10.03.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BGH
17.09.2024
X ZR 39/23
BeckRS 2024, 28478
1. In einer monistisch verfassten europäischen Gesellschaft steht dem Verwaltungsrat nach § 41 Abs. 5 SEAG die alleinige Vertretungsbefugnis auch in Bezug auf Rechtsgeschäfte mit geschäftsführenden Direktoren zu, durch die die Gesellschaft lediglich einen rechtlichen Vorteil im Sinne von § 107 BGB erlangt.
2. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, genügt in den Fällen des § 41 Abs. 5 SEAG die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Verwaltungsrats.
3. Einem geschäftsführenden Direktor, der entgegen § 41 Abs. 5 SEAG im Namen der Gesellschaft einen Vertrag mit sich selbst geschlossen hat, ist es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht ohne weiteres versagt, sich zum Nachteil der Gesellschaft auf diese Vorschrift zu berufen.
Der frühere Beklagte (im Folgenden: Erblasser) gründete im Jahr 2014 die Klägerin, eine europäische Gesellschaft (SE), deren satzungsmäßiger Zweck in der gemeinnützigen Förderung von Kunst und Kultur besteht. Er verstarb im Jahr 2020. Der Erblasser war ursprünglich alleiniger Aktionär der Klägerin und geschäftsführender Direktor mit dem Recht zur Alleinvertretung und zum Abschluss von Rechtsgeschäften mit sich selbst oder als Vertreter Dritter.
Seine damalige Lebensgefährtin (im Folgenden: Direktorin) hielt seit einer Kapitalerhöhung im Dezember 2014 90 % der Aktien. Außerdem war und ist sie Mitglied des Verwaltungsrats. Am 01.07.2015 dann, übertrug der Erblasser der Direktorin seine restlichen Aktien gegen Zahlung von 120.000 Euro, die sodann als weitere geschäftsführende Direktorin bestellt wurde. Mittlerweile ist sie alleinige geschäftsführende Direktorin.
Am selben Tag schloss der Erblasser zudem im eigenen Namen und im Namen der Klägerin einen notariell beurkundeten „Schenkungsvertrag auf den Todesfall“ (im Folgenden: der Vertrag) ab, worin er der Klägerin vier wertvolle Kunstwerke schenkte. Die Schenkung war auf den Todesfall des Erblassers zu erfüllen. Mit drei Schreiben (17.09.2019, 16.12.2019 und 20.03.2020) erklärte der Erblasser die Loslösung von diesem Vertrag aus allen in Betracht kommenden Rechtsgründen mit der Begründung, die Direktorin habe zahlreiche geschäftliche Transaktionen zu seinem Nachteil durchgeführt, eine Beziehung zu einem anderen Mann unterhalten und einen Gesamtplan zur Selbstbereicherung verfolgt. Er erklärte deshalb die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung, den Widerruf wegen groben Undanks sowie den Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Die Klägerin, vertreten durch die Direktorin, begehrte die Feststellung, dass der Vertrag wirksam ist. Diesem Begehren sind der Erblasser bzw. nach seinem Tod der jetzige Beklagte als dessen Alleinerbe, entgegengetreten.
Nachdem das Landgericht die begehrte Feststellung ausgesprochen hatte, wurde auch die vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision weiterhin Klageabweisung.
Die zulässige Revision ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin jedenfalls nach der Genehmigung der Prozessführung durch den Verwaltungsrat ordnungsgemäß vertreten worden.
Die Revision ist begründet – die Begründung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin beim Abschluss des Vertrags nicht wirksam vertreten worden.
Gemäß § 41 Abs. 1 SEAG wird eine nach dem monistischen System verfasste europäische Gesellschaft grundsätzlich durch ihre geschäftsführenden Direktoren vertreten. Allerdings steht die Vertretung gegenüber diesen Direktoren nach § 41 Abs. 5 SEAG dem Verwaltungsrat zu. Da der Erblasser bei Abschluss des Vertrags geschäftsführender Direktor der Klägerin war, war allein der Verwaltungsrat der Klägerin berufen, diesen Vertrag in deren Namen abzuschließen. Nach § 41 Abs. 5 SEAG gilt dies auch dann, wenn durch die Rechtsgeschäfte ein lediglich rechtlicher Vorteil im Sinne von § 107 BGB erlangt wird. Denn die Ausnahme vom Verbot von Insichgeschäften nach § 181 BGB bei Geschäften, durch die der Vertretene lediglich einen rechtlichen Vorteil im Sinne von § 107 BGB erlangt, lässt sich nicht auf § 41 Abs. 5 SEAG übertragen:
Der Schutzzweck des § 41 Abs. 5 SEAG reicht weiter als derjenige von § 181 BGB. Die Vorschrift ist § 112 AktG nachgebildet. Eine Entscheidung des BGH, ob die alleinige Vertretungsmacht des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats auch für rechtlich vorteilhafte Geschäfte gilt, blieb bislang aus. Die Frage wird im Schrifttum teilweise durch Vergleich mit § 181 BGB verneint, da in solchen Fällen keine Interessenkollision bestehe. Der BGH schließt sich jedoch der gegenteiligen Meinung im Schrifttum an, nach der § 112 AktG und § 41 Abs. 5 SEAG jedes ein- oder mehrseitige Rechtsgeschäft erfasse. Denn § 112 AktG dient dem Ziel, Interessenkollisionen vorzubeugen und eine unbefangene sachgerechte Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn die Gesellschaft bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit beispielsweise ehemaligen Vorstandsmitgliedern durch ihren amtierenden Vorstand vertreten wird. Daher obliegt die allgemeine Vertretungsmacht dem Aufsichtsrat, ohne dass es im konkreten Fall darauf ankommen soll, ob tatsächlich die konkrete Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist. Vielmehr soll die abstrakte Gefahr ausreichen. Dies geht über den mit § 181 BGB angestrebten Schutz des Vertretenen hinaus, der lediglich die Befugnisse einer an sich zur Vertretung berechtigten Person einschränkt. Demgegenüber enthalten § 112 AktG und § 41 Abs. 5 SEAG eine eigenständige Vertretungsregelung, die die Vertretungsmacht für bestimmte Rechtsgeschäfte ausschließlich dem Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat zuweist. Eine Befreiung von diesen Beschränkungen ist im Gesetz nicht vorgesehen und widerspräche auch dessen Systematik, weil der Vorstand bzw. die geschäftsführenden Direktoren insoweit ohnehin nicht zur Vertretung berechtigt sind.
Es kann daher offenbleiben, ob die Klägerin im Streitfall durch den Vertrag lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, da der Erblasser auch dann nicht zur Vertretung der Klägerin befugt war, wenn der Vertrag diese Voraussetzung erfüllt.
Es fehlt auch an einer wirksamen und rechtzeitigen Genehmigung seitens der Klägerin, sodass die Frage, ob ein solcher unwirksamer Vertrag nach Maßgabe von §§ 177 ff. BGB genehmigt werden kann, offenbleiben kann. Denn der Beschluss des Verwaltungsrats vom 10.01.2022 ist keine wirksame Genehmigung, da der Beklagte den Vertrag bereits vor diesem Datum gemäß § 178 BGB widerrufen hatte, indem er die Direktorin am 08.12.2021 persönlich auf Herausgabe der Bilder in Anspruch nahm. Der Widerruf ist auch gegenüber der Klägerin wirksam, da die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber einem einzelnen Mitglied des Verwaltungsrats bei entsprechender Anwendung des § 112 AktG ausreicht.
Der Beklagte ist auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB daran gehindert, sich auf die fehlende Vertretungsmacht zu berufen. Aus dem Schutzzweck des § 41 Abs. 5 SEAG ergibt sich keine abweichende Schlussfolgerung. Denn zum Schutz der Rechtssicherheit und -klarheit muss es grundsätzlich auch einem nicht zur Vertretung berechtigten geschäftsführenden Direktor möglich sein, sich auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes zu berufen.
Die Ausnahmen vom § 181 BGB sind nicht ohne Weiteres auf eine monistisch verfasste europäische Gesellschaft übertragbar, da § 41 SEAG einschlägig ist und der Schutzzweck weitergefasst wird. Bei einem Schenkungsvertrag kommt es also nicht auf den Inhalt des Vertrages und auf die Frage an, ob die vertretene Gesellschaft lediglich einen rechtlichen Vorteil durch das Rechtsgeschäft erhält. Vertretungsberechtigt ist in einem Fall wie dem vorliegenden ausschließlich der Verwaltungsrat, unabhängig davon um was für ein Rechtsgeschäft es sich handelt.