21.04.2025
Notizen zur Rechtsprechung
Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:
BFH
05.06.2024
VI R 20/22
NZG 2024, 1339
Zufluss nicht ausgezahlter Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer [ PDF ]
Der Kläger (und Revisionsbeklagte) ist sowohl alleiniger Gesellschafter als auch Geschäftsführer der GmbH. Im Geschäftsführervertrag ist unter § 3 geregelt, dass er neben einem monatlichen Bruttogehalt eine Tantieme iHv 20% des Jahresgewinns erhält. Diese wird ein Monat nach der Feststellung des Jahresabschlusses von der Gesellschafterversammlung ausgezahlt und darf nicht höher als 30% der Festvergütung sein. Dem Kläger wurden in den Jahren von 2015-2017 keine Tantiemen ausgezahlt. Zudem hat die GmbH keine Passivposten in den Jahresabschlüssen gebildet. Im Rahmen seiner Steuererklärungen gab der Kläger lediglich seine Festvergütung, ohne Tantiemen an. Daraufhin setzte das Finanzamt die Veranlagung zunächst entsprechend seiner Erklärung fest. Nach der Lohnsteuer-Außenprüfung hat das FA festgestellt, dass die nicht ausgezahlten Tantiemen in Höhe von 20% als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sind and änderte die Festsetzung der Einkommenssteuer aus den genannten Jahren. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gelten Tantiemen bereits mit der Erstellung der Bilanz als erhalten. Dies hat den Hintergrund, dass er selbst darüber bestimmen könne, wann die Auszahlung erfolgt. Somit sei unerheblich, ob die Auszahlung tatsächlich erfolgt ist.
Nachdem das Einspruchsverfahren des Gesellschafter-Geschäftsführer erfolglos blieb, reichte dieser Klage beim Finanzgericht ein. Das FG entschied zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführer, woraufhin das Finanzamt eine Verletzung des materiellen Rechts rügte.
Die Revision ist erfolgreich, weshalb die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückverwiesen wird.
Tantiemen zählen zum steuerpflichtigem Arbeitslohn und werden grundsätzlich besteuert, wenn sie dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließen. Ein Zufluss liegt vor, wenn der Arbeitnehmer wirtschaftlich über die Zahlung verfügen kann, also durch eine Auszahlung oder Gutschrift auf seinem Konto.
Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ergibt sich jedoch eine Besonderheit. Ihnen können die Beträge bereits mit der Fälligkeit zufließen, da sie die Auszahlung jederzeit selbst veranlassen können. Diese Zuflussfiktion betrifft jedoch nur solche Vergütungen, die dem beherrschenden Gesellschafter geschuldet wird und das Einkommen der Gesellschaft beeinflussen. Tantiemen werden grundsätzlich erst mit der Feststellung des Jahresbeschlusses fällig, es sei denn, es wurde vertraglich ein anderer Fälligkeitszeitpunkt festgelegt.
Ein Verzicht auf den Vergütungsanspruch kann als Zufluss des Forderungswerts gewertet werden, sofern hierdurch eine verdeckte Einlage erbracht wird. Eine solche besteht wenn ein Gesellschafter bzw. eine nahestehende Person der Gesellschaft einen finanziellen Vorteil verschafft, ohne dafür neue Gesellschaftsanteile zu erhalten. Vorausgesetzt wird außerdem, dass ein Nichtgesellschafter diesen Vorteil bei kaufmännischer Sorgfalt nicht gewährt hätte.
Als verdeckte Einlage gelten nur solche Werte, die das Vermögen der Gesellschaft erhöhen. Die Beurteilung richtet sich nach dem Bilanzrecht. Dementsprechend hat das FG richtigerweise zu Recht entschieden, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer keine Tantiemen zugeflossen sind.
Da die Tantiemensprüche hier noch nicht fällig waren, greift die Zuflussfiktion nicht. Zudem wurden sie in den Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeiten erfasst. Ob diesbezüglich ein Pflichtverstoß vorliegt, ist unerheblich, da dieser keine Fälligkeit der Tantiemeansprüche begründen kann.
Vorliegend ist nicht geklärt, warum die Tantiemen weder ausgezahlt noch bilanziell erfasst wurden. Im Besonderen ist nicht ersichtlich, ob der Kläger vor oder nach Entstehung der Tantiemeansprüche auf diese verzichtet hat. Eine verdeckte Einlage wäre nur gegeben, wenn der Verzicht nachträglich erfolgt ist.
Wiederholt nicht ausgezahlte und nicht in der Gewinnermittlung erfasste Tantiemen können auf eine stillschweigende Aufhebung der Ansprüche hindeuten. Eine konkludente Vertragsänderung setzt ein bewusstes, planvolles Verhalten voraus.
Falls der Kläger tatsächlich auf schon bestehende Ansprüche verzichtet hat, hätte die GmbH diese zunächst in ihrer Buchhaltung erfassen müssen. Ein Verzicht auf eine werthaltige Forderung stellt eine verdeckte Einlage dar. Entsprechendes gilt auch in Fällen, in denen die Verbindlichkeit nicht passiviert wurden.
Entscheidend ist, ob die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts in der Bilanz hätten erfasst werden müssen.
Demzufolge ist die Vorentscheidung des FA aufzuheben. Das FG muss feststellen, ob ein Verzicht des Klägers vorliegt.
Die Entscheidung betont die Bedeutung des Zufallsprinzips. Die Anwendung des Zufallsprinzips setzt jedoch voraus, dass die Tantiemensprüche im Jahresabschluss der GmbH als Verbindlichkeiten erfasst werden. Zu beachten ist außerdem, dass ein Verzicht auf Tantiemenansprüche als eine verdeckte Einlage gewertet werden kann. Hierbei ist entscheidend, ob der Verzicht nachträglich auf eine bereits entstandenen Forderung erfolgte.