamen, sowie inklusive Datierung im Sinne der Sollvorschriften von § 2247 Abs. 2, 3 BGB.

Die Verwendung (nur) des Vornamens der Beteiligten zu 1) steht einer bestimmten Bezeichnung der Erbin nicht im Wege. Im Wege der Auslegung ergibt sich, dass mit der Verwendung des Vornamens die Beteiligte zu 1) gemeint ist. Diese wurde vom Erblasser über mehrere Jahrzehnte bei ihrem Vornamen genannt. Zudem wurde glaubhaft vorgetragen, der Erblasser habe keine andere Person mit diesem Vornamen gekannt.

Letztlich ist auch der erforderliche Testierwille festzustellen. Es muss dabei „außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden“. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Erstellung der Urkunde nach Zeugenaussagen ein Gespräch vorangegangen ist, in dem der Erblasser wiederholt den Willen zum Ausdruck brachte, die Beteiligte zu 1) möge ihn beerben. Die vom Senat vernommene Zeugin wies den Erblasser sodann darauf hin, dass er dies auch schriftlich festhalten müsse. Daraufhin verfasste der Erblasser die verfahrensgegenständliche Verfügung.

Im Ergebnis ist das auf den 04.12.2022 datiert Schreiben daher ein wirksames Testament zugunsten der Beteiligten zu 1). Die Erteilung eines Erbscheins ist dem Nachlassgericht vorbehalten. Das Nachlassgericht wird daher angewiesen, den von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbschein zu erteilen.

Praxishinweis | OLG Oldenburg 3 W 96/23

In der gerichtlichen Praxis scheinen sich die Fälle von ungewöhnlichen Unterlagen zur Errichtung eines Testamentes zu häufen (s. „Notizzetteltestament“, „Holztischtestament“, oÄ). Diese führen jedoch nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Verfügung. Jedenfalls im Hinblick auf den Testierwillen ist jedoch Beweis zu erheben.